Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 2090 
die eine über die örtliche Gemeinschaft (Gemeinde, Amtsbezirk) hinausgehende Bedeutung 
haben. Welche einzelnen Gegenstände in den Bereich der Ortspolizei, welche in den der Landes- 
polizei fallen, ist teils gesetzlich bestimmt, wie z. B. in Preußen die Chausseebaupolizei, die Strom-, 
Schiffahrts= und Hafenpolizei, die Aufrechterhaltung der äußeren kirchlichen Ordnung (ogl. 
Regierungsinstr. v. 23. 10. 1817 § 3, 2; Kreis O. östl. Prov. § 59 Abs. 2; V. v. 27. 6. 1845 8§ 3, 4) 
und anderes ausdrücklich als landespolizeiliche Angelegenheit anerkannt ist, und die wichtigsten 
Gegenstände der Ortspolizei im Gesetze über die Polizeiverwaltung v. 11. 3. 1850 §56 aufgezählt 
sind. Soweit es aber an solchen positiven Festsetzungen fehlt, kann nur auf Grund einer Prüfung 
der materiellen Momente des einzelnen Falles entschieden werden, ob es sich um eine orts- 
oder eine landespolizeiliche Angelegenheit handelt; eine Maßnahme zur Abwehr einer Seuche 
z. B. hat einen ortspolizeilichen Charakter, wenn sie, veranlaßt durch Einzelerkrankung, auf 
Bekämpfung und Beschränkung der Krankheit innerhalb des einzelnen Ortes abzielt, einen 
landespolizeilichen dagegen, wenn sie verhindern will die Einschleppung der Seuche aus dem 
Auslande oder ihre Verbreitung im Julande von einer Gegend zur anderen (Pr. OV. E. 26, 
87 ff.). 2. In formaler Bedeutung gebraucht bezeichnen die beiden Begriffe die von ver- 
schiedenen Punkten ausgehende polizeiliche Tätigkeit. Ortspolizei bedeutet die polizeiliche Tätigkeit 
der Ortspolizeibehörden, Landespolizei die der Landespolizeibehörden. Diese aber hat nicht immer 
auch im materiellen Sinne einen orts- bzw. landespolizeilichen Charakter. Grundsätzlich aller- 
dings ist naturgemäß die Besorgung der materiell ortspolizeilichen Angelegenheiten den für einen 
oder mehrere Gemeindebezirke bestellten Ortspolizeibehörden, die der materiell landespolizei- 
lichen Angelegenheiten dagegen den für weitere Verwaltungsbezirke bestellten Landespolizei- 
behörden übertragen. Allein der Gesetzgeber kann auch etwas anderes bestimmen, wie er 
z. B. in Preußen die Landespolizeibehörden ermächtigt hat, Polizeiverordnungen auch über 
materiell ortspolizeiliche Gegenstände zu erlassen, sofern die Polizeiverordnung nur für mehrere 
Ortspolizeibezirke Anwendung finden soll (G. v. 11. 3. 1850 F 11). 
§ 4. Die geschichtlichen Entwickelungsstufen des deutschen Verwaltungsrechts. 
Literatur: Loening 199; derselbe, Gerichte und Verwaltungsbehörden in 
Brandenburg-Preußen, Verwürch. 2, 217 ff., 437 ff., u. 3, 94 ff., 510 ff.; O. Mayer 5# 3, 4, 
5, Ul;derselbe,, Justiz u. Verwaltung (Straßb. Rektoratsrede 1002; Fleiner §3; Gne ist, 
Der Rechtsstaat (2) 1879, 65 ff.; Bähr, Der Rechtsstaat, 1864, 111 ff.; v. Sarwey, D. öffentl. RN. 
u. d. Verwaltungsrechtspflege, Tübingen 1880, 164 ff.; Stein, Grenzen u. Beziehungen zwischen 
Justiz u. Verwaltung, Tübingen 1912 F. 2. 
Über das grundsätzliche Verhältnis der Staatsgewalt zu den Untertanen, dessen feine 
Ordnung im einzelnen das Verwaltungsrecht der Gegenwart ausmacht, haben in Deutschland 
in verschiedenen Zeiträumen verschiedene Auffassungen geherrscht. In dem mittelalterlichen 
Staate hatte man von ihm eine andere Vorstellung als im Polizeistaate des 18. Jahrhunderts 
und in diesem wieder eine andere als die, welche den Gestaltungen des modernen Rechts- 
staates zugrunde liegt. Der Übergang von einer dieser Vorstellungen zur anderen hat sich aber 
nicht in geradliniger Fortentwickelung gewisser Gedanken vollzogen. Es handelt sich bei jeder 
dieser drei Perioden um einen Bruch mit der bestehenden Rechtsauffassung und der Realisierung 
einer neuen Idee. Auch hat das allgemeine Aufkommen einer neuen Auffassung über das 
prinzipiell richtige Verhältnis der Staatsgewalt zu den Untertanen nicht in allen Staaten zu 
gleicher Zeit eine Umwälzung der tatsächlich vorhandenen Rechtsverhältnisse herbeigeführt. 
Während in einzelnen Staaten die Anschauungen, welche dem Polizeistaate eignen, bereits 
in denkbar höchster Vollendung realisiert waren, hatte in anderen noch die mittelalterliche 
Ordnung der öffentlichen Verhältnisse Bestand, und viele Staaten sind überhaupt nicht durch 
das System des Polizeistaates hierdurch zu dem des Rechtsstaates aufgestiegen, sondern haben 
nach der mittelalterlichen Ordnung gelebt, bis sie im 19. Jahrhundert im Zusammenhange mit 
der Ausbildung des modernen Verfassungsrechtes sich zu den Grundsätzen des Rechtsstaates 
bekannten. 
I. Das ganze Mittelalter hindurch herrschte in Deutschland die Anschauung, daß die 
Landesherren unter dem Rechte und unter dem Gerichte standen. Ein Unterschied zwischen 
Enzyklopädie der Nechtswissenschaft. 7. der Neubrarb. 2. Aufl. Band IV. 14
	        
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