Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

214 Paul Schoen. 
keit der Zivilgerichte, die aus ihnen entspringenden Streitigkeiten zu entscheiden, ist ausgeschlossen, 
sofern sie nicht durch positive reichsgesetzliche oder landesgesetzliche (§ 4 EGG. GVG.) Vorschrift 
begründet ist (ugl. unten § 31 unter 1). Ubrigens können die Rechtsverhältnisse des Staates, 
die eine vermögensrechtliche Seite aufweisen, nach Aufgabe der polizeistaatlichen Fiskustheorie 
entweder nur als privatrechtliche oder nur als öffentlichrechtliche angesprochen werden. Als 
„gemischte“, d. h. teils auf dem Boden des privaten, teils auf dem des öffentlichen Rechtes 
stehende Verhältnisse, als welche die spätere polizeistaatliche Theorie und Praxis sie gern ausgab, 
um dem durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt geschädigten Bürger zu einem rechtlich ge- 
schützten Anspruche gegen den Fiskus zu verhelfen, lassen sie sich nicht mehr konsttmieren. Beruht 
doch der Gedanke des gemischten Rechtsverhältnisses lediglich auf der als unrichtig erkannten 
Annahme, daß der Staat in demselben Rechtsverhältnisse zugleich als Staat und als Privat- 
mann auftritt. Es liegt aber auch gar kein Bedürfnis mehr dazu vor, mit Hilfe der Lehre von 
den gemischten Rechtsgeschäften dem einzelnen in möglichst weitem Umfange Schadensersatz- 
ansprüche gegen die Verwaltung wegen ihn schädigender Verwaltungsakte zu verschaffen, nach- 
dem er in der Verwaltungsklage ein Rechtsschutzmittel gegen den Verwaltungsakt selbst be- 
kommen hat. 
Zweites Kapitel. 
Die Verwaltungsorganisation. 
§ 5. I. Begriffliches und Allgemeines. 
Literatur: Loening 7, 10, 11; v. Stengel # 32, 33, 34; Meyer-Anschütz 
z 106; Laband St.R. 39; G. Jellinek, Allgem. Staatslehre (2) 526 ff.; derselbe, System 
d. sublektiven öff. Rechte (2) 225 ff.; Bernatzik, Kritische Studien. Arch. f. öff. R. 5, 169 ff. 
I. Der Staat kann, wie jede juristische Person, nur wollen und handeln durch physische 
Personen, indem Wollen und Handeln menschlicher Individuen unter bestimmten Voraus- 
setzungen als Wollen und Handeln des Staates angesehen wird. Die Personen, welche be- 
rufen sind, den Staatswillen zu bilden und zu verwirklichen, sind die Organe des Staates. 
Die Organstellung einer Person kann nur auf staatlichem Auftrage beruhen. Dieser Auftrag 
kann aber unmittelbar in der Verfassung enthalten oder durch ein anderes Organ des Staates 
erteilt sein. Danach unterscheidet man unmittelbare undmittelbare Staatsorgane. 
Zu jenen gehören in den monarchischen Einzelstaaten die Landesherren und die Landtage, 
in den freien Städten die Senate und Bürgerschaften, im Reiche der Bundesrat, der Kaiser 
und der Reichstag. Alle diese Organe bestehen und fungieren unmittelbar auf Grund von 
Verfassungsvorschriften, die ihnen zugleich ein unentziehbares, eigenes Recht auf Ausübung 
der ihnen überwiesenen Funktionen beilegen. Es sind die höchsten Organe des Staates; keines 
von ihnen ist einem anderen Staatsorgane untergeordnet. Es sind die Organe, welche die Staats- 
form bestimmen; daher denn auch die Darstellung ihrer Organisation und Funktionen in das 
Verfassungsrecht gehört (vgl. oben S. 195). Als selbständige Träger der Verwaltung kommen 
von diesen unmittelbaren Organen nur die Landesherren, die Senate, der Bundesrat und der 
Kaiser in Betracht; die Volksvertretung ist in den Einzelstaaten wie im Reiche nur unselbständig 
insofern an der Verwaltung beteiligt, als bestimmte einzelne Verwaltungsgeschäfte nicht ohne 
ihre Zustimmung vorgenommen werden dürfen und sie eine Kontrolle über die gesamte Ver- 
waltung ausübt. In den erstgenannten Organen dagegen konzentriert sich die ganze Landes- 
und Reichsverwaltung. In den monarchischen Einzelstaaten sind die Landesherren berechtigt, 
kraft eigenen Rechtes und ohne rechtliche Verantwortlichkeit alle Verwaltungsfunktionen aus- 
zuüben, soweit sie hierin nicht durch Gesetze beschränkt sind oder die Ausübung bestimmter Funk- 
tionen durch Gesetze anderen Organen übertragen ist. Im Reiche hat hinsichtlich der Reichs- 
verwaltung die gleiche Stellung der Bundesrat, nur ist die Verwaltungskompetenz dieses da- 
durch erheblich eingeengt, daß die Reichsverfassung und spätere Reichsgesetze den Kaiser an 
die Spitze verschiedener Reichsverwaltungszweige (Post und Telegraphie, Marine, Beamten- 
ernennung) gestellt haben. In den freien Städten endlich stehen an der Spitze der Verwaltungs-
	        
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