Deutsches Verwaltungsrecht. 217
als der Einzelbeamte, sic besitzen gewöhnlich weniger Initiative als dieser, und das Verantwort-
lichkeitsbewußtsein ihrer Mitglieder ist infolge des Zuschiebens der Verantwortlichkeit auf das
Ganze geringer als beim Einzelbeamten. Daher ist das Kollegialsystem nicht am Platze, wo es
auf rasche Entschließung und schnelles Eingreifen ankommt, wie bei der Polizeiverwaltung.
„Agir est le fait d'un seul et déliberer est le fait de plusieuss“, heißt ein im Anschlusse an
Montesquiensche Gedanken geprägtes geflügeltes Wort. Die Frage, nach welchem Systeme
eine bestimmte Behörde organisiert ist, ist lediglich aus dem geltenden positiven Rechte zu be-
antworten; aus den Geschäften der Behörde folgt nichts für ihre Organisation, allerdings wird
diese häufig im Hinblicke auf jene gestaltet sein (ugl. die vorangehende).
2. Die Staatsbehörden sind, je nachdem ihr Geschäftsbereich sich auf den ganzen Staat
oder größere oder kleinere Gebiete desselben erstreckt, Zzentral-- oder Provinzial-
(Bezirks-, Kreis-) oder Lokalbehörden. Das räumliche Gebiet, für welches hier
nach eine Behörde bestellt ist, heißt ihr Amtsbezirk.
3. Die Staatsbehörden werden femer gewöhnlich in Justizbehörden und Ver-
waltungsbehörden eingeteilt, wobei dann zu jenen die ordentlichen und die besonderen
Gerichte und die mit ihnen verbundenen Staatsanwaltschaften, zu diesen alle anderen Be-
hörden, einschließlich der Verwaltungsgerichte gerechnet werden. Die Rechtslage dieser Justiz-
behörden einer= und der Verwaltungsbehörden andererseits ist jedoch keineswegs durchweg
eine gleichartige und gegensätzliche: Die den Gerichten charakteristische Unabhängigkeit kommt
den Staatsanwaltschaften nicht zu, und es gibt Verwaltungsbehörden, die ihre Geschäfte
in gleicher oder doch ähnlicher Unabhängigkeit verrichten wie die Gerichte, so die Ver-
waltungsgerichte, die Disziplinargerichte, die sog. Beschlußbehörden (s. unten zu Vb und
VII a. E.) u. a. (vgl. oben S. 115 dieses Bds.). Im folgenden wird allein von den
Verwaltungsbehörden gehandelt.
IV. Unter Zuständigkeit der Behörde versteht man das Berufensein der einzelnen
Behörde zur Entwickelung ihrer Tätigkeit im einzelnen Falle. Diese Zuständigkeit ergibt sich
aus dem sachlichen und dem örtlichen Wirkungzkreise der Behörde. Jener ist für die
Verwaltungsbehörden teils durch Gesetze, teils durch Verordnungen bestimmt, dieser durch
den Amtsbezirk, für den die Behörde bestellt ist. Die einzelne Verwaltungsbehörde ist also zu-
ständig, sofern es sich um Angelegenheiten handelt, zu deren Ordnung sie sachlich berufen ist,
und eine Tätigkeit zu entwickeln ist, die sich auf in ihrem Amtsbezirke belegene Grundstücke oder
in demselben wohnende oder aufhaltsame Personen bezieht. Die Feststellung der Zuständigkeit
einer jeden Behörde ist einmal deshalb von Bedeutung für die Untertanen, weil nur die von
einer Behörde oder einem Beamten innerhalb der durch die Zuständigkeit gesteckten Grenzen
vorgenommenen Handlungen als Handlungen des Staates gelten. Nur Anordnungen der Be-
hörden, die diese innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen, sind die Untertanen verpflichtet, Ge-
horsam zu prästieren. Zuständigkeitsüberschreitungen begründen Beschwerden und Klagen der
durch sie Betroffenen und können auch zivil= wie strafrechtliche Haftung des für sie verantwort-
lichen Beamten zur Folge haben. Die Feststellung der Zuständigkeit der Behörde ist sodann aber
auch von Bedeutung für ihr Verhältmis zu anderen Behörden. Denn keine Behörde (auch nicht
die übergeordnete; vgl. unten unter V) darf, soweit sie nicht einen besonderen Rechtstitel hat,
in die Zuständigkeit einer anderen Behörde eingreifen. Entstehen zwischen verschiedenen neben-
oder übergeordneten Behörden Streitigkeiten über ihre Zuständigkeit, so
sind diese von der gemeinsamen Oberbehörde, in letzter Instanz vom Ministerium zu entscheiden.
Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen mehreren Ministerien oder Behörden, die verschiedenen
Ministerien unterstellt sind, hat das Staatsoberhaupt zu entscheiden. Über Zuständigkeits-
streitigkeiten zwischen Verwaltungsgerichten und anderen Verwaltungsbehörden unten § 30
III 1 a. E., über solche zwischen den Verwaltungsbehörden und den ordentlichen Gerichten
(„Kompetenzkonflikte“) unten § 32.
V. Die Verwaltungsbehörden, mit Ausnahme der Verwaltungsgerichte, sind zwecks
Sicherung der Einheitlichkeit des Staatswillens in der Verwaltung zueinander in ein Ver-
hältnis hierarchischer Über= und Unterordnung gesetzt, und zwar so, daß
die für einen territorial größeren Bezirk bestellte Behörde den in demselben Bezirke für kleinere