Paul Schoen.
1#
I—.
□.
Als Preußen, ein Teil von Pommern, Magdeburg, Halberstadt, Minden, Kleve, Mark,
Ravensberg, Geldern, Mörs, Lingen und Tecklenburg an die Landesherren von Brandenburg
gefallen waren, sahen diese ihre wichtigste Aufgabe darin, die in keinem Zusammenhange stehen-
den neu erworbenen Gebiete miteinander wie mit dem Kernlande in eine engere organische
Verbindung zu bringen, die ihre allmähliche innere Verschmelzung zu einem Gesamtstaate an-
bahnen konnte. Am ehesten schien diese Aufgabe sich auf den Gebieten lösen zu lassen, auf
welchen der landesherrlichen Gewalt wesentliche ständische Rechte nicht entgegenstanden. Dies
aber war die Organisation der Verwaltungsbehörden überhaupt und die Verwaltung der
Domänen und Regalien im besonderen. Daher wurde alsbald die märkische Behördenorganisation
möglichst auch in die neuerworbenen Gebiete eingeführt. In jedem dieser wurde eine Amts-
kammer errichtet, in den meisten auch eine Regierung nach neumärkischem Typus als oberste
allgemeine Verwaltungs- und Gerichtsbehörde. Und 1651 wurde auch der Geheime Rat, der
bis dahin lediglich Zentralbehörde für die Mark gewesen war, zur Zentralbehörde für alle unter
dem Kurfürsten vereinigten Gebiete erhoben; alle Behörden der neuerworbenen Gebiete wurden
ihm damit unterstellt. Bald zeigte sich jedoch, daß die Vereinigung der obersten Verwaltung
in einer Zentralbehörde auf die Dauer nicht haltbar war; der Geheime Rat konnte nicht den
erforderlichen Einfluß auf alle Teile der laufenden Verwaltung in den einzelnen Territorien
ausüben. So entstand das Bedürfnis nach weiteren Zentralbehörden. Schon 1651 wurde eine
besondere Stelle für die Domänenverwaltung in der Zentrale geschaffen, aus der nach mannig-
fachen Wandlungen 1689 die kollegialisch organisierte Geheime Hofkammer hervor-
ging, als vorgesetzte Behörde aller Amtskammern der einzelnen Provinzen.
Neben dieser Behördenreihe, die lediglich eine Fortentwickelung gemeindeutscher Ein-
richtungen darstellte, entstanden in Brandenburg-Preußen weitere, den übrigen deutschen
Ländern unbekannte Organisationen. Uberall wurden in Deutschland nach dem Dreißigjährigen
Kriege stehende Heere geschaffen, und überall wurden mit diesen militärische Verwaltungs-
behörden notwendig, die für Verpflegung, Bekleidung, Einquartierung in der Garnison und auf
Märschen, für Werbung und Rekrutierung, für Remonten, Invaliden, Zeughäuser und Festungen
zu sorgen hatten. Auch auf das Steuerwesen war die Einführung stehender Truppen überall
von Einfluß; die für den Unterhalt dieser bewilligten Steuern wurden tatsächlich permanent,
und ihre periodische Neubewilligung ward lediglich eine Form. Allein in Brandenburg-Preußen
verlor nicht nur das ständische Steuerbewilligungsrecht seine Bedeutung, auch die Verwaltung
der zur Unterhaltung des Heeres eingeführten Steuern, der Kontribution, die auf dem platten
Lande, und der Akzise, die an Stelle dieser (seit 1667) in den Städten erhoben wurde, wurde
den Ständen entzogen und staatlichen Organen, oberen Kriegskommissaren, über-
tragen. Auch diese waren eine mit dem Ständigwerden des Heeres zusammenhängende Ein-
richtung: Schon seit Anfang des 17. Jahrhunderts waren den Heeren sog. Kriegskommissarien,
d. h. landesherrliche Beamte, beigegeben, welche einmal die Truppenpräsenz bei den an-
geworbenen Regimentern zu kontrollieren und sodann die Geschäfte der heutigen Intendanturen
wahrzunehmen hatten. Diese Amter wurden mit der Einführung des stehenden Heeres ständige,
und über ihnen entstanden nach und nach weitere: für jede Provinz wurde ein Oberkommissar
und für den ganzen Staat ein Generalkriegskommissar bestellt. Seit 1660 war diese Organisation
allgemein durchgeführt, und den Oberkommissaren wurde nun die Verwaltung der zum Unter-
halte der Truppen bestimmten Steuern in der Provinzialinstanz übertragen; an sie hatten die
Kreiskassen, Akzisekassen usw. ihre Steuereinnahmen abzuliefernn. Bald wurden den Ober-
kommissaren und dem diesen vorgesetzten Generalkommissar Hilfsbeamte beigegeben, und dann
entwickelten sich aus diesen bureaukratischen kollegialische Behörden, die Kriegskommissa-
riate, auch Kriegskammern genannt, und das Generalkriegskommissariat.
Dabei blieb die Tätigkeit dieser Behörden nicht auf das Intendanturwesen und die militärischen
Zwecken dienenden Steuern beschränkt. Im Interesse der Hebung der Steuerfähigkeit ließen sie
sich die Föärderung der Landeswohlfahrt, wie es nur möglich war, angelegen sein. Sie kümmerten
sich um die „Aufnahme“ der Städte wie um die Hebung des Wohlstandes des platten Landes.
Einen Zweig der inneren Verwaltung nach dem anderen rissen sie an sich. „Aus Militär-
intendantur- und Steuerbehörden waren zuletzt Landespolizeibehörden geworden, Träger der
neu entstehenden inneren Verwaltung, die, vom aggressiven Geist des Heeres erfüllt, die öffent-