Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 223 
liche Wohlfahrt in viel energischerer Weise gefördert haben, als es dort geschah, wo diese Für- 
sorge lediglich durch die Behörden der Domänenverwaltung, durch Kammern und Amter er- 
folgte; aus dem Steuerwesen und nicht aus dem Domänenwesen hat sich im Gegensatz zum 
übrigen Deutschland die moderne preußische Verwaltungsorganisation entwickelt“ (E. v. Meyer 
i. d. 6. Aufl. dieser Enzyklopädie 2, 655). Mit den Regierungen, denen sie als den grundsätzlichen 
Trägern der allgemeinen Verwaltung in der Provinzialinstanz zunächst unterstellt sein sollten, 
lebten die Kommissariate in dauernden Kompetenzstreitigkeiten, bis es ihnen gelungen war, 
sie tatsächlich ganz in den Schatten zu drängen. Nur wenige unwichtige, gewissermaßen veraltete 
Sachen, wie Huldigungs-, Lehens-, Grenz-, Inkolats, Abfahrts-, Abschoßsachen, zu denen in 
den Gebieten, in welchen ein Konsistorium nicht vorhanden war, noch die Kirchen- und Schul- 
sachen hinzukamen, verblieben schließlich unbestritten den Regierungen. Im übrigen lebten sie 
nur fort als Gerichte. Allein nicht nur zu den Regierungen, auch zu den Amtskammern traten die 
Kommissariate häufig in Gegensatz. Auch diesen gegenüber war ihre Kompetenz nicht scharf und 
sicher abgegrenzt; in den Domänenämtern nahmen häufig beide Behörden dieselbe Zuständig- 
keit in Polizei= und Finanzsachen in Anspruch, und dieselben Konflikte wie zwischen ihnen be- 
standen auch unausgesetzt zwischen ihren vorgesetzten Instanzen, dem Generalkriegskommissariate 
und der Hofkammer. 
In derselben Zeit, als die eben bezeichneten neuen Kommissariatsbehörden entstanden, 
vollendete sich auch die Entwickelung des wichtigsten Unterorganes dieser Behörden, des Land- 
ratsamtest, eine der eigenartigsten Erscheinungen im preußischen Behördenorganismus. 
Aus der Verschmelzung zweier Amter, eines ständischen mit einem staatlichen, ist es in der Mark 
Brandenburg entstanden und hat sich dann bald das ganze Staatsgebiet erobert. Auch die 
Entstehung des Landratsamtes und der ihm zugrunde liegenden Amter hing mit dem stehenden 
Heere und der Kriegssteuerverwaltung zusammen. Die ständische Wurzel des Landrats- 
amtes war das Amt des Kreisdirektors, ein Erzeugnis der seit dem Ende des 16. Jahr- 
hunderts in der Kurmark in der Entwickelung begriffenen Kreisverfassung. Seit dieser Zeit kam 
hier die allgemeine Ständeversammlung wegen der tatsächlichen und pekuniären Schwierig- 
keiten, auf die ihr häufigerer Zusammentritt stieß, in Wegfall; an die Stelle des allgemeinen 
Landtages trat ein ständischer Ausschuß, auf dem die Stände, namentlich die Ritterschaft, durch 
Deputierte vertreten waren. Zwecks Wahl dieser Deputierten war eine Gliederung der Ritter- 
schaft nach örtlichen Bezirken erforderlich. Sie erfolgte meist im Anschlusse an die einzig vor- 
handene allgemeine Landeseinteilung, die Amtsbezirke der kurfürstlichen Landreiter, die das 
Exekutivorgan der Gerichte auf dem flachen Lande bildeten, als solches den Vögten unter- 
standen und den Verfall der Vogteiverfassung lange überdauert haben. Die in diesen Bezirken, 
später „Kreise“ genannt, ansässigen Ritterbürtigen vereinigten sich zu einer Versammlung, 
„Kreistag" genannt, auf der sie ihre Ausschußdeputierten aus ihrer Mitte wählten und instruierten. 
Naturgemäß wurden auf diesen Kreistagen auch andere der Ritterschaft des Bezirkes gemein- 
same Angelegenheiten, als Hypotheken-, Feuersozietäts-, Landarmen-, Kredit-, Deichangelegen- 
heiten, behandelt und, nachdem die Kreise staatlicherseits bald nach ihrer Bildung zur Grund- 
lage der Steuerkontribution gemacht waren, besonders auch die Grundsätze für die Umlegung 
der dem Kreise auferlegten Steuern und Leistungen festgestellt. Das wachsende Bedürfnis der 
Kreisstände, gemeinsame Angelegenheiten gemeinschaftlich zu erledigen, wie auch das Be- 
dürfnis der Regierung, in jedem Kreise dauernd einen Vertreter der Stände zu haben, mit dem 
sie jederzeit, unabhängig von der Versammlung des Kreistages, verhandeln konnte, führte zum 
Amte des Kreisdirektors, das am Anfange des 17. Jahrhunderts in allen Kreisen vorhanden 
war. Der Kreisdirektor wurde von der Ritterschaft aus ihrer Mitte gewählt, er war ein ledig- 
lich ständischer Beamter, der seine Stelle als Ehrenamt verwaltete; er hatte den Kreistag zu 
berufen und zu leiten, die Verhandlungen zwischen Regierung und Ständen zu vermitteln, 
das Kreissteuerwesen und alle kreisständischen Geschäfte zu leiten. — Diestaatliche Wurzel 
des Landratsamtes war das Amt des Landkommissars. Die Landkommissare waren 
landesherrliche Beamte, die zuerst zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges vorübergehend, dann 
2 Bum folgenden bes. Gelpke, Die geschichtliche Entwickelung des Landratsamtes, Verwürch. 
10, 211.
	        
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