228 Paul Schoen.
Stein. Mögen auch die großen Organisationsgesetze bis auf die Städteordnung alle erst erlassen
sein, nachdem er von der Leitung der Staatsgeschäfte zurückgetreten war, die Grundlagen für
sie sind gelegt worden im Steinschen Ministerium. Auch Stein hatte das Ziel der französischen
Organisationsgesetzgebung vor Augen. Es galt ihm, „eine energische Aktion, Einheit und Kraft
in der Staatsverwaltung herbeizuführen“. Daher war auch er für Beseitigung der schwerfälligen
Zentralbehörden. Allein gleichzeitig verfolgte er ein zweites Ziel: „dem freien Staatsbürger-
tum sollte ein Anteil an der öffentlichen Verwaltung gewährt werden, um die verloren gegangenen
Beziehungen des Staates zu seinen Bürgern wiederherzustellen, um in den Untertanen diejenige
Hingabe an das Gemeinwesen zu wecken, die bei der Katastrophe von 1806 so sehr vermißt
worden war“. Daher nicht Annahme des französischen Präfektursystems, sondern Beibehaltung
der Kollegien in der Mittelinstanz und in den Städten; nur in ihnen konnte das Bürgertum
fruchtbringend an der Verwaltung beteiligt werden. Auch schien das Präfektursystem deshalb
bedenklich, weil man den Provinzialbehörden im Interesse schnellerer Geschäftserledigung eine
größere Selbständigkeit einräumen wollte, bei ihm aber die Geschäfte leicht ein „Spiel der Willkür,
Unerfahrenheit, Unwissenheit, Unredlichkeit des einzelnen werden“ können. Gerade entgegen-
gesetzter Auffassung in diesen leitenden Ideen war Hardenberg, der von der Beteiligung der
Bürger an der öffentlichen Verwaltung nicht viel erwartete, dagegen überall für Bureaukratie
und Präfektursystem eintrat, indem ihm das Ideal einer Behördenorganisation allein darin be-
stand, daß alle Behörden, bis in die untersten Instanzen hin, auf jeden Druck von der Zentrale
aus prompt und sicher funktionierten. Allein diesem Ideenkreise Hardenbergs ist nur ein Amt
der neuen Organisation entsprungen, das Staatskanzleramt; seine weitere Absicht, auch die
kollegialischen Bezirksverwaltungsbehörden in Präfekturen umzugestalten, ist nicht realisiert
worden. — Die Reorganisation der Staatsbehörden begann bei der Zentrale. Durch das alsbald
nach Steins Rücktritt emanierte Publikandum v. 16. 12. 1808 wurden unter Aufhebung der
alten Zentralbehörden fünf bureaumäßig organisierte Ministerien, deren Kompetenz
nach dem Realsystem bestimmt war (oben S. 225), an die Spitze der Verwaltung gestellt. Die
Einsetzung eines Staatsrates aber, der nach Steins Absicht aus den königlichen Prinzen,
den fünf Ministern und einer Anzahl Geheimer Staatsräte bestehen und unter dem Vorsitze
des Königs als oberste Behörde mit weitreichender Entscheidungskompetenz funktionieren und
die Einheit der Verwaltung sichern sollte, blieb vorbehalten. Die Ministerien standen, ein
jedes selbständig, unverbunden nebeneinander; der Entwickelung eines gefährlichen Ressort-
partikularismus waren rechtlich keine Schranken gezogen. Die dann an Stelle der Verordnung
v. 16. 12. 1808 tretende Hardenbergische Verordnung v. 27. 10. 1810 hat an dieser Ordnung
der Zentralbehörden wenig geändert, die einzige große Neuerung, die sie brachte, war die Ein-
führung des Staatskanzleramtes, eines Premierministers, der die Oberaussicht
über die Verwaltung der anderen Minister führte, von ihnen über alles Rechenschaft und Aus-
kunft fordern, ihre Anordnungen suspendieren und so auch für Einheit in der Verwaltung
sorgen konnte. Allein dieses Amt, das Hardenberg für sich selbst geschaffen hatte, ist nach dem
Tode Hardenbergs (1822) wieder in Wegfall gekommen. Der Staatsrat, den die Ver-
ordnung allerdings nicht im Sinne Steins als oberste, die Einheit der Verwaltung sichernde
Behörde, sondern lediglich als beratendes Organ der Krone vorsay, wurde wieder nicht ins
Leben gerufen. In der Mittelinstanz wurden durch Verordnung v. 26. 12. 1808 die Kriegs-
und Domänenkammern zu den heutigen Regierungen unmggestaltet, die sich von jenen
zunächst darin unterschieden, daß eine Gliederung in Abteilungen bewirkt wurde, die in eigenem
Namen verfügten, und nur ausnahmsweise eine Geschäftsbehandlung im Plenum stattfinden
sollte. Die Beteiligung von Laien an den Geschäften der Regierung unterblieb nach einem
in Ostpreußen ungünstig ausgefallenen Versuche. In den neuen Regierungen sollte sich die ge-
samte Verwaltung des Bezirkes konzentrieren, sie sollten aber auch nur Verwaltungsbehörden
sein; daher wurden ihnen alle Verwaltungsangelegenheiten übertragen, die bis dahin die höheren
Gerichte, die alten Regierungen, besorgt hatten, während die noch vorhandene Kammerasstiz
diesen überwiesen und damit die Trennung der Justiz von der Verwaltung in der Mittelinstanz
durchgeführt wurde. Den alten Regierungen wurde für die Zukunft der Name „Oberlandes-
gericht“ beigelegt. Als Kontrollinstanz über mehrere Regierungen war bereits durch das Publi-
kandum v. 16. 12. 1808 das Oberpräsidentenamt neu geschaffen, das sich jedoch wegen