Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

232 Paul Schoen. 
Kollegium Beschlüsse mit Stimmenmehrheit, die auch die überstimmten Minister binden; will 
ein überstimmter Minister den Beschluß nicht durchführen, so muß er zurücktreten. 
III. Der Staatsrat besteht in Preußen, Bayern, Württemberg und Sachsen als 
höchstes beratendes Organ der Krone. Seine Einrichtung neben dem Staatsministerium ist 
dadurch angezeigt, daß es der Krone wertvoll sein kann, vor wichtigen Entschließungen, wie 
besonders über Gesetzentwürfe und allgemeine Verwaltungsgrundsätze, von einem Organe be- 
raten zu sein, in dem auch Männer zu Worte kommen, die nicht so mit den politischen Partei- 
strömungen zu rechnen haben wie die Minister. Ubrigens hat die Auffassung über seine Existenz- 
berechtigung neben dem Staatsministerium und dem Parlamente sehr geschwankt. In Baden ist 
er wiederholt eingesetzt und aufgehoben, zuletzt 1849, in Hessen desgl. 1875 aufgelöst. In Preußen 
wurde der 1817 eingesetzte Staatsrat nach Einführung der Verfassung zunächst als stillschweigend 
beseitigt angesehen; durch Erl. v. 12. 1. 1852 wurde er jedoch reaktiviert und 1854 auch wieder 
eröffnet. Allein nur ein paarmal ist er darauf berufen worden, und dann wieder für lange ganz 
zurückgetreten. Erst durch Erl. v. 11. 6. 1884 wurde der Staatsrat wieder zu neuer Tätigkeit be- 
rufen; es wurden neue Mitglieder ernannt wie auch mehrere Sitzungen abgehalten; allein eine 
größere Rolle hat er auch seitdem im Staatsleben nicht mehr gespielt. Eine Verpflichtung der 
Krone, gewisse Gegenstände dem Staatsrate vorzulegen, besteht in Preußen nicht. Dasselbe 
gilt für Sachsen, wo die Tätigkeit des Staatsrates auch zu keiner besonderen Bedeutung gelangt 
ist. Anders in Württemberg und Bayem. Hier muß über bestimmte Gegenstände, und zwar 
in Bayern über eine ganze Reihe wichtiger Angelegenheiten, der Staatsrat gehört werden; 
auch hat dieser hier in einzelnen Fällen entscheidende Kompetenz. Die Zusammensetzung des 
Staatsrates ist eine verschiedene. Überall gehören zu ihm die Minister, denen auch hier Ge- 
legenheit gegeben sein muß, die Interessen ihres Ressorts geltend zu machen und ihre Auf- 
fassung in wichtigen Verwaltungsangelegenheiten zu vertreten, und vom Könige kraft besonderen 
Vertrauens berufene Beamte. In Preußen, Bayern und Sachsen gehören zum Staatsrate 
weiter noch Prinzen des königlichen Hauses und in Preußen endlich noch die Spitzen gewisser 
Zivil- und Militärbehörden. 
IV. Die Zentralbehörden des Reiches wie Elsaß-Lothringens sind bereits 
in dem staatsrechtlichen Teile dieser Enzyklopädie (siehe oben S. 110, 114 f., 118 f.) genannt. 
8 9. Die Mittelbehörden. 
Während in den Kleinstaaten unmittelbar unter den Zentralbehörden die Kreis= und Orts- 
behörden stehen, welchen an Ort und Stelle oder in kleineren Bezirken die unmittelbare Voll- 
ziehung und Verwaltung zusteht, schieben sich in Preußen und den Mittelstaaten zwischen die 
letztgenannten und die Zentralbehörden für größere Verwaltungsbezirke die Mittelbehörden, 
deren Aufgabe es ist, über die Kreis= und Ortsbehörden ihres Amtsbezirkes die Aufsicht zu führen 
(siehe oben S. 217) wie auch selbst die Angelegenheiten zu verwalten, die ihnen wegen ihrer Wichtig- 
keit besonders überwiesen sind, oder der Natur der Sache nach eine über den Amtsbezirk der 
einzelnen Unterbehörde hinausgehende Bedeutung haben. Solcher Mittelbehörden gibt es in 
Preußen zwei Reihen, die teils nebeneinander, teils übereinander stehen, in den Mittelstaaten 
nur eine, und in Baden und Hessen ist auch diese nur unvollkommen ausgebildet. 
A. Preußen. I. In Preußen sind Mittelbehörden für die Provinzen wie für die 
Regierungsbezirke errichtet. Die Einteilung des preußischen Staatsgebietes in diese Verwaltungs- 
bezirke (oben S. 229 II.) ist auch auf die nach 1815 erworbenen Landesteile ausgedehnt, so daß 
sie sich auf das ganze heutige Staatsgebiet erstreckt. Nur die hohenzollernschen Lande und die 
Stadt Berlin gehören zu keiner Provinzz; jene bilden einen für sich stehenden Regierungsbezirk, 
diese macht einen eigenen Verwaltungsbezirk aus, der in administrativer Beziehung sowohl 
aus der ihn umgebenden Provinz Brandenburg wie aus dem ihn umgebenden Regierungs- 
bezirke Potsdam ausgeschieden ist (LV. F 1). 
II. Regierung, Regierungspräsident, Bezirksausschuß. Die 
allgemeine zwischen der Zentralinstanz und den unteren Behörden stehende Verwaltungs- 
behörde ist in Preußen die Regierung. In ihr konzentriert sich die ganze innere Landesverwaltung
	        
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