Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 243 
wurde unterm 25. 3. 1867 eine Städteordnung für Frankfurt a. M. und unterm 14. 4. 1869 
eine für Schleswig-Holstein, beide beruhend auf der Städteordnung v. 1853, erlassen, und durch 
eine Vdg. v. 22. 9. 1867 wurden in engem Anschluß an das Gesetz v. 14. 4. 1856 auch die länd- 
lichen Verfassungsverhältnisse Schleswig-Holsteins neu geregelt. Dann folgten umfassende 
Gemeindegesetze erst wieder im letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Die Reihe dieser er- 
öffnete eine Städteordnung für den Regierungsbezirk Wiesbaden v. 8. 6. 1891. Es folgte die 
Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen v. 4. 8. 1891, welche die vielen Un- 
klarheiten, die im Gemeinderechte dieser Gebiete dadurch entstanden waren, daß dasselbe sich 
aus überall, teils in älteren, teils in neueren Gesetzen zerstreuten Bestimmungen zusammen- 
setzte, beseitigte und eine einheitliche Gemeindeverfassung für das große östliche Rechtsgebiet 
schuf, die ebenbürtig den Landgemeindeverfassungen der westlichen Rechtsgebiete zur Seite 
trat. Diese Landgemeindeordnung ist dann weiter mit einigen Abänderungen durch Gesetz 
v. 4. 7. 1892 in Schleswig-Holstein, durch Gesetz v. 4. 8. 1897 in Hessen-Nassau und durch Gesetz 
v. 2. 7. 1900 auch in den hohenzollernschen Lande eingeführt. In Hessen-Nassau endlich wurde 
mit der Reform der Verfassung der Landgemeinden auch eine des Städterechtes verbunden; 
unter Aufhebung der Wiesbadener Städteordnung v. 1891 und des im Regierungsbezirke 
Kassel bis dahin in Geltung gebliebenen kurhessischen Gemeinderechtes wurde unterm 4. 8. 1897 
eine einheitliche Städteordnung für die Provinz Hessen-Nassau mit Ausschluß Frankfurts er- 
lassen, die wiederum durchaus auf der Städteordnung v. 1853 basiert. So ist nach und nach die 
zunächst für den Osten bestimmte Gemeindegesetzgebung auf den größten Teil des preußischen 
Staates ausgedehnt worden; nur in Hannover gilt noch ein in vielen grundsätzlichen Punkten 
abweichendes Gemeinderecht aus vorpreußischer Zeit. 
In der Mehrzahl der Mittelstaaten wurden neue Gemeindeordnungen Ende der 
sechziger und Anfang der siebziger Jahre durch die mit der reichsgesetzlichen Einführung der 
Gewerbefreiheit, Freizügigkeit, Aufhebung der Verehelichungsbeschränkungen und anderweiten 
Fundierung der Armenpflege zusammenhängenden Verschiebungen im wirtschaftlichen und 
sozialen Leben veranlaßt. Sie machten, entsprechend der liberalisierenden Tendenz der Zeit, 
erhebliche Zugeständnisse an die Selbständigkeit der Gemeinden, beschränkten und normierten 
genau die staatlichen Aufsichtsbefugnisse, erweiterten die Rechte der Gemeindebürger und auch 
den Kreis der Bürgerschaft. So ergingen vor allem in Bayemn die beiden Gemeindeordnungen 
für die Landesteile diesseits des Rheines und die Pfalz v. 29. 4. 1869, in Sachsen zwei Städte- 
ordnungen und eine Landgemeindeordnung v. 24. 4. 1873, in Baden ein die Gesetze von 1831 
abänderndes Gesetz v. 14. 5. 1870 und die sog. Städteordnung v. 24. 6. 1874, welche ohne 
wesentliche Anderung der Verfassungsorganisation für die größten Städte des Landes den Boden 
der alten Bürgergemeinde verließ und zum Grundsatze der Einwohnergemeinde (unten S. 245) 
überging, der dann 1890 und 1896 für alle Gemeinden des Landes anerkannt wurde, in Hessen eine 
Städte- und eine Landgemeindeordnung v. 13. und 15. 6. 1874, an deren Stelle jetzt Gesetze 
v. 8. 7. 1911 getreten sind. Nur in Württemberg wurde das ältere Gemeinderecht nicht reformiert; 
erst in allerneuester Zeit, unterm 28. 7. 1906, ist hier eine umfassende neue Gemeindeordnung 
ergangen, aber auch die Bedeutung dieser ist wesentlich eine formale: Zusammenfassung des 
in verschiedenen Gesetzen zerstreuten Gemeinderechtes zu einer planmäßigen Kodifikation. 
brigens bilden die im vorangehenden genannten Gemeindeordnungen nur die wichtigste 
Grundlage der geltenden Organisation, die meisten von ihnen sind bereits wieder in einzelnen 
Punkten abgeändert oder durch Spezialgesetze, betr. das Bürgerrecht, das Wahlverfahren, die 
Kommunalbeamten u. a., ergänzt. Eine bersicht über alle diese zurzeit geltenden Gesetze sowie 
auch über die Gemeindegesetzgebung der Kleinstaaten gibt Meyer-Anschütz S. 373 ff. 
Anm. In Elsaß--Lothrinnen ist das Gemeinderecht im Anschluß an die überkommenen 
französischen Einrichtungen neu geordnet worden durch Gemeindeordnung v. 6. 6. 1895. 
b) Das geltende Gemeinderecht. 
Literatur zu den s5 14—18: Loening z§ 33—39; Meyer-Anschütz 8§51 111—113. Speziell 
fü: Preußen: Schoen, Recht der Kommunalverbände in Preußen, 88 18—54, 95—100; 
Preuß, Das städtische Amtsrecht in Preußen, Berlin 1002; Leidig, Preußisches Stadtrecht, 
Berlin 1891; Jebens, Die Stadtverordneten (2), Berlin 1905; für Bayern: v. Seydel, 
— 16*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.