Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

24 Paul Schoen. 
St. R. 88 154 -168; für die anderen Staaten die Bearbeitungen ihres StR. in „Das 
öffentliche Recht der Gegenwart“, s. oben S. 230; vgl. auch Art. „Gemeinde“ v. Stengel- 
Fleischmanns Wörterb. 2. 
8§ 14. Die Ortsgemeinde und ihre Grundlagen. 
1. Die Ortsgemeinden sind die untersten Kommunalverbände. Ihnen liegt die lokale 
Verwirklichung der politischen Aufgaben ob. Aus dieser Zweckbestimmung der Gemeinden er- 
klärt sich, daß das ganze Staatsgebiet in Gemeinden gegliedert ist, und daß die neueren Gemeinde- 
ordnungen bestimmen, jedes Grundstück müsse einer Gemeinde angehören. Außerhalb des 
Gemeindeverbandes stehen nur die sog. selbständigen Gutsbezirke (siehe unten § 17), fermer im 
rechtsrheinischen Bayern Grundstücke, auf denen sich keine bleibenden Niederlassungen befinden, 
Waldungen, Seen usw. (Gem. Art. 3) und in Baden die sog. abgesonderten Gemarkungen, die 
jedoch eine der gemeindlichen nachgebildete Organisation erhalten haben (G. v. 23. 6. 1892) und 
auch juristische Persönlichkeit besitzen (Walz, Bad. St. R. 191). 
II. Die Unterscheidung von Stadt= und Landgemeindern hat eine 
rechtliche Bedeutung nur da, wo auf verschiedenen Prinzipien beruhende Gemeindeordnungen 
erlassen sind. Die Frage aber, auf welche Gemeinden hier die Städteordnung Anwendung 
findet, und welche daher Städte im Rechtssinne sind, wird von den Städteordnungen gewöhnlich 
dahin beantwortet, daß sie in den Gemeinden gelten wollen, die zur Zeit ihres Erlasses eine 
städtische Verfassung hatten; seltener ist die Geltung der Städteordnung lediglich an eine be- 
stimmte Einwohnerzahl geknüpft (Hessen) oder auf bestimmte genannte Gemeinden beschränkt 
(Reg.-Bez. Wiesbaden, St O. Hess.-Nass. 9 1). Der Übergang von einer Gemeindeverfassung zur 
anderen ist meist vorgesehen; er wird überall vollzogen durch staatliche Anordnung. — Einzelne, 
namentlich süddeutsche Gemeindeordnungen unterscheiden als eine besondere Art von Ge- 
meinden noch die aus mehreren Ortschaften zusammengesetzten Gemeinden 
und regeln die Organisation dieser dann insofern besonders, als sie Teile der Gemeindeverwaltung 
besonderen Ortschaftsorganen übertragen. 
III. Die Gemeinde hat ebenso wie der Staat eine doppelte Grundlage, eine dingliche und 
eine persönliche. Jene ist die Gemarkung oder der Gemein debezirk, d. i. derjenige 
Teil des Staategebietes, innerhalb dessen die Gemeindegewalt ihre öffentlichrechtlichen Funk- 
tionen ausübt. Abänderungen des Gemeindebezirkes, die regulär andere Gemeinden oder Guts- 
bezirke mittreffen (Umkommunalisierung), erfolgen durch staatliche Anordnung, die regelmäßig 
nur eine gutachtliche Anhörung der beteiligten Verbände, seltener deren Zustimmung voraus- 
setzt. Zur völligen Auflösung wie zur Neubildung von Gemeinden ist meistens eine landesherr- 
liche Anordnung, nach einzelnen Gem Ordugn. sogar ein Gesetz notwendig. 
IV. Die persönliche Grundlage der Gemeinde sind die Gemeindemitglieder, 
d. h. diejenigen Personen, die durch einen besonderen Kreis von Rechten und Pflichten mit ihr 
verbunden sind. Seit dem Mittelalter wurden gewöhnlich zwei Klassen solcher Gemeinde- 
mitglieder unterschieden, die Gemeindeangehörigen (Heimatsberechtigte, Beisassen) 
und die durch ein Mehr von Rechten und Pflichten aus diesen sich heraushebenden Bürger. 
Die Gemeindeangehörigkeit, auch Heimatsrecht genannt, gewährte das Recht, sich in der Ge- 
meinde niederzulassen, zu verheiraten, Grundeigentum zu erwerben, Gewerbe zu betreiben, 
die Gemeindeanstalten zu benutzen und im Falle der Verarmung eine Unterstützung oon der 
Gemeinde zu verlangen. Sie verpflichtete zur Teilnahme an den Gemeindelasten. Sie wurde 
erworben durch Geburt, Anstellung, Verheiratung, Aufnahme seitens der Gemeinde. Da sie 
weitgehende Ansprüche gegen die Gemeinde gab, konnte diese Eheschließungen, durch die die 
Gemeindeangehörigkeit entstand, verhindern und Fremden die Aufnahme beliebig verweigern, 
oder war doch nur dann verpflichtet, sie zu gewähren, wenn sie ihr nach der Persönlichkeit und 
den Vermögensverhältnissen des Petenten nicht zum Schaden gereichen konnte. Das Bürger- 
recht gab außer den im Heimatsrechte enthaltenen Rechten das Recht auf Teilnahme an der 
Bildung der Gemeindeorgane und an den Nutzungen des Gemeindegutes und verpflichtete 
in späterer Zeit zur Ubemahme von Gemeindeämtem. Es wurde erworben entweder durch 
besondere Verleihung seitens der Gemeinde oder trat für die Heimatsberechtigten auch ohne 
solche ein bei Vorhandensein bestimmter Erfordernisse (männliches Geschlecht, bestimmtes Alter, 
Besitz eines Grundstückes u. a.). i
	        
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