246 Paul Schoen.
verband oder im Gebiete der Einwohnergemeinde beim Erwerbe des Bürgerrechtes kann nach den
meisten Gemeindeordnungen ein Bürgerrechtsgeld, für die Zulassung zur Teilnahme an
den Bürgernutzungen ein Einkaufsgeld erhoben werden. Der Verlust des Bürger-
rechtes tritt im Gebiete der Einwohnergemeinde ein, sobald eines der zur Erlangung desselben
vorgeschriebenen Erfordernisse bei dem bisher Berechtigten fortfällt, im Gebiete der Bürger-
gemeinde aus bestimmten in den Gesetzen fixierten Gründen, regelmäßig jedoch nicht schon mit
der Verlegung des Wohnsitzes aus der Gemeinde. Forensen, d. s. Personen, welche nicht
in der Gemeinde wohnen, in ihr aber Grundbesitz oder gewerbliche Betriebe haben, sind, soweit
nicht das System der Grundbesitzergemeinde gilt, nicht Gemeindeangehörige, aber sie werden
doch in einzelnen Beziehungen als solche betrachtet; sie unterliegen überall der Besteuerungs-
gewalt der Forensalgemeinde und sind bisweilen in dieser auch stimmberechtigt. Ebenso wie
die Forensen werden die juristischen Personen behandelt, die in der Gemeinde ihren
Sitz haben (z. B. Preußen östl. Prov. St O. § 8, L.GO. N 45).
8 15. Die Organe der Ortsgemeinden.
I. Überall haben die Gemeinden einen Gemeindevorstand, eine Gemeindevertretung
und Gemeindebeamte im engeren Sinn. Aus der Möglichkeit einer verschiedenen Gestaltung
der beiden erstgenannten Organe ergeben sich die verschiedenen vorhandenen Verfassungstypen.
Der Gemeindevorstand kann bureaumäßig oder kollegialisch organisiert, die Gemeindevertretung
kann sich darstellen als Gemeindeversammlung oder als Gemeindevertretung im engeren Sinne
(Gemeindeausschuß).
II. In den Rechtsgebicten, in welchen für die Städte eine andere
Verfassungsform gilt als für die Landgemeinden (Preußen außer der
Rheinprovinz, rechtsrheinisches Bayern, Kgr. Sachsen, Sachsen-Altenburg, Koburg-Gotha, Olden-
burg, Braunschweig, Anhalt, Lippe, Schaumburg-Lippe), ist die thpische Form der
Stadtverfassung die, daß der Gemeindevorstand kollegialisch organisiert ist und neben
ihm eine gewählte Gemeindevertretung besteht. JFener setzt sich zusammen aus einem Bürger-
meister als Vorsitzenden, dessen Stellvertreter (Beigeordneter, zweiter Bürgermeister) und der er-
forderlichen Anzahl von Stadträten. Seine Mitglieder werden regelmäßig von der Gemeinde-
vertretung, vereinzelt auch von der Gesamtheit der stimmfähigen Bürger oder einem aus
Magistratsmitgliederm und Gemeindevertretein gebildeten Wahlkollegium (Hannover, Schleswig-
Holstein) gewählt. Die Gemeindevertretung, deren Mitgliederzahl sich nach gesetzlicher Vorschrift
nach der Größe der Städte abstuft, geht überall aus Wahlen aller stimmfähigen Bürger hewor;
ihren Vorsitzenden wählt sie sich selbst aus ihrer Mitte. Beide Kollegien beraten und beschließen
regelmäßig selbständig, jedoch haben mehrere Gemeindeordnungen auch gemeinschaftliche Sitzungen
als Regel oder doch für besondere Fälle vorgeschrieben (Hannover, Schleswig-Holstein, Bayern).
Im Gegensatze hierzu haben die Landgemeinden in diesen Rechtsgebieten, außer in
Bayern, wo auch der ländliche Gemeindevorstand ein kollegialischer ist, grundsätzlich einen
bureaumäßig organisierten Gemeindevorstand, bestehend aus dem Gemeindevorsteher (Schulze,
Bürgermeister) und einem oder mehreren diesem zur Hilfeleistung und Stellvertretung bei-
gegebenen Schöffen; und die Gemeindevertretung ist in den Landgemeinden die Versammlung
aller Gemeindebürger, die auch vom Gemeindevorsteher berufen und geleitet wird. Es sind nun
jedoch in den meisten Rechtsgebieten auch Abweichungen von diesen beiden Verfassungstypen
vorgesehen: Für kleine Städte ist bisweilen ein bureaumäßig organisierter Gemeindevorstand
vorgeschrieben, wie ihn die Landgemeinden haben (Kgr. Sachsen), oder es ist kleineren (Preußen
östl. Prov.) oder auch größeren (Westfalen, Schleswig-Holstein, Kgr. Sachsen) Städten doch
gestattet, einen solchen einzuführen. Umgekehrt ist für größere Landgemeinden vielfach eine
gewählte Gemeindevertretung (Preußen östl. Prov., Westfalen, Schleswig-Holstein, Hessen-
Nassau), vereinzelt (Hessen-Nassau) auch ein kollegialischer Gemeindevorstand gesetzlich an-
geordnet, oder es ist ihnen doch die Einführung einer solchen prinzipiell städtischen Organisation
freigegeben.
In denjenigen Gebieten, in welchen für Stadt-und Landgemeinden
die gleiche Verfassungsform gilt (Elsaß-Lothringen, Rheinprovinz, bayrische
Pfalz, Württemberg, Baden, Großh. Hessen, Waldeck, die oben nicht gen. thüringischen Staaten),