Deutsches Verwaltungsrecht. 259
organe hat (Reskripte, Erlasse, Entschließungen), die unterschiedslos sowohl zur Bezeichnung
von Verordnungen wie von Verfügungen in dem von uns festgestellten Sinne gebraucht werden.
2. Als öffentlichrechtliche Rechtshandlungen sind, wenn wir der in
der zivilistischen Literatur entwickelten Begriffsbestimmung folgen, obrigkeitliche Handlungen
des Verwaltungsorganismus anzusprechen, an die die Rechtsordnung rechtliche Wirkungen
knüpft, die unabhängig sind von dem Erfolgswillen des handelnden Organes. Es handelt sich
um Einzelfälle zu ihrem Gegenstande habende Verwaltungsaktionen, die keine Willens-
erklärungen wie die Verfügungen sind, indem ihre Rechtswirkung nicht durch den Willen des
Handelnden bestimmt wird, die nicht, wie diese, Ordnung des Einzelfalles nach dem Willen des
Handelnden bedeuten. Zu solchen Rechtshandlungen gehören besonders die amtlichen Mit-
teilungen, an die sich Rechtsfolgen knüpfen (Mitteilungen ohne solche sind rein tatsächliche Akte),
unter welche auch Mahnungen (Preußen V. v. 15.11. 1899 § 7), Warnungen, Einladungen zu
Verhandlungen (Pr. Enteign G. § 25), Aufforderungen zu Außerungen (GewO. § 100 àa,
Pr. Deichges. § 2) fallen können (Kormann, System 127, 80, 123), ferner die Beurkundungen
(Führung der Standesamtsregister, Schiffsregister, Grundsteuerkataster, Ausstellung von Schiffs-
zertifikaten, Matrikelscheinen usw.; Eichung der Maße und Gewichte, Münzprägung, Setzung
von Merkpfählen über die Höhe des zulässigen Wasserstandes u. a.) und die Entgegennahme
von Erklärungen (sofern das Gesetz bestimmte Rechtswirkungen an diese knüpft: Entgegennahme
der Anzeige einer öffentlichen Versammlung seitens der Polizeibehörde, der Eheschließungs-
erklärung seitens des Standesbeamten, der Erklärung des Austrittes aus der Kirche seitens des
Amtsgerichtes u. a.). Die Rechtswirkungen dieser Handlungen können sehr verschieden sein. Durch
Mitteilungen kann die Rechtmäßigkeit eines Verfahrens oder eines einzelnen Verwaltungs-
aktes bedingt sein, wie z. B. nach dem Pr. LVG. ö§ 64“, 86“, 117 3.5 und in allen Fällen,
in denen eine Anhörung von Behörden oder beteiligten Privaten vor der Vomahme eines
Verwaltungsaktes vorgeschrieben ist. Die amtlichen Beurkundungen wirken Beweis von Tat-
sachen oder Rechtsverhältnissen, der, solange ihre Unrichtigkeit nicht dargetan ist, von den Be-
hörden anerkannt werden muß (Heimatscheine, Schiffszertifikate); sie könnenn auch die Voraus-
setzung sein für die Ausübung öffentlichrechtlicher Befugnisse (Eintragung in die Wählerliste)
u. a. Die amtliche Entgegennahme einer Erklärung kann das Wirksamwerden dieser bewirken
(Eheschließungserklärung, Austrittserklärung), sie kann die Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit
eines Verfahrens oder eines einzelnen Verwaltungsaktes sein (Entgegennahme der Klage, von
Anträgen im Prozesse) u. a.
3. Offentlichrechtliche Verträge sind Verträge, durch die öffentlichrechtliche
Rechtsverhältnisse begründet, verändert oder aufgehoben werden. Die Existenz solcher Ver-
träge ist jedoch sehr bestritten. Manche halten sie unter der Behauptung, daß Verträge nur
denkbar seien zwischen gleichgeordneten Personen, eine solche Gleichordnung aber zwischen der
öffentlichen Gewalt und den Gewaltunterworfenen nicht bestehe, für begrifflich unmöglich (Meyer-
Anschütz 357, 647“; das. weitere Literaturnachweise). Andere dagegen finden in ihnen die
Form, in der überall da öffentlichrechtliche Rechtsverhältnisse zu ordnen sind, „wo der Staat
nicht aus seinem Imperium resultierende Gewaltverhältnisse begründet“ (G. Jellinek 218), und
führen als wichtigste Beispiele der öffentlichrechtlichen Verträge die Verleihung der Staats-
angehörigkeit und Beamtenanstellung an (G. Jellinek 209, Laband StR. 1 /5] S. 166, 449), die nur
mit Zustimmung des Individuums stattfinden. Das Richtige liegt in der Mitte. Zunächst kommen
öffentlichrechtliche Verträge vor zwischen gleichgeordneten Kontrahenten. Es sind dies vor allem
die Verträge, welche die Kommunalverbände und andere Selbstverwaltungsorganisationen
über die Erfüllung bestimmter ihnen gemeinsam obliegenden Verwaltungsaufgaben eingehen;
sie begegnen besonders auf den Gebieten der Armen-, Schul- und Wegeverwaltung und werden
meistens geschlossen, um die nach dem Gesetze dem einzelnen Verbande obliegenden Verpflichtungen
zu modifizieren. Allerdings können solche die öffentlichrechtlichen Verpflichtungen modifizierenden
Verträge nur auf Grund besonderer gesetzlicher Ermächtigung eingegangen werden, wie sie z. B.
gegeben sind im Ru W. v. 30. 5. 1908 F 55, Pr. Schul-Unterh G. v. 28. 7. 1906 8§ 5 5, 304,
Wege O. f. Posen v. 15. 7. 1907 ö§ 182, 21, 47, Komm Abg G. v. 14. 7. 1893 §5 53 3. Ohne gesetz-
liche Ermächtigung ist jede Disposition der Selbstverwaltungskörper über die ihnen gesetzlich zu-
gewiesenen öffentlichrechtlichen Verpflichtungen ausgeschlossen; sie können sich wohl gegenseitig
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