Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 261 
daraus mag hingewiesen werden, daß jedenfalls die Normen und Grundsätze, welche für die 
Verfügungen gelten und anerkannt sind, nicht ohne weiteres auf die Rechtshandlungen anwendbar 
sind (so sind diese z. B. nicht anfechtbar mit den Rechtsmitteln, die gegen die Verfügungen ge- 
geben sind: Pr. OVG. 34, 431; Bay. VG. 6, 59; Sachs. O. 4, 320). 
8 21. Die Polizeiverordnungen. 
Literatur: Loening s 50; Meyer-Anschütz § 160; Rosin Polizei- 
verordnungsrecht in Preußen (2), Berlin 1895; Thoma, Der Polizeibefehl im badischen Recht 1, 
Tübingen 1906; W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung. Zu- 
Neich n stem der Ungültigleitsgründe von Polizeiverordnungen und -verfügungen, Tübingen 
191 10 ff. 
I. Begriff. Polizeiverordnungen oder Polizeistrafverordnungen, in manchen Gesetz- 
gebungen (Bayern, Württemberg, Baden; vgl. auch Pr. G. v. 11. 3. 1850 8§ 5, 6), insbesondere 
wenn von den mittleren oder unteren Stellen erlassen, auch „polizeiliche Vorschriften“ genannt, 
sind allgemeine Anordnungen der Polizeibehörden, welche den ihrer Herrschaft unterworfenen 
Personen unter Strafandrohung gewisse Handlungen gebieten oder verbieten. 
II. Entwickelung und Umfang des Polizeiverordnungsrechtes. Am 
Anfange des 19. Jahrhunderts galten die Landesherren und die von ihnen delegierten Behörden 
schlechthin für befugt, solche Anordnungen, wo es das polizeiliche Interesse nur immer erforderte, 
zu erlassen. Nach dem Ubergange zur konstitutionellen Verfassung hat dann jedoch in den meisten 
Staaten (nicht z. B. im Kgr. Sachsen; O. Mayer, Sächs. St R. 180 11) eine gesetzliche Regelung 
des Polizeiverordnungsrechtes stattgefunden. Die Verfassungsgrundsätze, daß Rechtssätze, wie sie 
alle Polizeiverordnungen enthalten, zum Vorbehalte des Gesetzes gehören und im Wege der Verord- 
nung nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung vorgeschrieben werden dürfen (val. den staatsrechtl. 
Teil dieser Encykl.; oben S. 153 f., 161 f. ds. Bds.), und der in der Aufklärungszeit entwickelte, zuerst 
in der französischen Revolutionsgesetzgebung gesetzlich anerkannte Satz: keine Strafe ohne Straf- 
gesetz (vgl. auch Pr. Vülrk. Art. 8; RStrGB. § 2) — forderten eine gesetzliche Ermächtigung 
der Polizeibehörden. Diese ist in verschiedener Weise erteilt. In Preußen, Hessen und den meisten 
norddeutschen Staaten sind die Polizeibehörden durch Gesetz (Preußen: G. v. 11. 3. 1850 u. LVG. 
§F 136 ff.; Hessen: Kr O. v. 8. 7. 1911 Art. 64, 65; StpO. v. 8. 7. 1911 Art. 129. b) schlechthin er- 
mächtigt, im sachlichen Gesamtumfange der ihnen zustehenden polizeilichen Wirksamkeit Polizei- 
verordnungen zu erlassen. Es gilt hier das Prinzip der sog. allgemeinen Delegation; spezielle 
Delegationen, gerichtet auf den Erlaß von Polizeiverordnungen bestimmten Inhaltes, kommen 
daneben nur ausnahmsweise vor. Auch erstreckt sich die Delegation in diesen Rechtsgebieten, 
abgesehen von vereinzelten Ausnahmen, sowohl auf die Normformulierung wie auf die Straf- 
androhung; das Gesetz zieht nur Grenzen, innerhalb deren sich letztere zu halten hat. In Bayern, 
Württemberg und Baden dagegen ist das Prinzip der speziellen Delegation angenommen, und 
die Behörden sind überdies nur zur Normformulierung, nicht zur Strafandrohung ermächtigt. 
Der Satz: nulla poena sine lege wurde hier im Anschlusse an das französische Recht dahin ver- 
standen, daß eine Strafe nur in einem formellen Gesetze angedroht werden könne. Und man 
trennte hier daher, um dieser Rechtsauffassung gerecht zu werden und doch Raum zu gewinnen 
für ein bewegliches und den lokalen Bedürfnissen Rechnung tragendes Polizeiverordnungsrecht, 
die Normformulierung von der Strafandrohung. In den Polizeistrafgesetzbüchern Badens 
— Bayerns (v. 26. 12. 1871) und Württembergs (v. 27. 12. 1871) sind Strafen angedroht 
für die Ubertretung von Verordnungen, die bestimmte polizeiliche Gebote und Verbote enthalten. 
Und zum Erlasse dieser im Polizeistrafgesetzbuche vorgesehenen, ihrem Inhalte nach aber nur 
allgemein charakterisierten Verordnungen, in denen also lediglich die unter die Strafandrohung 
fallenden Tatbestände näher zu formulieren sind, sind die Polizeibehörden ermächtigt. Vgl. 
z. B. Bay. PolStr GB. Art. 83: „An Geld bis zu fünf Thalern wird bestraft 1. wer Hunde der 
durch ober- oder ortspolizeiliche Vorschrift angeordneten ... Visitation entzieht .., 3. wer gegen 
ortspolizeiliches Verbot oder in Ermangelung eines solchen gegen distriktspolizeiliche Anordnung 
Hunde auf Leichenhöfe in öffentliche Wirtschaftslokale .. mitnimmt ... .“ Dnurchbrochen ist
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.