Deutsches Verwaltungsrecht. 267
Art z. B. für erloschen erklären) oder ihnen doch ihre bisherige rechtliche Grundlage entziehen
(z. B. die Polizeiverordnung aufheben, auf der Verbote beruhen); b) durch anderweite Ver-
fügungen, durch Widerruf, der ausgehen kann von der Behörde, die die Verfügung erlassen hat
(Zurücknahme), wie auch von der dieser vorgesetzten Aufsichtsinstanz (Aufhebung).
Der wichtigste dieser Endigungsgründe ist der Widerruf. Allein gerade für ihn läßt
sich nach der gegenwärtigen Lage des positiven Rechtes eine befriedigende allgemeine Lehre
nicht entwickeln. Den allgemeinen Grundsätzen, die gewöhnlich aufgestellt werden, müssen so
viele, teils aus positiven gesetzlichen Vorschriften, teils aus der Natur der Sache folgende Aus-
nahmen zugestanden werden, daß nach ihnen in der Praxis immer nur nach sorgfältigster Prüfung,
ob ihrer Anwendbarkeit in concreto nichts entgegensteht, verfahren werden kann. Hier kann
natürlich diese schwierige, überall von Kaguistik durchsetzte Materie nur ganz oberflächlich erfaßt
werden. Auszugehen ist, wenn man von den Feststellungsverfügungen absieht, von der Wider-
ruflichkeit der Verfügungen: Der Zweck der Verfügungen ist nicht der der gerichtlichen Urteile,
das Recht im einzelnen Falle zu finden, sondern einen bestimmten, im Gemeininteresse liegenden
Erfolg herbeizuführen. Stellt sich daher später heraus, daß der beabsichtigte Erfolg überhaupt
nicht erreicht ist, oder daß das, was seinerzeit im Gemeininteresse lag, dieses jetzt schädigt, so muß
die Verwaltungsbehörde berechtigt sein, ihre Verfügung abzuändern oder zu widerrufen; der
Verwaltungsverfügung, die den jeweiligen Bedürfnissen des Gemeinwohles zu dienen hat,
kann nicht die materielle Rechtskraft innewohnen, die den gerichtlichen Urteilen beigelegt ist
und wie die Parteien auch die Behörden bindet. Der Grundsatz der Widerruflichkeit der Ver-
fügungen, nicht nur wegen veränderter Sachlage, sondern auch „schon wegen geänderter und
abweichender Ansicht“ (so ausdrücklich Bad. V. v. 31. 8. 1884 F 43, 1) ist denn auch von der
herrschenden Meinung als der oberste anerkannt. Selbstverständlich ist, daß er für die Behörden
nicht das Recht behauptet, ihre Verfügungen willkürlich zu widerrufen; nur, wenn nach ihrem
pflichtmäßigen Ermessen das öffentliche Interesse es fordert, sind sie zum Widerrufe befugt.
Dem Grundsatze des freien Widerrufes tritt nun aber in weitem Umfange die Norm entgegen,
daß die Verwaltung die privaten wie die subjektiven öffentlichen Rechte zu respektieren hat.
Daher ist der weitere Grundsatz formuliert, daß der freie Widerruf gegenüber den Verfügungen
ausgeschlossen ist, aus welchen der Partei ein Recht erwachsen ist (Bad. V. a. a. O.; Bernatzik
286; Kormann, System 341). Prüft man nun an der Hand dieses Grundsatzes die Zulässigkeit
des freien Widerrufes für die einzelnen oben S. 264f. bezeichneten Verfügungskategorien, so ergibt
sich folgendes: Die Verfügungen, welche für den Adressaten lediglich Pflichten erzeugen, wie die-
jenigen, welche einer Sache eine Eigenschaft beilegen, und die rechtsvernichtenden sind frei wider-
ruflich. Und dasselbe muß grundsätzlich auch für die Erlaubniserteilungen gelten, die subjektive
Rechte nicht begründen. Allerdings ist hier die Anerkennung des freien Widerrufes praktisch
nicht so unbedenklich wie bei den vorgenannten Verfügungen, da er regelmäßig dem Betroffenen
einen Nachteil zufügt. Daher sind ihm denn auch mehrere Schranken gezogen. Der Gesetzgeber
selbst hat ihn für gewisse Gruppen von Erlaubnissen ausdrücklich ausgeschlossen (Gew O. F§ 25),
oder doch nur aus gesetzlich aufgezählten Gründen zugelassen (das. § 40); und er hat ihn weiter
indirekt auch dort ausgeschlossen, wo er einen Anspruch auf Erlaubniserteilung gegeben hat,
denn dieser würde illusorisch gemacht, wenn die erteilte Erlaubnis wieder frei zurückgenommen
werden könnte. Die Rechtsprechung und die Theorie aber sind noch weiter gegangen; sie haben
freien Widerruf allgemein für unzulässig erklärt, sobald mit der Ausführung des erlaubten
Unternehmens, insbesondere der Bauerlaubnis, tatsächlich begonnen ist (Pr. OVG. E. 24, 344,
40, 379; O. Mayer 1, 302). Endlich sind auch die negativen Verfügungen grundsätzlich wider-
ruflich, für die wichtigsten von ihnen, die Ablehnung von Anträgen, jedoch kommt ein Widerruf
überhaupt nicht in Frage: mit der Ablehnung ist der zurückgewiesene Antrag erledigt, und es
fehlt dann überhaupt an der Voraussetzung für eine weitere Verfügung. Die Verfügungen
dagegen, welche Rechte, Fähigkeiten und Eigenschaften an Personen verleihen, sind grundsätzlich
nicht frei widerruflich. Dasselbe gilt von den Feststellungsverfügungen; allerdings nicht in
Verfolg der oben genannten Grundsätze, die auf sie überhaupt nicht zur Anwendung
kommen, sondern weil gegenüber einer Verfügung, die nicht auf Herbeiführung eines be-
stimmten Erfolges gerichtet ist, für einen Widerruf aus Zweckmäßigkeitsrücksichten überhaupt
kein Raum ist.