Deutsches Berwaltungsrecht. 269
gestellt, so daß der größte Teil der Verfügungen strafrechtlich ungeschützt ist. Allein Strafandrohungen
und Bestrafungen der Ungehorsamen sichern auch nur unvollkommen die Herstellung des
vom Staate gewollten Zustandes, völlig sichergestellt ist dieser nur, wenn der Staat unmittelbar
die Ausführung seiner Befehle erzwingen kann. Diese Kompetenz aber ist den Staatsbehörden
in Deutschland schon seit dem Mittelalter in weitestem Umfange beigelegt. Gewohnheitsrechtlich
hat sich hier die Rechtsauffassung entwickelt, daß die Befugnis, obrigkeitliche Anordnungen zu
erlassen, das Recht einschließt, diese — nötigenfalls unter Anwendung von Zwang — in Voll-
zug zu setzen. Dieser Satz ist die gemeinsame Wurzel der Zwangsgewalt der Gerichte und des
hier allein interessierenden Zwangsrechtes der Verwaltungsbehörden, der sog. Verwaltungs-
crekution. Die Behörden bedürfen also zur zwangsweisen Vollstreckung ihrer Befehle nach deut-
scher Rechtsauffassung keiner besonderen Ermächtigung; die Zulässigkeit der Vollstreckung ist
gegeben mit der Rechtsgültigkeit des Befehles. Und daran hat auch die konstitutionelle Lehre
von dem Vorbehalte des Gesetzes nichts geändert. Nur dann ist nach ihr eine gesetzliche Grundlage
für die Zwangsübung erforderlich, wenn bei dieser dem Ungehorsamen etwas zugefügt wird,
was nicht zur Befehlserfüllung gehört, wie besonders eine Strafe (O. Mayer 1 S. 328, 344).
Nichtsdestoweniger ist jedoch in fast allen Staaten die Verwaltungsexekution in neuerer Zeit
durch Gesetz geregelt, und es ist selbstverständlich, daß, wo dieses geschehen, die Behörden nur mit
den gesetzlich vorgesehenen Mitteln und in den gesetzlich bestimmten Formen ihre Anordnungen
vollstrecken dürfen. Die Verwaltungsexekution kann Platz greifen gegen jeden, gegen den eine
obrigkeitliche Anordnung sich richten kann, also nicht nur gegen den einzelnen Untertanen, sondern
auch gegen Gemeinden und Korporationen, gegen Beamte als solche (unbeschadet des Diszi-
plinarverfahrens) und auch gegen den Staat als Fiskus.
II. Die geltenden Vorschriften über den Verwaltungszwang unterscheiden überall die Voll-
strecuung der Verfügungen, welche einen Befehl zur Zahlung von Geldbeträgen aus öffentlich-
rechtlichen Verpflichtungsgründen enthalten (Steuern, Gebühren, Kosten für Ersatzvornahme,
Ungehorsamsstrafe (s. flgde. S. zu 2) u. a., und die von Verfügungen, welche andere Hand-
lungen oder Unterlassungen anordnen.
Die Vollstreckung der erstgenannten Verfügungen ist Zwangsvollstreckung in das Vermögen.
Sie erfolgt durch Wegnahme des der Schuld entsprechenden Vermögenswertes aus dem Ver-
mögen des Verpflichteten (Pfändung). Das Verfahren, in dem diese Zwangsbeitreibung statt-
findet, ist überall nach den Grundsätzen der Ziv Pr O. 8§ 803 ff. geordnet (Pr. kgl. V. v. * 8
Bay. AusfG. z. ZivPrO. v. 26. 6. 1899 Art. 4 ff., Württ. G. v. 18. 8. 1879, Bad. G. v. 12. 4.
1899, Sachs. v. 18. 7. 1902, Hess. G. v. 2. 2. 1881). An die Stelle des Vollstreckungsgerichtes
tritt jedoch regelmäßig die die Vollstreckung betreibende Verwaltungsbehörde — nur die Voll-
streckung in Grundstücke ist gewöhnlich dem Gerichte vorbehalten und hat auf Antrag der Ver-
waltungsbehörde durch dieses zu erfolgen —, an die Stelle des Gerichtsvollziehers tritt das
Exekutivpersonal der Verwaltung.
Die Vollstreckung der anderen Verfügungen kann entweder durch alle der Behörde zweck-
dienlich erscheinenden Mittel erfolgen. So nach sächsischem Rechte (G. v. 28. 1. 1835 § 2), und
die vollstreckende Behörde hat dann nur den alle Verwaltungstätigkeit beherrschenden Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes, des Mittels zum Zwecke, zu beobachten. Oder es sind.
die Zwangsmittel und deren Anwendung gesetzlich bestimmt; so in Preußen (LVG. 88 132 ff.,
V. v. 26. 12. 1808; s. Verwrch. 1, 464), Bayern (Pol tr G. Art. 16, 20, 21), Württemberg
(G. v. 12. 8. 1879 Art. 2, 5, 11), Baden (Pol trGB. §§ 30, 31), Hessen (G., betr. Abänderung d.
Kr. u. PrO. v. 8. 7. 1911 Art. 1, 24, u. G., betr. Abänd. d. Art. 56 d. St O. v. 8. 7. 1911) und den
meisten norddeutschen Staaten, die sich dem preußischen Systeme angeschlossen haben (Verwrch.
14, 47586). Als Zwangsmittel werden hier in großer UÜbereinstimmung drei genannt: Ersatz-
vornahme, Exekutiv= oder Ungehorsamsstrafe, unmittelbare Gewaltanwendung. Das letzte
erscheint überall als das nur äußerstenfalls anzuwendende. Zwischen den beiden erstgenannten
hat nach den süddeutschen Gesetzgebungen die Behörde die freie Wahl; nach der preußischen
Gesetzgebung dagegen ist, „sofern es tunlich“ (OVG. 7, 342; 55, 275) ist, die Ersatzvornahme zu
wählen. Das Reich hat nur gelegentlich der Regelung bestimmter Materien (in den Steuer-
gesetzen, BraustG. § 50, Branntweinst G. § 134 usw.) die Behörden zur Anwendung von Zwangs-