Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 271 
weiter zuwidergehandelt oder die geforderte Handlung in der gesetzten Frist nicht vorgenommen, 
so kann die Behörde (eine Verpflichtung besteht für sie nicht, sie kann auf die Durchführung 
der Zwangsübung verzichten) die Strafe verhängen („festsetzen") und eventuell zwangsweise 
eintreiben. Selbstverständlich kann die Exekutivstrafe, da sie doch Strafe ist, nur verhängt 
werden, wenn das befehlswidrige Verhalten des Betroffenen ein von ihm verschuldetes ist. 
3. Die unmittelbare Gewaltanwendung ist gewaltsame Handanlegung 
an die Person oder Vermögensstücke des zu Zwingenden, wie z. B. Schließung eines nicht 
genehmigten genehmigungspflichtigen Gewerbebetriebes; Beschlagnahme der Schankgefäße zwecks 
Hinderung der Fortführung einer nicht genehmigten Schankwirtschaft (Pr. Kamm G. bei 
Reger, Entsch. 28, 7); gewaltsame Brechung des Widerstandes, den der Grundeigentümer exeku- 
tivischer Grabenräumung entgegensetzt; Vorführung eines Gestellungspflichtigen zur Musterung 
(Wehr O. § 62, 35), von Kindern zur Impfung (Pr. OG. E. 28, 396), zum Schulunterrichte 
(Pr. Kamm G. Jahrb. 8, 227). Sie darf nur stattfinden, wenn andere Zwangmittel vergeblich 
versucht oder der Natur der Sache nach nicht anwendbar sind. Daß ihr eine Androhung voraus- 
zugehen hat, ist ausdrücklich nicht vorgeschrieben, versteht sich jedoch von selbst, da Gewalt 
erst angewendet werden darf, nachdem alle anderen Mittel erschöpft sind. Welche Zwangsmaß- 
regeln im einzelnen Falle anzuwenden sind, hat die Vollstreckungsbehörde nach freiem Ermessen 
zu bestimmen. Gesetzlich geregelt hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Durchführungsart 
sind nur einzelne besonders einschneidende Gewaltanwendungen: die polizeiliche Inverwahrung- 
nahme von Personen (Pr. G. v. 12. 2. 1850 & 6, Bad. PolStr##. § 30 3, Hess St O. Art. 56; 
vgl. Seuffert, Art. „Verhaftung“ in v. Stengels Wörterb. §§ 2, 3, 20; O. Mayer 1, 364 ff.), das 
Eindringen in die Wohnung (Pr. G. v. 12.2. 1850 &J 7; Seuffert, O. Mayer a. a. O.), der Waffen- 
gebrauch (O. Mayer 1, 369 ff.)1, die übrigens besonders häufig auch als selbständige Zwangs- 
maßregeln (unten zu III) vorkommen. Diese gesetzlichen Regelungen stellen sich dar als Be- 
schränkungen der den Behörden nach allgemeinen Grundsätzen zustehenden Zwangsbefugnis. 
Zu beachten ist jedoch, daß Gewaltmaßregeln ohne besondere gesetzliche Grundlage nur da ergriffen 
werden dürfen, wo durch sie der Befehl wirklich zum Vollzuge gebracht werden kann, nicht aber, 
wo sie lediglich dazu dienen können, durch ihre Einwirkung als zugefügtes Übel auf den Willen 
des Ungehorsamen diesen zum Gehorsam zu bewegen (oben S. 269; v. Seydel StR. 3, 6; O. Mayer 
343 f.; Thoma 9314), wo sie also nur die Bedeutung einer Exekutivstrafe haben. Daher kann 
ohne gesetzliche Ermächtigung eine zwangsweise Vorführung vor eine Behörde nur erfolgen, 
wenn mit dem Elscheinen der Befehlsinhalt erfüllt ist oder doch auch das weitere befehl- 
gemäße Verhalten vor der Behörde im Anschlusse an die Vorführung mit Gewaltanwendung er- 
zwungen werden kann wie das Dulden der Impfung, nicht dagegen, wenn der Befehl auf Vornahme 
einer Handlung, z. B. Auskunftserteilung vor der Behörde, geht; diese kann durch die Vorführung 
doch nicht erzwungen werden (richtig: O. Mayer 1, 345, anders die herrschende Meinung, insbes. 
die Praxis [Kamptz-Delius, Rechtspr. d. R. u. Kamm G. 1, 108 u. 2, 2481, gegen diese auch 
Seuffert a. a. O. laus dem pr. G. v. 12. 2. 1850 läßt sich jedoch über die Zulässig= oder Unzu- 
lässigkeit der Zwangsgestellung nichts entnehmen, RG., Straf.S. 1, 331). 
III. Im vorangehenden ist nur von dem Verwaltungszwange gehandelt, der zur Voll- 
streckung einer Verfügung geübt wird. Es gibt nun aber auch noch Verwaltungs-= 
zwang, und zwar in Form unmittelbarer Gewaltanwendung, außerhalb des Voll- 
streckungsverfahrens, der als selbständige Maßregel, nicht in Anlehnung an eine 
Verfügung auftritt 2. Wenn ein Betrunkener die nächtliche Ruhe stört, ein Hund ohne Maul- 
korb auf der Straße herumläuft, eine Feuersbrunst zu löschen, einer Wassersnot zu wehren ist, 
1 Spezialliteratur: G. Meyer, Art. „Waffengebrauch" in v. Stengels Wörterb.; 
van Calker, Das Recht des Militärs zum administrativen Waffengebrauch, München 1888; 
Wilfling, Der administrative Waffengebrauch der öffentlichen Wachorgane und des Heeres, 
Wiener staatsw. Studien 1909; v. Reinhardt, Der Waffengebrauch als Mittel staatlichen 
Verwaltungszwangs nach deutsch. Verwaltungsrecht. Heidelb. Diss. 1910; überall hier weitere 
Literaturangaben. 
* Zum folgenden außer O. Mayer Fs§ 24, 25 besonders noch: Wolzendorff, Staats- 
notrecht, Arch., f. öff. R. 27, 220; Schultzenstein, Nothandlungen im Verwaltungsrecht, 
Verwärch. 16, 123; Kormann, Grundzüge, Annalen des Deutschen Reichs Jahrg. 1912, 195.
	        
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