Deutsches Verwaltungsrecht. 273
heitlich geordnet; sie ist nur für ganz bestimmte Objekte vorgesehen und für diese in den ver-
schiedensten Gesetzen geregelt, s. z. B. Pr. Enteign G. §s 50 (Wegebaumaterialien), RKriegs-
leistungs G. v. 13. 6. 1873 §§ 25 ff. (Pferdeaushebung). Die folgenden Ausführungen beziehen sich
daher nur auf die Grundstücksenteignung. Sie ist in den meisten Einzelstaaten durch ein all-
gemeines, gewöhnlich im Anschlusse an eine prinzipiell die Unverletzlichkeit des Eigentums
garantierende Verfassungsbestimmung erlassenes Enteignungsgesetz nach Voraussetzungen und
Form geregelt (Preußen G. v. 11. 6. 1874; Bayern v. 17. 11. 1837; Württemberg v. 20. 12. 1888;
22. 6. 1899 v. ?6. 6. 1884
Sachsen v. 24.6.1902; Baden v.— -(. 1508He ssen v. 30. 9-1800 1
Grünhut u. Schelcher). Neben diesem allgemeinen Gesetze sind jedoch vielfach noch Sonder-
bestimmungen für Enteignungen zu bestimmten Zwecken erlassen (vgl. z. B. den Vorbehalt im
Pr. Enteign G. § 54; Pr. Fluchtlinien G. v. 2. 7. 1875 § 11; G., betr. Maßnahmen z. Stärkung d.
Deutschtums i. d. Prov. Westpr. u. Pos. v. 20. 3. 1908 8§ 13 ff.; Quellenschutz G. v. 14. 5. 1908
§ 29). Das Reich hat sich bislang nur für einzelne Zwecke das Expropriationsrecht beigelegt
(Merf. Art. 41; Rayon G. v. 21.12.1871 8 41). — Jede Enteignung ist ein obrigkeitlicher Eingriff
in das Eigentum. Sie bedarf daher nach konstitutionellen Grundsätzen einer gesetzlichen Grund-
lage. Diese gibt regelmäßig das allgemeine Enteignungs= oder ein anderes Gesetz ab, welches
die Regierung oder eine bestimmte Behörde unter gewissen Voraussetzungen zur Enteignung
ermächtigt. Fehlt es an einer solchen allgemeinen Ermächtigung, so kann eine Enteignung
nur durch einen Akt der Gesetzgebung stattfinden, der natürlich auch beim Bestehen eines all-
gemeinen Enteignungsgesetzes noch für erforderlich erklärt sein kann (so in Hamburg, Lübeck,
Bremen, vgl. auch Merf. Art. 41).
II. Die Enteignung von Grundstücken darf nur stattfinden zugunsten
eines öffentlichen Unternehmens (Eisenbahn-, Wege-, Kanalbau), also besonders
nicht bloß zur Erreichung eines vermögensrechtlichen Zweckes (Arrondierung fiskalischer Be-
sitzungen). Der Herr dieses Untermnehmens braucht aber nicht der Staat zu sein; es kann auch
enteignet werden für ein dem öffentlichen Interesse dienendes Unternehmen, das einem Selbst-
verwaltungskörper oder einem konzessionierten Privaten gehört. Enteigner im wahren Sinne
des Wortes ist stets der Staat; er allein hat die Rechtsmacht, gebietend in Privatrechtsverhält-
nisse einzugreifen. Wenn gewöhnlich von Verleihung des Enteignungsrechtes an den Privat-
unternehmer gesprochen (s. auch oben S. 264 a, ) und dieser als Enteigner (Expropriant) bezeichnet
wird, so entspricht diese Ausdrucksweise durchaus nicht dem wirklichen Rechtsverhältnisse. Aus
einer solchen Verleihung, die nichts weiter ist als die Konstatierung, daß für das betreffende
Untemehmen die Enteignung beansprucht werden kann, erhält der Unternehmer nicht das
Recht, die betreffenden Grundeigentümer zu enteignen sondern nur den Anspruch gegen den
Staat, daß dieser für ihn die Enteignung vornehme. Übrigens erscheint diese sogenannte Ver-
leihung des Enteignungsrechtes an den Unternehmer gewöhnlich nicht als ein selbständiger Akt, ist
vielmehr verbunden mit der Verleihung des Unternehmens, deren Konsequenz sie ist. Die
Enteignung richtet sich gegen den Eigentümer der zu dem Unternehmen gebrauchten Grund-
stücke, der diese nicht abtreten will, oder aus rechtlichen Gründen (Fideikommißqualität) nicht
abtreten kann (Expropriat); desgl. gegen die an diesen Grundstücken dinglich Berechtigten.
Auch gegen den Staat als Grundeigentümer kann, wenn er nicht selbst der Herr des Unternehmens
ist, die Enteignung stattfinden; der praktische Zweck, den der Staat verfolgt, wenn er einen
Unternehmer ermächtigt, gegen ihn selbst die Enteignung zu betreiben, wird meist der sein, daß
er im Enteignungsverfahren die Entschädigung feststellen lassen will.
III. Die Enteignung darf nur stattfinden gegen vorgängige volle Entschädigung
des Expropriaten. Es ist ihm nicht nur der bloße Verkaufswert des enteigneten Grundstückes
oder Rechtes zu ersetzen, sondern der Wert, den dieses gerade für ihn hatte, nicht jedoch der
reine Affektionswert. Insbesondere ist bei Teilenteignungen auch der Mehrwert zu berück-
sichtigen, den der zu enteignende Teil durch seinen örtlichen und wirtschaftlichen Zusammen-
hang mit dem übrigen Grundbesitze des Expropriaten hat, sowie die Minderung des Wertes,
die für den Restbesitz infolge der Enteignung eintritt. Dagegen braucht der Enteignete sich
die Werterhöhung nicht anrechnen zu lassen, die vermöge der von dem Unternehmen zu erwarten-
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft. 7, der Neubearb. 2. Aufl. Band IV. 18
weitere Nachweisungen bei