274 Paul Schoen.
den Vorteile für sein Grundstück eintritt (bestritten! Gierke 486 103; Fleiner 278 48). Die
Entschädigung ist von dem Unternehmer zu gewähren, und zwar regelmäßig in Geld.
IV. Die Enteignung erfolgt stets in einem gesetzlich geordneten Verfahren, und dieses
gliedert sich meist in vier Abschnitte. Es beginnt mit der Feststellung des Enteignungs-
falles, bei der einmal festzustellen ist, daß das Unternehmen, für das enteignet werden soll,
ein solches ist, für das Enteignung beansprucht werden kann, und sodann der Unternehmer, der
als betreibende Partei im Verfahren zugelassen werden soll. Diese Feststellung ist in den freien
Städten stets durch die gesetzgebenden Faktoren zu treffen (ebenso RVerf. Art. 41), in den anderen
Staaten durch das Staatsoberhaupt oder das Ministerium, und zwar haben diese regelmäßig
nach freiem Ermessen die Qualifikation des Unternehmens zu beurteilen, seltener (z. B. Bayern)
sind sie an einen im allgemeinen Enteignungsgesetze gegebenen Katalog der zulässigen Expro-
priationsfälle gebunden. Auf diese Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung überhaupt
folgt die Feststellung des Enteignungsgegenstandes (Planfeststellung),
welche in den meisten Staaten durch Verwaltungsbescheid (Preußen: Beschl. d. Bez A.; Sachsen,
Baden: Ministerium), in Bayern und Württemberg durch verwaltungsgerichtliches, in Elsaß-
Lothringen nach französischem Rechte durch zivilgerichtliches Urteil zu erfolgen hat. Bei ihr
handelt es sich darum, die Folgerungen aus der vorangegangenen allgemeinen Feststellung auf
die einzelnen Grundstücke zu ziehen und die Ermessensfrage zu beantworten, welche Grundstücke
für das Unternehmen erforderlich und demgemäß zu enteignen sind. Mehr, als für das Unternehmen
unbedingt erforderlich ist, darf nicht enteignet werden; ist also den Bedürfnissen jenes mit einer
Servitut genügt, so darf zur Enteignung des Grundstückes überhaupt nicht geschritten werden.
Abweichungen von diesem Grundsatze lassen die Gesetze meistens bei Teilenteignungen zu, indem
sie dem Expropriaten das Recht geben, vom Exproprianten die Übernahme des ganzen Grund-
stückes zu verlangen, „wenn das Grundstück durch die Abtretung so zerstückelt werden würde,
daß das Restgrundstück nach seiner bisherigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig benutzt werden
kann“ (Pr. G. § 9, Bad. § 6). Das dritte Stadium des Verfahrens bildet die Feststellung
der Entschädigung. Diese erfolgt endgültig überall durch Erkenntnis des ordentlichen
Gerichtes; jedoch lassen die meisten Enteignungsgesetze zunächst die Verwaltungsbehörde die
Entschädigung auf Grund von Sachverständigengutachten vorläufig durch Beschluß festsetzen
und diesen Beschluß dann endgültig werden, wenn nicht innerhalb bestimmter Frist der Rechts-
weg gegen ihn beschritten ist. Ist die Entschädigungsfeststellung rechtskräftig geworden und die
in dieser festgesetzte Summe gezahlt oder hinterlegt — die Gesetze fordern im Interesse der
Sicherung des Enteigneten fast einmütig (eine Ausnahme macht das sächs. G.)vorgängige
Entschädigung —, so folgt, das Verfahren abschließend, der Ausspruch der Enteignung
durch die Verwaltungsbehörde. Mit der Zustellung des Enteignungsausspruches an den Ent-
eigneten und den Unternehmer (Pr., Hess.) oder auch schon an jenen allein (Sachs., Württ.,
Bad.) treten
V. die Wirkungen der Enteignung ein. Sie sind privatrechtlicher Natur:
Das Eigentum des bisherigen Eigentümers an den enteigneten Grundstücken erlischt, und diese
gehen in das Eigentum des Unternehmers über, und zwar, ohne daß es einer Umschreibung
im Grundbuche bedarf. Dabei leitet der Untermehmer sein Eigentum aber nicht von dem bis-
herigen Berechtigten ab, sondern lediglich aus der rechtsschaffenden Kraft des Verwaltungs-
aktes. Die Enteignung wirkt für den Unternehmer originären Rechtserwerb. Daher erlöschen
mit ihr nach gesetzlicher Vorschrift auch alle beschränkten dinglichen Rechte, die an dem ent-
eigneten Grundstücke bestehen. Der Expropriat hat jedoch nach den meisten Gesetzen, wenn das
Unternehmen nicht zustande kommt oder das enteignete Grundstück zu dem bestimmten Zwecke
nicht mehr notwendig ist, ein Rückforderungs= oder, wenigstens für den Fall, daß der Expropriant
es veräußern will, ein Vorkaufsrecht.
VI. Neben dem vorbezeichneten umständlichen ist meist ein abgekürztes Expro-
priationsverfahren für dringliche Fälle vorgesehen. Auch kann jenes durch Ver-
cinbarungen zwischen dem Unternehmer und dem Expropriaten
in jedem Stadium abgeschnitten oder doch vereinfacht werden. Solche Vereinbarungen, die
den Charakter von privatrechtlichen (bestritten! Fleiner 279) Verträgen haben, können getroffen