Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 275 
werden über den Gegenstand der Abtretung oder über die Höhe der Entschädigung oder über 
beides zugleich. Letzterenfalls ist die Enteignung überhaupt überflüssig geworden; das Ver- 
fahren fällt zusammen, und der Vertrag allein besteht fort; in den beiden erstgenannten Fällen 
dagegen entfällt nur der betreffende Abschnitt des Enteignungsverfahrens, und dieses nimmt 
im übrigen seinen Fortgang zwecks Feststellung der Entschädigung bzw. Vollziehung der Ent- 
eignung. 
Viertes Kapitel. 
Die Verwaltung und die Gewaltunterworfenen. Allgemeine 
Rechtsbeziehungen. 
§ 25. Die öffentlichen Pflichten und öffentlichen Rechte. 
Literatur: Loening §F 3, 4; v. Stengel ## 7—9; Meyer-Anschütz F 11, 
213 ff.; O. Mayer #5 9; Fleiner §F 10, 11; Gerber, üÜber öffentliche Rechte, Tübingen 
1852; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte (2), Tübingen 1905; derselbe, 
Staatslehre (2) 395 ff.; Dantscher v. Kollesberg, Die politischen Rechte der Unter- 
tanen, Wien 1888, 1892, 1894; v. Stengel, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit u. die öffent- 
lichen Rechte, Verwrch. 3, 176; Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, Tübingen 1911, 
395 ff., 567 ff.; Kormann, Grundzüge, Annalen d. Deutsch. Reichs Jahrg. 1911 913 ff. 
I. Allgemeines. Von den Rechtsverhältnissen zwischen der Verwaltung und den 
Untertanen interessieren hier nur die öffentlich rechtlichen. Ihnen ist charakteristisch die Un- 
gleichheit der beteiligten Subjekte. Auf der einen Seite steht der Staat mit seiner Herrscher- 
macht, auf der anderen der Gewaltunterworfene, der zum Gehorsam verpflichtet ist. 
Für jeden Untertan besteht die allgemeine Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem Gesetze 
und demgemäß besonders auch zur Erfüllung jener allgemeinen Spezialpflichten, welche das 
öffentliche Recht gewissen großen Interessen zuliebe geschaffen und durch geschlossene, von be- 
stimmten Grundsätzen beherrschte Gruppen von Rechtssätzen geordnet hat, wie die Wehrpflicht, 
die Steuerpflicht, die Schulpflicht, die Versicherungspflicht, die Pflicht, Eigentum zu opfern 
im öffentlichen Interesse, die Pflicht zu polizeimäßigem Verhalten, die Pflicht zur Ubernahme 
von Ehrenämtern. Besondere, gesteigerte Pflichten entstehen weiter aus besonderen Unter- 
ordnungsverhältnissen zum Staate, in die Untertanen freiwillig oder gezwungen eintreten, wie 
aus dem Beamtenverhältnisse, aus militärischen Dienstverhältnissen, dem Eintritte in eine öffent- 
liche Anstalt (Schule, Krankenhaus), der Unterwerfung unter eine besondere Kontrolle, wie sie 
die neuen Reichssteuergesetze von 1909 von den Inhabern von Brennereien, Brauereien, Zünd- 
warenfabriken und anderen Betrieben verlangen. Auch diese Pflichten sind in ihren Grund- 
lagen durch Rechtssätze (Gesetze und Rechtsverordnungen) normiert, im einzelnen jedoch meist 
durch Verwaltungsverordnungen (Dienstanweisungen, Anstaltsordnungen; s. oben S. 163 f. in 
diesem Bande) bestimmt. Die Gestaltung der Pflichterfüllung im einzelnen Falle wird in 
weitem Umfange aber auf Grund der allgemeinen Vorschriften erst durch Verfügung der 
Verwaltungsbehörde bestimmt, und dieser hat der Betroffene dann nachzuleben, sofern sie 
nur rechtmäßig ist. 
Allein der Untertan hat der Verwaltung gegenüber nicht nur diese Gehorsamspflichten, 
gewöhnlich „Iffentliche Pflichten" genannt, zu erfüllen, er tritt ihr auch als berech- 
tigtes Subjekt gegenüber. Er hat Ansprüche gegen den Staat, die dahin gehen, daß dieser seine 
Gewalt ihm gegenüber in einer bestimmten Weise ausübe. Eine solche Bindung des Staates 
als Herrscher gegenüber dem Beherrschten ist immer etwas Besonderes, sie besteht daher nur da, 
wo der Staat sie durch seine Rechtsordnung anerkannt hat; daß sie rechtlich möglich ist, soweit 
es sich um die Verwaltungstätigkeit handelt, ist außer Zweifel, denn in seiner Verwaltungs- 
tätigkeit kann der Staat, anders denn als Gesetzgeber, sich binden durch seine Rechtsordnung. 
Über die rechtliche Struktur dieser Ansprüche herrscht jedoch vielfach Unklarheit. Die gemeinc 
Redeweise bezeichnet sie gewöhnlich unterschiedslos als subjektive öffentliche Rechte. 
Wie von einem Rechte auf Gehalt, auf Aufnahme, auf Ausstellung eines Passes, so spricht 
man auch von einem Rechte auf Armenunterstützung, auf Zutritt zu den öffentlichen Gerichts- 
18“
	        
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