276 Paul Schoen.
sitzungen, auf den Gebrauch öffentlicher Sachen und Anstalten — und doch handelt es sich hier
um wesentlich verschiedene Rechtserscheinungen. Von einem subjektiven öffentlichen Rechte
kann man, wenn man, was allein einen Sinn hat, mit den Worten „subjektives Recht“ hier
etwas ähnliches bezeichnen will wie im Privatrechte, wo der Begriff entstanden ist, nur da
sprechen, wo dem Gewaltunterworfenen im individuellen Interesse eine bestimmt abgegrenzte
rechtliche Macht über die öffentliche Gewalt gegeben ist, vermöge deren er ein bestimmtes Ver-
halten dieser ihm gegenüber (ein Tun oder ein Gewährenlassen) verlangen kann (Merkel, Ency-
klopädie [4] 85 151 ff., 436 ff.). Dieses ist aber einmal nur da der Fall, wo dem Anspruche gegen
den Staat ein irgendwie gestalteter Rechtsschutz zur Seite steht. Allein der Umstand, daß dem
einzelnen Mittel gegeben sind, einen gewünschten Rechtszustand herbeizuführen, ist für sich
noch kein sicheres Kriterium eines subjektiven Rechtes. Der Gesetzgeber hat bisweilen den
einzelnen doch auch Rechtsmittel gegeben, um die Realisierung von lediglich im Gemeininteresse
bestehenden Rechtssätzen zu sichern (Anfechtung von Wahllisten, Wahlresultaten). Es ist weiter
erforderlich, daß der geschützte Anspruch ein individualisierter ist. Das ist er aber nur, wenn er
in der Weise mit einer bestimmten Person verbunden ist, daß seine Geltendmachung und Reali-
sierung in den Willen dieser Person gestellt ist. Diese Voraussetzungen sind aber keineswegs
überall gegeben, wo der Staat in seiner Rechtsordnung Vorteilsgewährungen zugunsten der
Untertanen übernommen hat. In weitem Umfange ist dieses nicht dadurch geschehen, daß.
er sich zu ihnen den einzelnen gegenüber verpflichtet hat, sondern einfach durch Anweisung
der Behörden, etwas zu leisten (Armenunterstützung) oder zu gestatten (Zutritt zu den Gerichts-
verhandlungen). Durch solche Anweisung der Behörden hat der Staat den einzelnen eine
Macht der Verwaltung gegenüber nicht beilegen wollen und ihnen demgemäß auch keinen be-
sonders geschützten Anspruch auf die Leistung oder Gestattung gegeben. Diese ist hier lediglich
eine Reflexwirkung der objektiven Norm, und der Untertan, dem sie versagt wird, kann
daher nicht Verletzung seiner Rechte, sondern nur mangelhafte Vollziehung des Gesetzes be-
haupten. Es ist daher auch ungenau und irreführend, wenn hier, wie häufig (Jellinek, System,
67), von „Reflexrechten“ gesprochen wird. Die Frage, ob ein Anspruch lediglich als Reflex-
vorhanden oder als ein subjektives öffentliches Recht gegeben ist, hat praktische Bedeutung
besonders dort, wo die Verwaltungsklage nicht für bestimmte einzelne Ansprüche, sondern all-
gemein bei behaupteter Verletzung in den öffentlichen Rechten offengestellt ist unten § 30 III 1).
Sie läßt sich immer nur für den einzelnen Anspruch und für den einzelnen Staat entscheiden,
denn was in dem einen lediglich Reflexwirkung ist, kann in dem anderen zum subjektiven Rechte
ausgestaltet sein (der Anspruch auf Armenunterstützung z. B., der nach deutschem Rechte lediglich.
als Reflex erscheint, erscheint nach österreichischem als ein subjektives, im verwaltungsgericht-
lichen Wege geltend zu machendes Recht). Zweifellos subjektive öffentliche Rechte sind nach
deutschem Rechte z. B. die Ansprüche auf Gehalt, auf die Leistungen der Krankenkassen und.
Versicherungsanstalten, auf Aufnahme, auf die Erteilung solcher polizeilichen Erlaubnisse, die
nur aus bestimmten Gründen versagt werden dürfen, auf Amter und öffentliche Stellungen
(Mitgliedschaft in politischen Körperschaften), die durch Wahl erworben sind, auf die aus Ver-
leihungen öffentlicher Unternehmungen erwachsenen Befugnisse. Keine subjektiven Rechte sind
dagegen die sog. Freiheits- oder Grumdrechte der Staatsangehörigen (s. oben 89 in diesem Bde.;
bei ihnen entspringt lediglich als Reflex aus der objektiven Norm für die Betroffenen der Anspruch
gegen die Staatsbehörden, in der gegen staatliche Eingriffe sichergestellten Sphäre in Betätigung
ihrer Handlungsfreiheit nicht gestört zu werden), der Anspruch auf Armenunterstützung, auf
Zulassung zu öffentlichen Verhandlungen der Gerichte und Parlamente, auf Benutzung der
öffenlichen Straße im Rahmen des Gemeingebrauches, das aktive Wahlrecht (denn es ist nicht
begründet im individuellen Interesse der „Wahlberechtigten“, sondern ist lediglich der Reflex
der objektiven Norm, daß das Parlament aus Wahlen hervorgehen soll. Allerdings bestritten:
ebenso Laband 1 (0), 331; anders die herrschende Ansicht: Jellinek, System, 136 ff.; O. Mayer
1, 114 21; Anschütz hier oben 88). Wie Einzelpersonen und private Korporationen, so können
auch öffentliche Verbände subjektive öffentliche Rechte haben, das wichtigste hierher gehörige
Beispiel ist das den Selbstverwaltungskörpern zustehende Recht auf die Selbstverwaltung. Und
wie dem Staate, so können den dem Staate untergeordneten öffentlichen Verbänden gegen-
über subjektive öffentliche Rechte bestehen.