Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 279 
springenden öffentlichen Pflichten verantwortlich gemacht wird, kann nur da bestellt werden, 
wo sie gesetzlich ausdrücklich für zulässig erklärt ist, wie besonders für stehende Gewerbebetriebe 
(GewO. §§ 45—47, 151). v 
§ 26. Die öffentlichrechtliche Entschädigung. 
Literatur: Anschütz, Der Ersatzanspruch aus Vermögensbeschädigungen durch recht- 
mäßige Handhabung der Staatsgewalt, VerwArch. 5, 1 ff.; O. Mayer ss 53. 54; derselbe, 
Entichädigungspflicht des Staates nach Billigkeitsrecht, Dresden 1904; Art. „Entschädigungspflicht 
des Staates“ in v. Stengel-Fleischmanns Wörterb.; Meyer-Anschütz 814 ff. 
(815“ weitere Literaturangabe); Fleiner §& I7 (eingehende Literaturangabe); derselbe, 
Offentlichrechtliche Vorteilsausgleichung, Basel 1904 (Festg. f. Heusler). 
I. Wenn man beobachtet, wie durch staatliche Eingrisse häufig Vermögensbeschädigungen 
der Beherrschten verursacht werden, z. B. Schädigungen der betreffenden Gewerbetreibenden 
durch Aufhebung der Privatpostanstalten, Einführung des Schlachthauszwanges, der Fischerei- 
berechtigten durch Flußregulierungen, der Hauseigentümer durch Zerstörung ihrer Gebäude 
zwecks Verhinderung der Ausbreitung einer Feuersbrunst, der Anlieger eines Flusses durch das 
Verbot, auf diesem weiter ihre Hölzer zu flößen, durch unrechtmäßige Verurteilungen, militärische 
Mtionen, so drängt sich die Frage auf, ob aus solchen Eingriffen für den Staat bzw. den die 
öffentliche Gewalt handhabenden Verband (Gemeinde bei Einführung des Schlachthauszwanges) 
eine Entschädigungspflicht erwächst. In der Theorie wie in der Praxis ist diese Frage in der ver- 
schiedensten Weise beantwortet worden, und häufig haben da, wo es an klarer gesetzlicher Regelung 
fehlt, mehr Billigkeitserwägungen als scharfe juristische Deduktionen die Antwort gezeitigt. Zu- 
nächst ist zu beachten, daß die Frage aus dem Zivilrechte nicht gelöst werden kann; nach den 
Grundsätzen über die Deliktsobligationen schon deshalb nicht, weil es sich hier um rechtmäßige 
Handlungen des Staates handelt, aber auch nach anderen zivilrechtlichen Bestimmungen nicht, 
weil die in Rede stehenden Schädigungen durch Hoheitsakte herbeigeführt sind (anders, wenn der 
Staat in Ausübung fiskalischer Tätigkeit, als Eigentümer einer Liegenschaft, als Gewerbe- 
treibender, jemand geschädigt hat). Wir haben es zu tun mit einer rein öffentlichrechtlichen 
Frage, einem rein öffentlichrechtlichen Anspruche. 
II. Der schädigende Eingriff kann nun erfolgen durch einen Akt der Gesetzgebung (Auf- 
hebung der Privatpostanstalten RG. v. 20. 12. 1899) oder der Verwaltung (Flußregulierung, Ein- 
reißen von Häusern). Der Gesetzgebung gegenüber hat niemand einen Anspruch auf Erhaltung 
seiner Rechte. Daher hat auch niemand gegen den Staat einen Anspruch auf Ersatz für ihm durch 
Gesetze zugefügte Vermögensschädigungen, sofern nicht das einzelne Gesetz selbst ihm ausdrücklich 
einen solchen gewährt (R#G. cit. A. 4; Pr. G. v. 24. 6. 1891 F 4 u. 18. 7. 1892, betr. Aufhebung 
von Steuerbefreiungen, Pr. Wasserg. v. 7. 4. 1913 §5¼ 3). Dieser Grundsatz ist heute auch fast 
allgemein anerkannt (über die Praxis des RG. Fleiner 2412). Die große Meinungsverschieden- 
heit beginnt erst, wenn man an die administrativen Eingriffe herantritt. Für sie wird in 
weitem und sehr verschieden bestimmteim Umfange das Bestehen einer staatlichen Entschädigungs- 
pflicht nach gemeinem Rechte behauptet. Keine der hier aufgestellten Theorien, die die Frage 
mit einer allgemeinen Formel beantworten wollen, ist jedoch juristisch oder auch nur praktisch 
befriedigend. Sie operieren mit unklaren und vagen Begriffen, wenn sie eine Entschädigungs- 
pflicht überall da eintreten lassen wollen, wo ein „Eingriff in wohlerworbene Rechte“ gemacht 
ist, oder da, wo dem Bürger „ein besonderes Opfer“, das andere eben nicht trifft, zugemutet 
wird, oder endlich da, wo die Billigkeit eine Entschädigung verlangt. Und keinem ihrer Ver- 
treter ist es überdies gelungen, die Existenz des gemeinrechtlichen Gewohnheitssatzes nach- 
zuweisen, auf den die Theorie sich notwendig aufbauen müßte. Einen solchen gibt es eben 
nicht, und der Entschädigungsanspruch ist nur da begründet, wo ein spezieller Rechtssatz ihn an- 
erkennt. Rechtssätze dieser Art sind aber sowohl von den Einzelstaaten wie vom Reiche auf- 
gestellt. In den Einzelstaaten ist zunächst übereinstimmend, in Verbindung mit der grundgesetz- 
lichen Garantie der Unverletzlichkeit des Eigentums, allgemein die Entschädigungspflicht an- 
erkannt für den Fall der Enteignung (oben S. 273). Und es kann als eine allgemeine, die 
Theorie wie die Praxis beherrschende Rechtsüberzeugung angesehen werden, daß der Gesetz-
	        
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