Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 285 
Auch sie stehen wohl unter der Privatrechtsordnung, allein diese ist für sie durch das öffentliche 
Recht in weitem Umfange beiseite geschoben, um sie im öffentlichen Interesse ihrer Zweck- 
bestimmung zu erhalten. Zuständig, die Sonderstellung dieser Sachen durch öffentlich-rechtliche 
Normen zu bestimmen, sind auch nach Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuches die Einzelstaaten. 
geblieben; es gelten daher für sie auch fort die älteren einzelstaatlichen Vorschriften (vgl. z. B. 
Pr. ALR. II, 14 § 21; 15 §§ 7, 44) und die besonders in den ehemals gemeinrechtlichen 
Gebieten von Theorie und Praxis entwickelten gewohnheitsrechtlichen Normen. 
II. Im einzelnen ist danach die Rechtslage der öffentlichen Sachen 
im engeren Sinne heute folgende: 
1. Sie stehen im Eigentume einer Person; nur das Bett öffentlicher Flüsse befindet 
sich, solange es vom Wasser überströmt wird, nach einzelnen Rechten in niemandes Eigentum 
(so nach dem Württ. Wasserg. v. 1. 12. 1900 Art. 7 und nach einer allerdings bestrittenen 
Ansicht auch nach gemeinem Rechte (Gierke 2, 23 12), wogegen andere neue Wasserg. wie 
das Bad. v. 26. 6. 1899 5 1, Bay. v. 23. 3. 1907 82, Pr. v. 7. 4. 1913 5§ 7, 8 alle Wasser- 
läuse im Eigentum siehen lassen). Als Eigentümer erscheint gewöhnlich der Staat oder ein 
anderer öffentlicher Verband. Es können öffentliche Sachen jedoch auch im Eigentume einer 
Privatperson stehen, so z. B. dem öffentlichen Gebrauche gewidmete Kirchen und besonders die 
zu einem konzessionierten öffentlichen Untermehmen gehörigen Sachen (Eisenbahnen mit Zu- 
behör, öffentliche Wege). Das Eigentum, um das es sich hier handelt, ist das gewöhnliche 
privatrechtliche. Die abweichende, offensichtlich durch die in der französischen Rechtswissenschaft 
entwickelte Lehre vom domaine public gezeitigte Meinung O. Mayers (2, 68; Arch. f. öff. R. 
16, 38 u. 21, 499), daß an den öffentlichen Sachen ein öffentlichrechtliches Eigentum, eine 
besondere dem öffentlichen Rechte angehörende Sachherrschaft bestehe, ist bislang nur ganz ver- 
einzelt gebilligt (Layer Loben S. 2721 617, 623; für Elsaß-Lothringen, wo noch die französische 
Lehre vom domaine nachwirkt, von Kisch, Els.-Lothr. Landes-Priv R. § 67). Überwiegend wird 
sie in der Theorie (Gierke 2, 21 3; Biermann 15 3; Schoen, Ev. Kirchenr. 2, 446 1; G. Jellinek, 
System 761; Fleiner 310) wie in der Praxis (jetzt auch vom sächs. OVG. Jahrb. 15, 175|, das 
ihr früher (/2, 99] zuneigte) abgelehnt. Und dies mit Grund. Das geltende deutsche Recht kennt 
jedenfalls ein vom privatrechtlichen verschiedenes Eigentum, für das „an Stelle des Zivilrechtes 
die Regeln des öffentlichen Rechtes (welche das übrigens sind, hat Mayer nirgends gesagt) 
allein maßgebend“ sind, nicht. Wo die moderne Gesetzgebung sich mit dem Eigentume an 
öffentlichen Sachen befaßt, besonders im Grundbuchrechte, geht sie davon aus, daß es sich bei 
diesem Eigentume um die gewöhnliche privatrechtliche Sachherrschaft handelt, und läßt es daher 
grundsätzlich den für diese gegebenen Normen unterfallen (RGrundbuch O. § 90; Pr. G. v. 
19. 8. 1895 §§ 16 ff.); der Gedanke also, daß die öffentliche Sache „der Anwendbarkeit des Zivil- 
rechts entzogen“ sei, ist ihr völlig fremd. 
2. Die öffentlichen Sachen sind verkehrsfähig, aber nur beschränkt. Sie sind der 
Bestellung dinglicher Rechte und anderen im Privatinteresse getroffenen rechtlichen Verfügungen 
insoweit entrückt, als solche ihren bestimmungsgemäßen Dienst beeinträchtigen würden. Sie 
sind daher veräußerlich; allein die Veräußerung läßt ihre Zweckgebundenheit unberührt, daher 
ist der Erwerb solcher Sachen für Private vielfach (nicht jedoch schlechthin: Schoen 449 2) wert- 
los. Es können an ihnen auch Servituten erworben werden, die den öffentlichen Gebrauch der 
Sache nicht beeinträchtigen, z. B. an einem öffentlichen Wege das Recht, eine Wasserleitung 
unter ihm durchzuführen. Desgleichen ist die Bestellung von Pfandrechten an ihnen denkbar 
(Gierke 24 ¼, 0; Schoen 448 3). Die Zwangsvollstreckung in öffentliche Sachen dagegen ist 
ausgeschlossen, da diese sie notwendig ihrer Zweckbestimmung entziehen würde (Württ. Auss G. 
z. 8PO. A. 21; RG. üb. Unzulässigkeit der Pfändung von Eisenbahnmaterial v. 3. 5.1886. Über 
die praktische Bedeutung dieses Grundsatzes, besonders für die Gläubiger verschuldeter Ge- 
meinden: Regelsberger 417, Bekker 1, 333; die zu gemeindlichen Wasser- und Lichtversorgungs- 
werken, Straßenbahnen, Krankenhäusern, Bädern und anderen Anstalten, die sowohl als private 
wie als öffentliche betrieben werden können, gehörigen Sachen werden nur dann als öffentliche 
Sachen anzusehen und daher dem Zugriffe der Gläubiger entzogen sein, wenn die betreffende 
Anstalt als öffentliche in dem oben S. 281 festgestellten Sinne betrieben wird; der etwaige Rein-
	        
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