Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

286 Paul Schoen. 
gewinn, den eine öffentliche Anstalt abwirft, wird pfändbar sein). Verträge über öffentliche Sachen, 
deren Erfüllung diese ihrer Zweckbestimmung entziehen würden, sind nichtig (BGB. 88 134. 
306, 309). 
3. Der Charakter einer öffentlichen Sache kommt einer Sache entweder vermöge ihrer 
natürlichen Beschaffenheit zu, wie den schiffbaren Flüssen, Seen, dem Meeres- 
strande, oder sie erhält ihn, was die Regel ist, durch einen besonderen Rechtsakt: die 
Widmung oder Indienststellung. Deiese ist eine einseitige obrigkeitliche (staatliche 
oder gemeindliche) Willensäußerung (oben S. 264, a, ), die in einer ausdrücklichen Willenserklärung 
wie in konkludenten Handlungen (Eröffnung des Weges, der Brücke, des Eisenbahnbetriebes) 
zutage treten kann. Der Beweis dieses Rechtsaktes kann durch unvordenkliche Ausübung er- 
setzt werden. Das Natürliche ist, daß das öffentliche, die Widmung vornehmende Subjekt, auch 
die privatrechtliche Verfügungsmacht über die zu widmende Sache hat (Eigentum oder Ein- 
willigung des Sacheigentümers), allein das Fehlen dieser nimmt der Widmung nicht ihre 
Wirkung; würden z. B. Grundstücksteile ohne Wissen und Willen des Eigentümers zu einem 
öffentlichen Wege einbezogen, so könnte dieser nicht Wiederherstellung des früheren Zustandes, 
sondern nur Entschädigung verlangen (oben S. 280; Pr G. v. 11. 5. 1842 § 4). Die Widmung 
kann die Sache nur von jetzt ab gegen zweckwidrige Belastung sicherstellen; Rechte, die an ihr 
schon vor der Indienststellung bestanden, gehen durch diese nicht unter, sondern können nur 
vertragsmäßig oder im Wege der Enteignung beseitigt werden. Die öffentliche Sache verliert 
den Rechtscharakter als solche und unterfällt wieder ganz dem Zivilrechte durch eine der Widmung 
entsprechende konträre obrigkeitliche Willensäußerung, Kassierung, Einziehung, 
Ausreihung der öffentlichen Sache oder ähnlich genannt; auch diese kann ausdrücklich 
oder stillschweigend (Verfallenlassen eines Weges) abgegeben werden. Die vermöge ihrer 
natürlichen Beschaffenheit als öffentliche anzusprechenden Sachen können auch mit tatsäch- 
licher Veränderung dieser Beschaffenheit ihren öffentlichen Charakter verlieren: ändert ein 
öffentlicher Fluß seinen Lauf, so hört das von ihm verlassene Bett auf, öffentliche Sache 
zu sein. 
4. Besonders zu betrachten sind noch die im Gemeingebrauche stehenden 
öffentlichen Sachen. a) Zu diesen gehören alle Sachen, die ihrer Bestimmung gemäß 
von jedermann benutzt werden dürfen, ohne daß es einer besonderen Zulassung des einzelnen 
bedarf. Wo die Teilnahme am Genusse von besonderer (entgeltlicher oder unentgeltlicher) Zu- 
lassung abhängig ist, da liegt kein Gemeingebrauch vor; daher sind öffentliche Schulen, Kranken- 
häuser, Schlachthäuser usw., in der Regel auch öffentliche Bibliotheken und Mufeen nicht Sachen 
im Gemeingebrauche. Die Erhebung von Gebühren (Wege-, Brücken-, Hafengelder) schließt 
den Gemeingebrauch nicht aus. Der Inhalt des Gemeingebrauches ist durch die Beschaffenheit 
der Sache und die Widmung bestimmt; vielfach sind für seinen Umfang lokale Ubung und An- 
schauung maßgebend. Der Gemeingebrauch an öffentlichen Wegen z. B. umfaßt regelmäßig 
deren Gebrauch zum Gehen, Reiten, Fahren, er kann aber auch auf eine dieser Benutzungs- 
arten beschränkt sein (Fuß-, Reitwege). Andererseits werden Straßen in Ortschaften noch zu 
vielem anderen gebraucht: zum Abladen von Gegenständen, die für die Anwohner bestimmt sind; 
zu gewerblichen Verrichtungen; an den Anliegehäusern werden Blumenbretter, Markisen an- 
gebracht, die in den über der Straße sich erhebenden Luftraum hineinragen — alles dies ist 
Gemeingebrauch der öffentlichen Straße. Der Gemeingebrauch der öffentlichen Flüsse um- 
faßt besonders die Benutzung des Wassers zum Schöpfen, Tränken, Baden, Waschen, zur Schiff- 
fahrt und Flößerei. Die Befugnis des einzelnen, die öffentliche Sache im Rahmen des Gemein- 
gebrauches zu benutzen, ist kein subjektives öffentliches Recht, sondern lediglich eine Reflexwirkung 
der die Rechtslage der öffentlichen Sachen bestimmenden Normen (oben S. 276 ff.; ebenso 
G. Jellinek 70, Anschütz 109; s. auch v. Sarwey 429, O. Mayer 2, 116, Fleiner 328, jedoch 
bestritten: Gierke 24 f.); es hat denn auch bei Schmälerung oder Aufhebung des Gemein- 
gebrauches durch obrigkeitlichen Akt niemand einen Anspruch auf Entschädigung. Die Ordnung 
des Gemeingebrauches (durch Verbote schädigender Benutzungsweisen, Regelung des Neben- 
einander verschiedener Benutzungsarten, wie des Fuß- und Wagenverkehres auf öffentlicher 
Straße, Bestimmung von Benutzungszeiten für öffentliche Parke usw.) wie sein Schutz gegen 
lbergriffe einzelner ist Sache der Polizei (Wütt. Wasserg. v. 1. 12. 1900 Art. 20; Pr.
	        
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