Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 291 
recht gegen die Beschlüsse dieser beizulegen, wenn anders man die Möglichkeit, eine oberinstanzliche 
Nachprüfung dieser Beschlüsse zugunsten des Staates herbeizuführen, überhaupt schaffen wollte. 
III. Der Einspruch ist die zum Rechtsschutzmittel erhobene Gegenvorstellung (oben 
S. 289). Er unterscheidet sich von der einfachen Gegenvorstellung ebenso wie die formelle Be- 
schwerde von der formlosen. Er ist nur in den gesetzlich bestimmten Fällen gegeben und löst un- 
bedingt eine Nachprüfung der behördlichen Handlung aus. Als eine Art Gegenvorstellung hat 
er keinen Devolutiveffekt; er ist stets bei der Behörde anzubringen, deren Handeln er angreift, 
und diese hat dann erneut sich darüber schlüssig zu werden, ob sie es bei ihrer ersten Entschließung 
bewenden lassen will oder nicht. Dem Einspruchsberechtigten ist regulär auch ein anderes Rechts- 
mittel, gewöhnlich die Verwaltungsklage, gegeben, jedoch so, daß er diese erst erheben darf, nach- 
dem er mit dem Einspruche abgewiesen ist: das umständlichere und kostspieligere Rechtsschutz- 
mittel soll erst ergriffen werden, nachdem vergeblich versucht ist, auf dem einfachen Wege des 
Einspruches Abhilfe zu erlangen. Die Fälle, in denen der Einspruch gegeben ist, lassen sich nicht 
einheitlich charakterisieren. Insbesondere ist zu beachten, daß er, anders als die Beschwerde, 
nicht immer nur dem gegeben, der durch eine behördliche Maßnahme unmittelbar in seinen 
eigenen Rechten und Interessen betroffen ist (wie dies der Fall ist bei den Einsprüchen gegen 
Anordnungen der Wegepolizeibehörde, Räumungsanordnungen, Heranziehung zu öffentlichen 
Abgaben: Pr. ZG. J§ 56, 66, Kommunalabg G. §§ 69, 70), sondern in vielen Fällen, in denen 
es sich namentlich um allgemeine behördliche Feststellungen handelt, weiteren Kreisen oder 
schlechthin jedermann (so z. B. der Einspruch gegen die Gültigkeit stattgehabter Wahlen, gegen 
die Richtigkeit der Wählerliste, sofern der den Einspruch Erhebende die Aufnahme oder Streichung 
dritter Personen verlangt, gegen Feststellung eines Bebauungsplanes: Pr. ZG. §§ 10, 27; G. v. 
2. 7. 1875 5 7). Dann aber ist der Einspruch überhaupt nicht mehr Rechtsschutzmittel des einzelnen, 
sondern erscheint (ebenso wie die im Anschlusse an ihn gegebene Verwaltungsklage) als ein Rechts- 
behelf, der dazu dient, auch die einzelnen zu beteiligen an der Sorge für die Realisierung der 
objektiven Rechtsordnung und allseitige Wahrung des öffentlichen Interesses. 
§ 30. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit. 
Literatur: Loening Is 200, 203—212; Meyer-Anschütz 5 182; Meyer-Dochow 
§ 9—16; v. Stengel, Organisation d. Pr. Verwaltung, Leipzig 1884 &## 64—71; derselbe, 
Art. „Verwaltungsstreitverfahren“ i. seinem Wörterb.; O. Mayer §§ 13—15; Fleiner 15; 
Anschütz in: Kultur d. Gegenwart 2, 347; v. Sarwey, D. öff. R. u. d. Verwaltungsrechtspflege, 
Tübingen 1880; Parey, Handb. d. preuß. VerwR. 1, Berlin 1887; Otto Mueller, Be- 
griffe der Verwaltungsrechtspflege u. des Verwaltungsstreitverfahrens nach pr. R., Berlin 1895; 
Kunze, D. BVerwaltungsstreitverfahren (i. Pr., prakt. Handb.), Berlin 1908; v. Seydel, Bayer. 
StR. # 129—143; Göz, D. Verwaltungsrechtspflege in Württemberg, Tübingen 1902; 
Lemayer, Apologetische Studien zur V. (Grünhuts Ztschr. f. d. Priv. u. öff. R. 22); Zorn, 
Kritische Studien zur V. (Verwürch. 2, 74); derselbe, Zum Problem d. V., Festg. d. Bonn. jur. 
Fak. f. Krüger 1911; v. Stengel, D. V. u. die öff. Rechte (das. 3, 177); Friedrichs; Besonder- 
heiten des preuß. Verwaltungsstreitverfahrens (das. 6, 358); Tezner, D. deutsch. Theorien der V. 
(das. 8 S. 220, 475, 9 S. 159, 515). Kohler, Einführung in die Rechtswissenschaft (4. Aufl. 1912) 
S. 194. — Aus der Kommentarliteratur: Friedrichs, D. Zuständigkeitsgesetz, Berlin 1904; der- 
selbe, D. Landesverwaltungsgesetz, Berlin 1910; Reger-Dyroff, Bayer. Verwaltungsgerichts- 
gesetz (4), München 1908; Apelt, D. kgl. sächs. G. über d. Verwaltungsrechtspflege (2), Leipzig 1911, 
hier 65 ff. erschöpfende Lit.-Nachweisung zu sämtlichen Partikularrechten. — Über die V. in Eng- 
land, Italien, Osterreich, Frankreich E. v. Meier in der 6. Aufl. dieser Encykl. 2, 735 mit 
weiteren Literaturangaben. 
I. Begriff, Grundideen, Entwickelung der Verwaltungs- 
gerichtsbarkeit. — Verwaltungsgerichtsbarkeit oder Verwal- 
tungsrechtspflege ist die streitentscheidende Tätigkeit der Ver- 
waltung, welche in bestimmten, auf dem Boden der Justiz er- 
wachsenen Formen entwickelt wird, und auf die Erzeugung von der 
(materiellen) Rechtskraft fähigen Verwaltungsakten (,uUrteile“; oben S. 265c, 
unten S. 305) abzielt. Für Deutschland ist diese Verwaltungsgerichtsbarkeit eine durchaus 
neue Einrichtung. Außer in Württemberg reichen ihre Anfänge nirgends hinter die sechziger Jahre 
des 19. Jahrhunderts zurück, wenngleich die Probleme, die mit ihr gelöst sind, schon viel früher 
19“
	        
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