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wiesen und so diese ohne Rücksicht auf die Landesgesetzgebung zuständig gemacht hat (vgl. z. B.
BGB. 88 4, 62, EinfG. z. GVG. F 11, 2, Vereinsg. §§ 2, 15, Stellenvermittlerg. v. 2. 6. 1910
8 10, Zuwachssteuerg. v. 14. 2. 1911 § 44). Danach kann die Landesgesetzgebung besonders den
Verwaltungsgerichten nicht nur Streitigkeiten in Verwaltungssachen, sondern auch solche, die
a priori vor die ordentlichen Gerichte gehören, überweisen (GVG. 8 13). Tatsächlich ist allerdings
von dieser Möglichkeit nur in sehr geringem Umfange Gebrauch gemacht. Die Entscheidung
„bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten“ ist den Verwaltungsgerichten nur vereinzelt überwiesen (so
z. B. in Preußen durch ZG. I#§s 78, 106, Waldschutzg. v. 6. 7. 1875 87, Feld- u. ForstpolG.
v. 1. 4. 1880 §§ 76, 84, Jagd O. v. 15. 7. 1907 § 59), und auf Strafen haben sie nur insofern
zu erkennen, als ihnen Disziplinarsachen, namentlich der Kommunalbeamten, übertragen sind.
Fast ausschließlich sind es Streitigkeiten in Verwaltungssachen, die den Verwaltungsgerichten
zur Entscheidung überwiesen sind, und zwar sind sie ihnen vielfach mit der ausdrücklichen
Maßgabe überwiesen, daß ihre „Entscheidungen ergehen unbeschadet aller privatrechtlichen
Verhältnisse“, welche mit den zu beurteilenden öffentlichrechtlichen Fragen zusammenhängen
(Pr. LVG. 5 7, R8G. & 160; Bad. § 1; Old. § 10; Braunsch. § 7; vgl. auch Württ. Art. 10,
Ziff. 5, 7, 17, 22, 24).
Der einzelstaatliche Gesetzgeber kann nun den Kreis der Verwaltungsstreitsachen ent-
weder durch Aufzählung der einzelnen Gegenstände doder durch eine all-
gemeine Formel bestimmen. Die letzte Methode, die das österreichische Gesetz betr. die
Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes v. 22. 10. 1875 befolgt hat, indem es § 2 bestimmt:
„Der Verwaltungsgerichtshof hat in allen Fällen zu erkennen, in denen jemand durch gesetz-
widrige Entscheidung oder Verfügung einer Verwaltungsbehörde in seinen Rechten verletzt
zu sein behauptet“ — ist schlechthin in Deutschland nirgends angewendet. Alle deutschen Staaten,
mit Ausnahme von Württemberg und Sachsen, haben sich vielmehr prinzipiell zu der ersten,
der sog. Emumerationsmethode, bekannt. Ausschließlich nach ihr haben jedoch wieder
nur Bayem, Hessen und Meiningen die Zuständigkeit ihrer Verwaltungsgerichte bestimmt.
Die anderen hierher gehörigen Staaten haben diese grundsätzlich ebenfalls durch Aufzählung
normiert (und zwar Preußen, Anhalt u. Lippe in besonderen Zuständigkeitsgesetzen v. 1. 8. 1883,
27. 3. 1888 u. 9. 2.1898, deren Kataloge aber aus zahlreichen späteren Spezialgesetzen zu ergänzen
sind), gleichzeitig jedoch für gewisse Gruppen von Streitigkeiten allgemein die Verwaltungsgerichte
für zuständig erklärt. So ist in Preußen, Baden und den meisten Kleinstaaten allgemein die
Verwaltungsklage gegeben gegen polizeiliche Verfügungen und gegen die Heranziehung zu
bestimmten Steuern (Preußen: direkte Staatssteuern, alle Kommunalabgaben, Kirchensteuern).
Die Gesetzgebungen Württembergs und Sachsens aber haben sich für keine der beiden Methoden
grundsätzlich entschieden. Sie zählen zunächst eine Reihe sog. Parteistreitigkeiten des öffentlichen.
Rechtes namentlich auf (Streitigkeiten zwischen Gemeinden oder anderen öffentlichen Kor-
porationen und ihren Mitgliedern oder untereinander, sowie solche zwischen einzelnen über
ihre Ansprüche und Verbindlichkeiten aus dem öffentlichen Recht) und überweisen diese zur
Entscheidung in erster Instanz den unteren Verwaltungsgerichten; außerdem aber geben sie ganz
allgemein jedem, der durch eine auf Gründe des öffentlichen Rechtes gestützte Verfügung der
Verwaltung „in seinem ihm zustehenden Rechte verletzt oder mit einer ihm nicht obliegenden
Verbindlichkeit belastet“ zu sein behauptet (Württ. Art. 13, etwas anders Sachs. § 76), eine
Klage (Württ.: „Rechtsbeschwerde“; Sachs.: „Anfechtungsklage“ genannt), die unmittelbar
beim obersten Verwaltungsgerichte anzubringen ist. Die Gründe, welche die meisten deutschen
Staaten veranlaßt haben, grundsätzlich durch Aufzählung und nicht durch eine allgemeine Formel
die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu bestimmen, sind durchaus praktischer Natur. Die
Aufzählung schafft von vomherein Klarheit darüber, wieweit die Verwaltung unter die gericht-
liche Kontrolle kommt, sie ermöglicht es dem Gesetzgeber, einerseits Materien vorwiegend ver-
waltungstechnischer Natur auch fernerhin ganz den Verwaltungsbehörden zu reservieren, anderer-
seits aber auch bloß faktischen Interessen den Schutz der Verwaltungsgerichte zu gewähren,
und sie stellt den Verwaltungsrichter nicht, wie z. B. die österreichische Generalklausel, immer
vor die bei der zum Teil noch recht unvollkommenen Ausgestaltung des materiellen Verwaltungs-
rechtes bisweilen recht schwer zu beantwortende Frage, ob ein wirklicher öffentlichrechtlicher An-
spruch verletzt ist. Auch ist die Findung einer allgemeinen Formel, die den Tendenzen der