Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 311 
gesetzte Behörde sie beantragt (so in den übrigen Rechtsgebieten). Der preußische Gesetzgeber 
nennt diese Beantragung der Vorentscheidung: Erhebung des Konflikts gegen die gerichtliche Ver- 
folgung, eine durchaus unglückliche Ausdrucksweise, indem es sich hier um nichts dem wahren 
Kompetenzkonflikte auch nur Ahnliches, nicht um Entscheidung über Zuständigkeitsstreitigkeiten, 
sondern lediglich um eine Vorentscheidung in einer Sache handelt, die an sich in das Gebiet der 
Justiz fallen muß 1. Die Wirkung der Vorentscheidung ist eine lediglich prozessuale: Trifft 
sie die oben bezeichnete Feststellung im negativen Sinne, so ist der Rechtsweg für die Verfolgung 
des Beamten verschlossen. Bejaht sie die von ihr zu beantwortende Frage, so geht die Klage 
ihren Gang, als ob ihr nie ein Hindernis entgegengestanden hätte. Die Auffassung der Vor- 
entscheidung ist insbesondere nicht bindend für die materielle Entscheidung des Zivilgerichtes; 
dieses hat selbständig zu prüfen, ob eine Amtspflichtverletzung des beklagten Beamten vorliegt, 
welche ihn ersatzpflichtig macht oder nicht (bestritten f. d. bayr. R. diess. d. Rh.; s. v. Seydel 1, 602: 
O. Mayer 1 S. 23927, 237 23; Stein 118). Ein weiteres Hemmnisder Beamten- 
verfolgung als das der eben erörterten Vorentscheidung besteht nur noch in Preußen 
auf Grund der durchaus singulären Bestimmung des §& 6 des G. über die Zulässigkeit des Rechts- 
weges in Beziehung auf polizeiliche Verfügungen, nach welchem Vorbedingung für die gerichtliche 
Geltendmachung von Regreßansprüchen aus polizeilichen Verfügungen 
ist, daß diese zuvor im Wege der Beschwerde oder, was dem heute gleichsteht, durch verwaltungs- 
gerichtliches Urteil aufgehoben sind. Diese alte Bestimmung ist durch §& 11 des Einf G. z. G. 
nicht berührt (so auch der preuß. Gesetzgeber [LVG. F 131 u. G. v. 1. 8. 1909 +5§. 5] und die 
herrschende Meinung in Theorie und Praxis; vgl. Meyer-anschütz 6817; O#. 8, 408; R. 
Ziv S. 18, 122 u. 51, 329; anders bes. O. Mayer 1, 237; Stein 117; Fliner 265 22), denn dieser 
richtet sich nur gegen die zum Schutze der Beamten bestehenden Beschränkungen ihrer Verfolg- 
barkeit, der § 6 des pr. G. aber ist Ausfluß sachlicher Zuständigkeitsregelung. Er dehnt den 
das Gesetz beherrschenden Grundsatz, daß polizeiliche Verfügungen der richterlichen Kognition 
entzogen sind (§ 1), dahin aus, daß der Richter auch da, wo über die Zulässigkeit einer polizei- 
lichen Verfügung als Vorfrage zu entscheiden ist (s. vorige S.), unzuständig ist. Erst nachdem 
diese Vorfrage durch die Verwaltung zuungunsten der Verfügung entschieden ist, eröffnet daher 
das Gesetz den Rechtsweg gegen den aus der Verfügung haftbaren Beamten. Wo und soweit 
aus pflichtwidrigen Handlungen und Unterlassungen der Beamten auch der Dienstherr dieser, 
der Staat oder ein anderer öffentlicher Verband, dem Geschädigten vermögensrechtlich verpflichtet 
wird — aus nich t obrigkeitlichen Handlungen ihrer Beamten haften die öffentlichen Verbände 
nach den allgemeinen Grundsätzen des BGB. 5 31 (vgl. 5 89), ausobrigkeitlichen dagegen 
gemäß Art. 77 des Einf G. z. BGB. nur, wo die Landesgesetzgebung eine solche Haftung des 
Staates und der öffentlichen Verbände anerkannt hat; dieses ist aber in einer Reihe von Staaten 
bereits in den AusfGesetzen z. BG. geschehen (z. B. in Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, 
mehreren thür. Staaten, Elsaß-Lothringen), während Preußen und das Reich die Haftung für 
Amtspflichtverletzungen von Beamten „bei Ausübung der öffentlichen Gewalt“ erst neuestens 
durch besondere Gesetze (v. 1. 8. 1909 und 22.5. 1910) übermommen bzw. kommunalen Verbänden 
auferlegt haben —, ist auch der Schadensersatzanspruch gegen den Staat oder anderen öffent- 
lichen Verband im ordentlichen Rechtswege zu verfolgen; nur ist die gerichtliche Verfolgung 
dieses Anspruches häufig an dieselben Voraussetzungen geknüpft wie die Verfolgung des Be- 
amten selbst (Art. 165 des bay., 5 des bad., 78 des hess. AG. z. BG.; Pr. G. v. 1. 8. 1909 5§ 2, 
5; vgl. auch Stein 119). 
§ 32. Die Kompetenzkonflikte. 
Literature Loening 202; Meyer-Anschütz 5 181; O. Mayer 1 220 ff.: 
Nadbyl, Art. „Kompetenzkonflikt" in'v. Stengels Börterb.; v. Sarwey 5*71; G#öz 
7; S tein, Grenzen (oben S. 209) 5 7 und die zu vorigem Paragraphen gen. Werke von Wach, 
pp penhoff, Stölzel und Droop. 
  
Zum m folgenden noch bes. Nadbyl, Art. „Konflikt“ in v. Stengels Wörterb.; Graven- 
von rst, Der sog. Konflikt bei gerichulicher Verfolgung von Beamten (Abbdlgn. aus d. St.= u. 
öllerr., Lherang. von Brie) 1908; Stein, Grenzen (oben S. 209) 1 12; auch Meyer- 
Anschütz 11
	        
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