Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

312 Paul Schoen. 
J. Begriffliches. Da die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegenüber der 
der im Verwaltungsorganismus stehenden Behörden, wie auch die Zuständigkeit der Verwal- 
tungsgerichte gegen die der gewöhnlichen Verwaltungsbehörden nicht nach einfachen, in der 
Praxis stets mit Sicherheit zu beurteilenden Gesichtspunkten abgegrenzt ist — die Beantwortung 
der Frage, ob eine Streitigkeit eine „bürgerliche“ ist, oder ob eine behauptete Rechtsverletzung 
sich als Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechtes darstellt, kann bekanntlich in concreto 
eine sehr schwierige sein —, ist die Möglichkeit zahlreicher Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen 
den gedachten Behördenreihen gegeben. Von diesen Zuständigkeitsstreitigkeiten werden aber 
als Kompetenzkonflikte heute gewöhnlich nur die zwischen den ordentlichen Gerichten einerseits 
und den Verwaltungsbehörden, einschließlich der Verwaltungsgerichte, andererseits bezeichnet. 
Allein die Lösung dieser ist ein besonders gesetzgeberisches Problem gewesen, allein sie haben zur 
Organisation besonderer Behörden und eines besonderen Verfahrens geführt. Nur die 
süddeutschen Gesetzgebungen sprechen auch die Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Ver- 
waltungsgerichten und anderen Verwaltungsbehörden als Kompetenzkonflikte an, lassen auch 
bei ihnen die Verwaltungsbehörde den Kompetenzkonflikt erheben und über diesen (so wenigstens 
die württ. u. bad., anders die bay. Gesetzgebung; vgl. oben S. 299) den Kompetenzgerichtshof 
entscheiden. Hier werden lediglich die Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den ordentlichen 
Gerichten und den Verwaltungsbehörden als Kompetenzkonflikte angesehen, von den Zuständig- 
keitsstreitigkeiten zwischen den Verwaltungsgerichten und den anderen Verwaltungsbehörden 
ist bereits oben S. 299 gehandelt. Solcher Kompetenzkonflikte aber werden gewöhnlich zwei unter- 
schieden: der positive und der negative. Jener, der häufigere, ist gegeben, wenn eine Ver- 
waltungsbehörde sich in einer bei einem Gerichte anhängigen Angelegenheit für zuständig erklärt; 
er ist ein Streit „über die Zulässigkeit des Rechtswegs“ (GVG. F 17). Dieser liegt vor, wenn 
Verwaltungsbehörden wie Gerichte sich für unzuständig halten, indem diese jene, jene aber diese 
für zuständig erachten; er stellt sich eigentlich nicht als Konflikt zwischen Justiz und Verwaltung, 
sondern als eine Rechtlosstellung einer Privatperson dar. 
II. Der positive Kompetenzkonflikt. 1. Für die Entscheidung von Zu- 
ständigkeitsstreitigkeiten zwischen Justiz= und Verwaltungsbehörden sind in Deutschland ver- 
schiedene Grundsätze anerkannt gewesen. Zu den Zeiten des alten Reiches wurden sie regulär 
von dem Landesherrn entschieden; verbot der Landesherr jedoch dem Gerichte, eine die Ver- 
waltung berührende Streitsache anzunehmen, so konnten die beeinträchtigten Parteien wegen 
Rechtsverweigerung die Reichsgerichte angehen. Für Territorien, denen gegenüber die Reichs- 
gerichtsbarkeit versagte, war natürlich die Entscheidung des Landesherrn definitiv. In Preußen 
wurden diese Grundsätze vorübergehend verlassen, indem Friedrich der Große eine besondere, 
aus Mitgliedern des Generaldirektoriums (oben S. 225) und des höchsten Gerichtshofes bestehende 
Behörde („Jurisdiktionskommission") zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte einsetzte. Allein 
schon bei der Verwaltungsreorganisation im Jahre 1808 kam diese Behörde wieder in Wegfall, 
umd durch Kab O. v. 30. 6. 1828 wurde bestimmt, daß die Kompetenzkonflikte auf gutachtlichen 
Bericht des gesamten Staatsministeriums hin vom Könige zu entscheiden waren, wenn dieser die 
Entscheidung nicht einem der obersten Gerichte übertragen wollte. Eine Ordnung des Verfahrens 
erfolgte erst durch Instr. v. 1. 7. 1835, und zwar wesentlich unter dem Einflusse des französischen 
Rechtes, in dem das Institut des Kompetenzkonfliktes vorzüglich als ein Schutzmittel der Ver- 
waltung gegen Ubergriffe der richterlichen Gewalt entwickelt und nur der Verwaltungsbehörde 
das Recht gegeben war, Einspruch gegen die gerichtliche Verhandlung einer Sache zu erheben, 
in der sie sich für zuständig hielt („éClever le conflit“, daher das undeutsche Wort „Konflikt“ in 
der späteren deutschen Rechtssprache). In den süddeutschen Staaten waren schon früher fran- 
zösische Einflüsse maßgebend gewesen und hatten zu entsprechender Regelung der Kompetenz- 
streitigkeiten — Entscheidung durch den Staatsrat oder Geheimen Rat unter Genehmigung des 
Landesherrn auf Einspruchserhebung der Verwaltungsbehörde — geführt (Bay. Konst. v. 1. 5. 
1808 III § 2; Bad. Ed. 26. 11. 1809; Württ. VerfUrk. 1819 § 59; Hess. Ed. 28. 5. 1821 K. 9). 
Bald jedoch wurde dieses System heftig bekämpft von der um diese Zeit hervortretenden poli- 
tischen Richtung, welche eine Erweiterung des Rechtsschutzes des einzelnen, auch der Staatsgewalt 
gegenüber in öffentlichen Rechtsverhältnissen, erstrebte (loben S. 213, 293). Sie hielt dafür, daß 
das vorhandene System, nach dem die Verwaltung als Richter in eigener Sache fungiere, nur
	        
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