Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Gewerberecht. 329 
86. Die Freiheit der gewerblichen Betätigung besteht nun sowohl für die Gewerbetreibenden 
wie für die Arbeiter. Gewerbetreibender ist derjenige, auf dessen Namen und Rechnung das Ge- 
werbe geführt wird. Er bekommt keinen nach irgendwelcher Norm vereinbarten festen Lohn, 
sondern wird durch den Gewinn oder Verlust, den der Gewerbebetrieb mit sich bringt, 
bereichert oder geschädigt. Ob der Betreffende selbst die gewerbliche Tätigkeit ausübt 
oder nicht, ist gleichgültig; häufig wird er, wenn er z. B. Kind ist, dazu gar nicht in der 
Lage sein, ähnlich steht es beim Gewerbebetrieb, dessen Inhaber eine juristische Per- 
son ist. In diesen Fällen tritt die privatrechtlich geordnete Stellvertretung ein. Zum Unterschied 
von dem Gewerbeunternehmer ist derjenige, der nur die gewerbliche Tätigkeit leitet, also die Ar- 
beitsverträge für den Inhaber des gewerblichen Unternehmens schließt, nicht Gewerbetreibender, 
ebensowenig der, welcher einem bestimmt umgrenzten Zweige des gewerblichen Unternehmens 
vorsteht, oder derjenige, dem lediglich die Beaufsichtigung des gewerblichen Betriebs in seiner 
Gesamtheit oder in bestimmt umgrenztem Zweige zusteht. In allen diesen Fällen sprechen wir vom 
Betriebsleiter, der entweder Stellvertreter im Gewerbebetrieb in den ersten beiden Fällen oder 
Betriebsbeamter, falls nur mit Beaufsichtigung betraut, genannt wird. Die Stellvertretung im 
Gewerbe, die immer nur im Wege der Vollmachtserteilung ad hoc geschehen kann, stellt sich als 
ein spezialrechtlicher Begriff unserer Gew O. dar, wohl zu unterscheiden von den oben genannten 
Fällen, wo jemand für einen Handlungsunfähigen das Gewerbe treibt, oder als Organ einer 
juristischen Person oder schließlich auf handelsrechtlichem Gebiet als Prokurist tätig wird. Weil der 
gewerbliche Stellvertreter seine Befugnisse von einem anderen herleitet, deshalb bedarf er natür- 
lich bei Konzessionsgewerben nicht noch einer Konzession für sich, weshalb § 47 Gew O. für gewisse 
Gewerbe den Behörden vorbehält, zu ermessen, ob eine Stellvertretung (dieser Art) zulässig ist 
oder nicht. Im übrigen muß aber der Stellvertreter in seiner Person allen für das betreffende 
Gewerbe besonders vorgeschriebenen Erfordernissen genügen, sonst kann die Behörde den Betrieb 
stillegen. Andererseits müssen in der Person des Gewerbeunternehmers die Voraussetzungen der 
Zulassung zum Gewerbebetrieb immer gegeben sein. Eine Ausnahme hiervon ist zugunsten der 
Witwe und der minderjährigen Erben getroffen. Es kann nämlich, wofern nicht für einzelne Ge- 
werbe besonderes Verbot besteht, der Fortbetrieb des gewerblichen Unternehmens nach dem Tode 
des Gewerbeberechtigten für Rechnung der Witwe während des Witwenstands oder wenn min- 
derjährige Erben vorhanden sind, für deren Rechnung durch einen geeigneten Stellvertreter erfol- 
gen. Das gleiche gilt während einer Pflegschaft und Vormundschaft über Volljährige, sowie 
während einer Nachlaßregulierung. Die praktische Bedeutung dieser Vorschriften liegt darin, daß es 
bei konzessionspflichtigen Gewerben einer neuen Erlaubnis für die Witwe nicht bedarf, ja daß sie, 
wie in der Verwaltungspraxis mit Recht angenommen, sogar persönlich, ihre sonstige Qualifika- 
tion vorausgesetzt, das Gewerbe fortführen darf. 
Der praktisch überragenden Bedeutung des Betriebsleiters, von dessen Willen es abhängt, 
ob und wie die Arbeitsverträge geschlossen werden, entspricht die hinsichtlich seiner strafrechtlichen 
Verantwortlichkeit durch § 151 GewO. gegebene Regelung. Es ist nämlich nicht der Gewerbe- 
treibende, also der in vermögensrechtlicher Hinsicht das Risiko tragende Unternehmer strafrechtlich 
verantwortlich, wofern ihm nicht eigenes Zutun zur Last fällt (Anstiftung oder Beihilfe), sondern 
der Betriebsleiter, es sei denn, daß mit Vorwissen des Gewerbetreibenden begangene Handlungen 
in Frage kommen oder sonst dem Gewerbeunternehmer wegen unterbliebener eigener ihm mög- 
licher Beaussichtigung des Betriebs und der Beamten oder wegen sorgloser Auswahl der letzteren 
ein Mitverschulden und dadurch eine Mitstraffälligkeit trifft. 
Ob die Verfügung über die zum Gewerbebetrieb erforderten Dinge privatrechtlich auf 
Eigentum, auf Nießbrauch, Pacht oder dergleichen beruht, ist ohne Belang. Auch darauf 
kommt nichts an, ob der Unternehmer sich wirtschaftlich in Abhängigkeit befindet, wenn 
er nur nach außen als selbständiger Gewerbetreibender auftritt. 
Wer die Weisungen, wie, wann, wo die gewerbliche Tätigkeit zu entfalten ist, von anderer 
Seite empfängt, der ist nicht selbständiger Gewerbetreibender, mag er auch über unselbständige 
Arbeitskräfte disponieren. Darum rechnen die Zwischenmeister, Unterakkordanten, Baukolonnen- 
führer, Pächter von Garderoben, Bierzapfstellen usw. nicht zu den selbständigen Gewerbetreiben= 
den, obschon sie eigenes Risiko tragen oder im eigenen Namen eine gewisse Selbständigkeit entfalten. 
Die Grenze ist jedoch oft sehr schwer zu erkennen und nur durch völlige Klärung aller Tatumstände
	        
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