Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Gewerberecht. 339 
1897, betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln (Margarine- 
gesetz). Hier wird der Hauptwert darauf gelegt, jegliche Verwechslung von Naturbutter, Käse 
und Fett mit den Ersatzmitteln zu vermeiden, zu welchem Zweck insbesondere die Herstellungs-, 
Pack- und Verkaufsräume getrennt zu halten sind. Auch in der Zuckerindustrie wurden aus 
gleichen Gründen zahlreiche Fabrikations-- und Vertriebsvorschriften für künstliche Süßstoffe 
durch das Gesetz vom 7. Juli 1902 vorgesehen. 
Noch weiter gehenden Beschränkungen unterliegt die Herstellung und der Vertrieb von 
Arzneien und Giften nach Maßgabe der hierüber erlassenen Verordnungen. 
3. Vorschriften über die Art des Geschäftsbetriebs. 
§ 16. Die Betriebsvorschriften können sogar so weit gehen, daß sie bestimmte Absatz- 
formen verbieten oder den Geschäftsabschluß mit bestimmten Konsumenten untersagen. So 
ist z. B. der Gewerbebetrieb im Umherziehen für alle Waren verboten, wenn sie durch Teil- 
zahlung mit Eigentumsvorbehalt oder durch Glücksspiel (Ausspielungen oder Lotterie) vertrieben 
werden. Ferner kann eine Polizeiverordnung die Abgabe geistiger Getränke an Schüler, jugend- 
liche Personen oder Trunkenbolde verbieten. 
Überhaupt ist das Schankwirtschaftsgewerbe, das leicht mißbräuchlich ausgeübt werden 
kann, zahlreichen Betriebsvorschriften unterworfen. Hierher gehört z. B. das Gesetz über 
den Rauminhalt der Schankgefäße, ferner die aus § 365 des Strafgesetzbuches hervorgehende 
behördliche Befugnis zur Festsetzung der Polizeistunde, d. h. einer Zeit, während welcher, um 
der allgemeinen Nachtruhe willen, das Gewerbe überhaupt nicht betrieben werden darf. Die 
Polizeistunde kann verschieden für die einzelnen Lokale geregelt sein, sie besteht aber nicht für 
geschlossene Gesellschaften. 
Zu den wichtigsten Betriebsvorschriften gehören die Bestimmungen über den Laden- 
schluß und die Sonntagsruhe. Das heutige Gewerberecht unterscheidet zwischen gesetzlichem 
und fakultativem Ladenschluß. Offene Verkaufsstellen müssen von 9 Uhr abends bis 
5 Uhr morgens für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein. Ausnahmen bestehen nur 
für unvorhergesehene Notfälle, für höchstens 40 ortspolizeilich bestimmte Tage bis spätestens 
10 Uhr und nach näherer Bestimmung der höheren Verwaltungsbehörde für Städte unter 
2000 Einwohnern und Dörfer, wenn der Geschäftsverkehr sich vornehmlich auf einzelne Wochen- 
tage oder einzelne Tagesstunden beschränkt. Unter fakultativem Ladenschluß versteht man die 
der höheren Verwaltungsbehörde unter gewissen Voraussetzungen ermöglichte Früherlegung 
der Ladenschlußzeit. Auf Antrag von mindestens zwei Dritteln der beteiligten Geschäftsinhaber 
kann nämlich für eine Gemeinde oder mehrere örtlich unmittelbar zusammenhängende Ge- 
meinden nach Anhörung der Gemeindebehörden für alle oder einzelne Geschäftszweige an- 
geordnet werden, daß die offenen Verkaufsstellen während des ganzen Jahres oder auch nur 
während bestimmter Zeiträume auch von 8—9 Uhr abends und zwischen 5 und 7 Uhr morgens 
für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein müssen. Auf Antrag von mindestens einem Drittel 
muß die höhere Verwaltungsbehörde die beteiligten Geschäftsinhaber zu einer Abstimmung 
über die Frage auffordern und kann, wenn zwei Drittel der Abstimmenden dafür sind, die ent- 
sprechenden Anordnungen nach freiem Ermessen treffen. Das Verfahren hinsichtlich solcher 
Anträge ist durch den Bundesrat (Bekanntmachung vom 5. Januar 1902) geregelt. 
Die für die Betriebsführung der einzelnen Gewerbe bestehenden Vorschriften er- 
fordern selbstverständlich eine eingehende Kontrolle, die durch die Polizeibehörden ausgeübt 
wird. Soweit es sich um die Durchführung der weiter unten behandelten Arbeiterschutzvor- 
schriften handelt, ist diese Kontrolle neben den Polizeibehörden, in einigen Beziehungen aber 
auch ausschließlich besonderen, von der Landesregierung zu bestellenden Gewerbeaussichts- 
beamten übertragen (5 1395b GewO.), die Jahresberichte über ihre Tätigkeit zu erstatten haben. 
Diese Jahresberichte oder Auszüge aus denselben sind dem Bundesrate und Reichstage vor- 
zulegen. Die Berichte werden auf Grund einer vom Reichsamt des Innern gegebenen An- 
weisung seit 1900 nach einem bestimmten Schema erstattet und ermöglichen dem Reich eine weit- 
gehende Kontrolle, besonders im Punkte des Arbeiterschutzes. Daneben werden die Gewerbe- 
nspektore n zur Prüfung und UÜberwachung der genehmigungspflichtigen Anlagen herangezogen. 
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