Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

344 Flesch und Hiller. 
C. Rechtsbestimmungen über die Erlangung der Verfügung 
über die zum Betrieb notwendigen Arbeitskräfte. 
1. Verschiedene Arten der Arbeitskräfte. 
8 20. Während im Altertum die Erlangung gewerblicher Hilfskräfte vorwiegend im Wege 
der Gewalt erfolgte, indem die Dienste von persönlich Unfreien (Sklaven) kraft des Gewalt- 
verhältnisses gefordert wurden, und während noch das Mittelalter in seiner Zunftverfassung 
die Lehrlinge und Gesellen als die der öffentlichen Korporation auch über das Gebiet der 
Gewerbsarbeit hinaus Gehorsamspflichtigen betrachtete, ist in der Neuzeit der freie Arbeits- 
vertrag das einzige Mittel, durch welchen der Gewerbetreibende eine Verfügung über die zum 
Betriebe notwendigen Arbeitskräfte erlangen kann. Das Verhältnis dieser Hilfskräfte zu dem 
Betriebsleiter ist sehr verschieden geordnet, je nach den Arbeiten, die von ihnen verlangt werden. 
Gemeinsam für alle gilt der Satz, daß sie dem Produktionsleiter zu derjenigen Leistung verpflichtet 
sind, zu welcher sie sich vertragsmäßig verpflichtet haben, und daß, abgesehen von ihrer Ver- 
pflichtung, nach Maßgabe des Arbeitsvertrags ihre Arbeit in den Dienst der Produktion zu 
stellen, eine persönliche Unterordnung unter den Produktionsleiter oder den Eigentümer der 
Produktionsinstrumente nicht von ihnen verlangt werden kann (vgl. § 121 GewO.). Aller- 
dings erhält das Vertragsverhältnis seine tatsächliche Gestalt mehr als durch das bestehende 
Recht durch den ökonomischen Kraftunterschied, der zwischen dem Produktionsleiter und den 
ökonomisch schwächeren „unvermögenden“ Arbeitern zu bestehen pflegt. Der Arbeiter ist, weil 
und wenn er „unvermögend“ ist, gezwungen, im Arbeitsvertrag auszuharren, oder hat wenig- 
stens Ursache, die Auflösung zu fürchten, und zwar auch dann, wenn er nicht nur mit einem 
Arbeitgeber, sondern mit vielen Arbeitsverhältnisse eingegangen hat (der Schuhmachergeselle 
steht mit einem Schuhmacher, dieser aber mit allen Kunden, die ihm Aufträge geben, 
im Arbeitsverhältnis). Wann und insoweit er die Entlassung zu fürchten hat — nicht durch 
Rechtsvorschriften — wird er vom Arbeitgeber auch über den Inhalt des positiven Rechts hinaus 
abhängig. Rechtssätze, welche diesen Nebenwirkungen des Arbeitsverhältnisses entgegenwirken, 
bestehen bisher kaum, lediglich nimmt das Recht auf den bestehenden Kräfteunterschied insofern 
Rücksicht, als manche Rechtsätze da nicht gelten, wo die Vertragschließenden als ökonomisch un- 
gleich stark vorausgesetzt werden (Konkurrenzklauseleinschränkung bei Handlungsgehilfen), und 
als manche Rechtsätze — die allgemeinen Arbeiterschutzbestimmungen — die Arbeiter hindern, 
allzu ungünstige Bedingungen anzunehmen. 
Im einzelnen sind zu unterscheiden kaufmännische und gewerbliche Hilfskräfte. 
Für die kaufmännischen Hilfskräfte hat das Handelsgesetzbuch in §5 59 ff. besondere Bestimmungen 
zur Regelung des Dienstverhältnisses getroffen. Die Hilfskräfte, welche gewerbliche Arbeit im 
engeren Sinne verrichten, unterfallen denen der GewO. (5 105 ff.), während für alle anderen 
die Bestimmungen des BGB. §F 611 ff. maßgebend sind, soweit nicht für einzelne Kategorieen. 
— z. B. die Schiffsmannschaften — reichsgesetzliche Sonderbestimmungen getroffen sind oder 
die Arbeitskräfte als zum Gesinde gehörig zu erachten und deshalb einer der zahlreichen 
Gesindeordnungen unterworfen sind. 
Bei den gewerblichen Arbeitskräften werden verschiedene Kategorieen unterschieden, und 
zwar einmal Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker u. dgl., ferner Gesellen 
und Gehilfen und drittens Lehrlinge. Unter den „Betriebsbeamten“ sind Personen 
zu verstehen, bei denen das Entgelt für die Arbeitsleistung sich unabhängig von der tatsächlichen 
Arbeit mehrerer bestimmter Tage und Stunden als eine Pauschalvergütung darstellt, und die 
nicht nur vorübergehend mit der Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs oder einer Ab- 
teilung desselben beauftragt sind. Die gleiche Rechtsstellung haben die „Techniker“; auch sie 
müssen gegen „feste Bezüge“ angestellt sein und dabei höhere technische Leistungen voll- 
bringen. Für die Lehrlinge ist begriffsnotwendig, daß das Arbeitsverhältnis hauptsächlich zu 
dem Zwecke eingegangen war, um das betreffende Gewerbe zu erlernen. Auf das Alter des 
Lehrlings, auf Lehrgeld oder Entlohnung kommt nichts an. Alle übrigen Arbeiter rechnen zu 
den Gesellen oder Gehilfen. Beide Begriffe sind ununterschieden; nur ist für die überwiegende 
Mehrheit der Handwerker der Ausdruck Geselle sprachgebräuchlich. Die Regelung der Lehr- 
lingshaltung beruht heute neben dem allgemeinen Erfordernis des Vollbesitzes der bürgerlichen
	        
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