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zu kurze Kündigungsfristen, Lohnabzug bei Krankheit und ähnliches mehr) nicht getroffen werden
können oder sollen.
Weiter wird der Arbeitsvertrag für alle diejenigen der Gewerbeordnung unterstehenden
Betriebe beschränkt, in denen in der Regel mindestens 20 Arbeiter beschäftigt werden. (GO.
§ 133b ff.) Für diese muß — außer anderen Bestimmungen (§ 134) — vom Arbeitgeber
eine Arbeitsordnung aufgestellt werden, die durch Aushang an geeigneter Stelle erlassen.
wird, und deren Inhalt, soweit er nicht gegen bestehende Gesetze verstößt, für beide Teile
rechtsverbindlich ist. Vor ihrem Erlaß, wie vor jeder Anderung, sind die großjährigen Arbeiter
des Betriebs zu hören.
Umfassender sind die faktischen Beschränkungen der Vertragsfreiheit durch die außer-
halb des Arbeitsvertrags über dessen Inhalt getroffenen Vereinbarungen. Hierher gehören
im besonderen die Tarifverträge. Der Tarifvertrag ist begrifflich weder Arbeitsvertrag, noch
pactum de contrahendo, auch nicht, wie früher vom Reichsgericht angenommen wurde, Koalition
im Sinne von 9§ 152, 153 der GewO., sondern ein contractus sui generis, durch den ein ein-
zelner Arbeitgeber oder auch eine Gesamtheit solcher mit einer Gesamtheit von Arbeitnehmern
die Normen für den Abschluß von Arbeitsverträgen festlegen, wobei im besondern die Arbeit-
geberschaft die Verpflichtung übernimmt, die Arbeitsbedingungen der einzelnen Betriebe, auch
die Arbeitsordnungen in Einklang mit den Tarifabmachungen zu bringen. Gleichwohl ist der
mit den Tarifabmachungen in Widerspruch stehende Einzelarbeitsvertrag gültig; die Tarif-
verträge sind „abdingbar“. Beide Kontrahenten werden in der Regel durch gleichstarke Interessen
zum Tarifabschluß geführt, die Arbeitgeber oft durch das Schutzbedürfnis gegenüber den
konkurrierenden Berufsgenossen; daher sind die Tarifverträge in den Gewerben häufig, die
stark in Konkurrenz betrieben werden, so in den Baugewerben, seltener in denjenigen Industrien,
bei denen die Konkurrenzfurcht nicht so groß ist, wie z. B. in der Eisenindustrie. Die in Tarif-
verträgen sich zusammenfindenden Kontrahenten bilden eine sog. Tarifgemeinschaft; diese pflegt
zur Durchführung des Tarifvertrages Organe zu schaffen, die instanzenmäßig gegliedert sind
(Orts-, Gau= und Zentralschiedsgerichte) und die meistens den ordentlichen Rechtsweg ausschließen
sollen. Vorbildlich für das deutsche Tarifwesen war der Buchduuckertarif.
b) Abschluß und äußere Form des Arbeitsvertrags.
§ 22. Der Abschluß des Arbeitsvertrages ist an keine Form gebunden. Der Minder-
jährige bedarf der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters, welche, für ein Arbeitsverhältnis
einmal erteilt, ihn nicht nur in allen rechtlichen Beziehungen dieses Arbeitsverhältnisses den
Großzjährigen gleichstellt, sondern auch präsumtiv für die Eingehung gleichartiger Arbeitsverhält-
nisse gilt (vgl. § 113 BGB.). Die Beschäftigung der Minderjährigen als Arbeiter darf nur ge-
schehen, wenn sie mit einem Arbeitsbuch versehen sind (§ 107 GewO.). Das Arbeitsbuch wird
von der Polizeibehörde des letzten dauernden Aufenthaltes, falls solcher nicht stattfand, des
zuerst gewählten Arbeitsorts ausgestellt. Die Ausstellung erfolgt auf Antrag oder mit Zu-
stimmung des gesetzlichen Vertreters, die im Fall der Unbeibringlichkeit oder grundlosen und
zum Nachteil des Arbeiters gereichenden Weigerung von der Gemeindebehörde ergänzt werden
kann. Das Arbeitsbuch hat den Namen des Arbeiters, Ort, Jahr und Tag seiner Geburt, Namen
und letzten Wohnort des gesetzlichen Vertreters und die Unterschrift des Arbeitgebers zu ent-
halten. Der Arbeitgeber muß es bei der Arbeiterannahme einfordern, verwahren, auf
amtliches Verlangen vorlegen und nach rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhältnisses wieder
einhändigen. Beim Eintritt des Arbeiters hat der Arbeitgeber formularmäßig die Zeit des
Eintritts und Art der Beschäftigung und beim Austritt die Zeit des Austrittes und, wenn die
Beschäftigung sich änderte, die Art der letzten Beschäftigung einzutragen, und zwar beides mit
Tinte, und zu unterzeichnen. Die Eintragungen dürfen nicht mit einem Merkmale versehen
sein, das den Inhaber günstig oder nachteilig zu kennzeichnen bezweckt, selbst wenn solche
Kennzeichnung in ihrer Bedeutung Uneingeweihten nicht ohne weiteres erkennbar ist. Ein
neues Arbeitsbuch kann nur gefordert werden bei vollständiger Ausfüllung, sonstiger Unbrauch-
barkeit, Verlust oder Vernichtung, Vorhandensein unzulässiger Merkmale, Eintragungen
oder Vermerke und rechtswidrigen Weigerung der Aushändigung. Letztere sowie unzulässige
Vermerke u. dgl. verpflichten den Arbeitgeber zur Entschädigung.