Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

352 Flesch und Hiller. 
auf Grund von Rechtsgeschäften oder Urkunden über Rechtsgeschäfte, die nach dem Gesetz betr. 
die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohns vom 21. Juni 1869 rechtlich unwirksam sind, 
also Zessionen, Anweisungen, Verpfändungen und ähnliches vor Fälligkeit bis zum Betrag 
von 1500 Mark. Zulässig ist dagegen die Lohnverwirkung im Rahmen des 8 134 der GewO., 
wenn sie für den Fall der rechtswidrigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ausbedungen wird, 
bis zu einem, einem Durchschnittswochenlohn gleichkommenden Verfallbetrag; die Lohn- 
verwirkung bedeutet nicht Aufrechnung einer Gegenforderung, sondern strafweisen Wegfall 
der Lohnforderung. Über § 134 hinaus gibt es keine Lohnverwirkung, insbesondere nicht bei 
Fabrikstrafen. 
Einc weitere Sicherung des Arbeitslohnes, namentlich hinsichtlich der genauen Feststellung, 
bezwecken die Lohnbücher (& 114 a Gew O.). Für bestimmte Gewerbe kann nämlich der Bundes- 
rat Lohnbücher oder Arbeitszettel vorschreiben, in welche der Zeitpunkt der Übertragung von 
Arbeit, Art und Umfang der Arbeit, bei Akkordarbeit die Stückzahl, die Lohnsätze, die Be- 
dingungen für die Lieferungen von Werkzeugen und Stoffen zu den Arbeiten, der Zeitpunkt 
der Ablieferung sowie Art und Umfang der abgelieferten Arbeit, der Lohnbetrag unter Angabe 
der etwa vorgenommenen Abzüge und der Tag der Lohnzahlung vom Arbeitgeber oder seinem 
Bevollmächtigten einzutragen sind. Soweit der Bundesrat solche Bestimmungen nicht erläßt, 
kann die Landeszentralbehörde oder nach Gehör der Parteien des Arbeitsvertrags die zuständige 
Polizeibehörde sie erlassen. Für das Gebiet der gewerblichen Hausarbeit ist durch § 4 des Haus- 
arbeitsgesetzes vom 20. Dezember 1911 allgemein bestimmt, daß wer Arbeit für Hausarbeiter 
ausgibt, verpflichtet ist, denjenigen, welche die Arbeit entgegennehmen, auf seine Kosten Lohn- 
bücher oder Arbeitszettel auszuhändigen, welche Art und Umfang der Arbeit sowie die 
dafür festgesetzten Löhne oder Preise enthalten. Diese Bestimmungen zessieren nur da, wo 
der Bundesrat schon auf Grund von §& 114 a Lohnbücher oder Arbeitszettel vorgeschrieben 
hat, wie das in der Kleider- und Wäschekonfektion geschehen ist. 
1) Auflösung des Arbeitsvertrags und Streitigkeiten aus demselben. 
§ 27. Die Auflösung des Arbeitsvertrags steht jedem Teil jederzeit zu und kann aus 
verschiedenen Gründen erfolgen, so aus Gründen des Betriebes (Verlegung oder Schließung 
sowie Anderung der Produktionsweise); aus Gründen, die in der Person der einen oder andern 
Vertragspartei oder ihrer nächsten Angehörigen beruhen, sowie namentlich auch aus dem Grund 
der Erzwingung anderer Arbeitsbedingungen oder sonstiger Forderungen an den gegenüber- 
stehenden Vertragsteil. Für alle diese verschiedenen Tatbestände hat das Recht sich genügen 
lassen an den I§s 122 bis 124 a, 133 a ff. und 152 und 153 der GewO. Die bestehende Gesetz- 
gebung nennt unrechtmäßig jede sofortige Auflösung eines Arbeitsverhältnisses, sofern 
sie nicht bei den höheren Arbeitern oder Arbeitsverhältnissen mit längerer als 14 tägiger 
Kündigungsfrist aus wichtigem Grunde, bei andern Arbeitern nur aus den wenigen im Gesetz 
katalogisierten Tatbeständen erfolgt, während sie alle übrigen Auflösungen der Arbeitsverhält- 
nisse ohne Rücksicht auf die Dauer ihres Bestandes und vor allem ohne Rücksicht auf eine für 
die Gegenpartei oder auch für das Publikum herbeigeführte grobe Schädigung als recht- 
mäßig erachtet. 
Wird der Arbeitsvertrag aufgelöst, so hört für den Produktionsleiter die Ausnutzung der 
Arbeitskraft des Arbeiters auf, und für den Arbeiter die Möglichkeit, Gewinn (Arbeitslohn) 
zu erzielen. Das ist für beide ziemlich gleichgültig, solange es ihnen leicht möglich ist, gleichartige 
Arbeitsverträge mit anderen zu schließen. Auch die Allgemeinheit, der Staat oder die Rechts- 
ordnung haben keinerlei Interesse am Fortbestand oder an der Auflösung. 
Anders wird die Sache sofort, wenn der Produktionsleiter nicht imstande ist, Ersatz- 
verträge zu schließen. Findet er keine Arbeiter, so ist sein Betrieb gestört, oder zum Stillstand 
gezwungen. Handelt es sich also um einen Betrieb, dessen ungestörter Fortgang für die All- 
gemeinheit notwendig ist (Eisenbahnen, Elektrizitätswerke usw.), so kann die Allgemeinheit, 
das Staatswohl und die Staatssicherheit durch die Auflösung der Arbeitsverträge aufs schwerste 
gefährdet werden.
	        
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