Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Gewerberecht. 353 
Ganz ähnlich steht es auf seiten des Arbeiters. Wird der Arbeitsvertrag aufgelöst, gleich- 
gültig, ob vom Produktionsleiter oder vom Arbeiter selbst, so ist diese Tatsache für den Arbeiter 
wie für die Allgemeinheit recht gleichgültig, solange es dem Arbeiter ein Leichtes ist, einen 
anderen Arbeitsvertrag an Stelle des aufgelösten zu schließen. Ist das aber den Umständen 
nach untunlich, so verliert er den Lohn, also, wenn er unvermögend ist, die einzige Erwerbs- 
quelle. Er kann daher infolge der Auflösung des Arbeitsvertrages der Not ausgesetzt sein, und 
seine Familie mit ihm. Werden gar viele Arbeiter gleichzeitig veranlaßt, aus dem Arbeits- 
verhältnis auszutreten, so können sich die verderblichsten Folgen entwickeln, ganz gleichviel, 
ob die Verträge direkt, mit oder ohne Kündigung gelöst wurden; oder ob die Arbeiter 
oder Arbeitgeber nur den Fortbestand der Verträge von Bedingungen abhängig gemacht 
haben, die der andere Vertragsteil nicht zugestehen wollte oder konnte. 
Das Mißverhältnis der, namentlich bei massenweiser Auflösung von Arbeitsverhält- 
nissen von der einen oder andern Seite erreichten Erfolge zu den ungeheuren Schädigungen, 
die dem Volksganzen zugefügt werden können, beachtet die Gesetzgebung nicht. Hier klafft 
eine große Lücke. Aufgabe künftiger Rechtsbildung muß es sein, die willkürlichen Auf- 
lösungen der Arbeitsverhältnisse in diesen Fällen soweit als möglich einzuschränken. Und zwar 
kann dies durch weitere Ausdehnung des in §5 627 BGB. enthaltenen neuen gesetzgeberischen 
Gedankens erfolgen, wonach „unzeitige Kündigung“ den Dienstverpflichteten für allen 
Schaden haftbar macht, der daraus entsteht. Bisher hat das Recht weder danach gefragt, 
ob die Auflösung vom Standpunkt des Staates aus notwendig war, noch danach, ob sie 
sachlich gerechtfertigt war; es hat sich auf die rein formale Festsetzung beschränkt, daß die 
Auflösung in der Regel nicht unvermittelt geschehen darf, sondern dem andern Teil inner- 
halb bestimmter Frist im Voraus anzuzeigen ist (Kündigung). 
Die gesetzlichen Kündigungsfristen sind für das gewerbliche Arbeitsverhältnis 14 Tage, 
für Betriebsbeamte, Werkmeister und Techniker sowie für Handlungsgehilfen 6 Wochen vor 
Kalendewierteljahrsschluß. Im Wege der Vereinbarung können abweichende Kündigungs- 
fristen oder auch Kündigungsausschluß vereinbart werden; letzterenfalls endet das Dienst- 
verhältnis mit dem Ablauf des Tages, es sei denn, daß die Parteien des Arbeitsvertrages klar 
den Willen zum Auedruck gebracht haben, das Arbeitsverhältnis zu jeder Stunde zu lösen. 
Werden bestimmte Kündigungsfristen vereinbart, so müssen sie, wie die gesetzliche Kündigungs- 
frist, für beide Teile gleich sein. Bei Betriebsbeamten usw. und bei Handlungsgehilfen ist 
aber eine Mindestkündigungsfrist von einem Monat mit dem Zeitpunkt des Monatsschlusses 
verordnet. Die Frage der Kündigung scheidet natürlich aus, wenn das Arbeitsverhältnis 
auf feste Zeit abgeschlossen ist. 
Im übrigen hat die Gewerbeordnung für gewöhnliche Arbeiter eine genaue Aufzählung 
derjenigen Gründe aufgestellt, welche allein die Aufhebung des Dienstverhältnisses vor Ablauf 
der vertragsmäßigen Zeit und ohne Aufkündigung zulassen. Neben diesen Gründen können 
weitere Einzelgründe vereinbart werden, und zwar, wo Arbeitsordnungen vorgeschrieben sind, 
nur in diesen, sonst in Einzelverträgen, doch darf die Bestimmung der Arbeitsordnung oder 
die Vereinbarung nicht so ins unbestimmte gehen, daß der Willkür freies Spiel gelassen sein 
würde. Die Gründe des § 123 der GewO. für Entlassung von Arbeitern sind folgende: 
1. Wenn sie bei Abschluß des Arbeitsvertrags den Arbeitgeber durch Vorzeigung falscher 
oder verfälschter Arbeitsbücher oder Zeugnisse hintergangen oder ihn über das Bestehen eines 
anderen, sie gleichzeitig verpflichtenden Arbeitsverhältnisses in einen Irrtum versetzt haben. 
2. Wenn sie eines Diebstahls, einer Entwendung, einer Unterschlagung, eines Betruges 
oder eines liederlichen Lebenswandels sich schuldig machen. 
3. Wenn sie die Arbeit unbefugt verlassen haben oder sonst den, nach dem Arbeitsvertrag 
ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzukommen beharrlich verweigern. 
4. Wenn sie der Verwarnung ungeachtet mit Feuer und Licht unvorsichtig umgehen. 
5. Wenn sie sich Tätlichkeiten oder grobe Beleidigungen gegen den Arbeitgeber oder seine 
Vertreter oder gegen die Familienangehörigen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter zuschulden 
kommen lassen. 
6. Wenn sie einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Sachbeschädigung zum Nachteile des 
Arbeitgebers oder eines Mitarbeiters sich schuldig machen. 
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band IV. 23
	        
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