Gewerberecht. 355
9 Monaten nach der Auflösung in demselben Gewerbe von einem andern Arbeitgeber ohne
Zustimmung des früheren Lehrherrn nicht beschäftigt werden.
Legt der Arbeiter rechtswidrig, also ohne Verhandensein eines der angeführten Gründe
oder ohne Einhaltung der Kündigungsfrist die Arbeit nieder, so kann der Arbeitgeber als
Buße den Betrag des ortsüblichen Tageslohnes bis zu einer Woche fordern. Das gleiche
Recht steht dem vor rechtmäßiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses entlassenen Arbeiter
zu (§ 124b GO.); doch wird der letztere in der Regel den weitergehenden Anspruch aus
*615 BE verfolgen, wonach der mit Annahme der Dienste in Verzug befindlichen Dienst-
berechtigte für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu zahlen hat, ohne daß der
Dienstverpflichtete zur Nachleistung gezwungen ist.
Der zum Kontraktbruch verleitende Arbeitgeber ist dem früheren Arbeitgeber zum
Schadenersatz oder zum Ersatz der Buße des § 124b GO. verpflichtet; auch wer einen
Arbeiter in Kenntnis von dessen anderweiten Verpflichtung während der Dauer derselben
behält, ist mitverhaftet. (§ 125 GewO.)
Die gemeinsame Einstellung der Arbeit mit oder ohne Einhaltung der Kündigungsfrist
und ebenso die Entlassung der Arbeiter, also Streik und Aussperrung, sind meistens das Miittel
zur Erlangung günstiger Lohn= und Arbeitsbedingungen und gerade dadurch durchführbar,
daß es gegenüber früheren Rechtszuständen jetzt allen Gewerbetreibenden, Gehilfen, Gesellen
und Arbeitern unverboten ist, sich zur Erlangung günstiger Lohn= und Arbeitsbedingungen zu ver-
abreden und zu vereinigen (J 152 GewO.). Diese Unverbotenheit besteht in Preußen weder für die
landwirtschaftlichen Arbeiter und die Dienstboten, noch für die der GewO. nicht unterfallenden
Gewerbe, wie die Eisenbahnunternehmungen. Auf das Bergwesen ist die Koalitionsfreiheit erst
neuerdings durch § 154 a der GewO. ausgedehnt. Für jene nicht unter die Gruppe der
koalitionsfreien Arbeiter fallenden Hilfskräfte ist das Landesrecht maßgebend. Dieses kann
weitergehend sein als das Reichsrecht, welches die Unverbotenheit durch das Tatbestands-
merkmal „zur Erlangung günstiger Lohn= und Arbeitsbedingungen“ einschränkt, ist aber meisten-
teils gerade in der Beschränkung des Rechts zu Vereinigungen und Verabredungen
weiter gegangen, gibt also weniger Freiheit als das Reichsrecht. Die durch § 152 der GewO.
begründete Koalitionsfreiheit erstreckt sich im übrigen auf alle Gewerbetreibenden, Gehilfen,
Gesellen und Arbeiter, also auch Handlungsgehilfen, Apothekergehilfen, Heimarbeiter und Haus-
gewerbetreibende, nicht aber auf Lehrlinge, da diese mit Absicht im Gesetz nicht genannt sind.
Sie umfaßt alle zur Erlangung günstiger Lohn= und Arbeitsbedingungen getroffenen Verab-
redungen und Vereinigungen einerlei, ob die wirtschaftliche Besserung von den Koalierten für
sich oder andere erstrebt wird, und ob sie objektiv eine solche ist. Auch die Verteidigung seit-
heriger Arbeitsbedingungen gegen drohende Verschlechterungen kann das Ziel der Koalition
sein. Dagegen kann die bloße Festhaltung von vereinbarten Bestimmungen über den Inhalt
von Arbeitsverträgen, wie sie die Tarifgemeinschaften bezwecken, nicht zu den Koalitionen ge-
rechnet werden. Der Begriff „Lohn= und Arbeitsverhältnis“ ist ganz allgemein gefaßt, so daß
darunter nicht nur die Lohnfrage im weitesten Sinne, sondern Arbeitszeit, Kündigung, Arbeits-
nachweis, Arbeitsausschüsse, Wohlfahrtseinrichtungen, Wiedereinstellung Entlassener, Entlassung
Nichtorganisierter u. dgl. gehören. Zur Erlangung günstiger Lohn= und Arbeitsbedingungen
können alle Mittel angewendet werden, die nicht gegen das Strafgesetz verstoßen; im be-
sonderen Streik und Aussperrung; andere gleichfalls zulässige Mittel sind: Fernhaltung von
Zuzug, Boykott, Streikpostenstehen auf Arbeitnehmerseite, Ausschluß vom Arbeitsnachweis
und ähnliches von Arbeitgeberseite. Aber der Rücktritt von allen diesen Verabredungen und
Vereinigungen ist jederzeit frei. Der § 153 GO. enthält scharfe Strafandrohungen (Gefängnis-
strafe bis zu 3 Monaten) gegen den, der Andere durch Anwendung oder Versuch der An-
wendung körperlichen Zwangs, Drohungen, Ehwerletzung und Verrufserklärung zum Beitritt
zu zwingen oder am Rücktritt zu hindern sucht. Dabei ist aber daran festzuhalten, daß nach
der Entstehungsgeschichte dieser Sonderbestimmung die Anwendung dieser Mittel nur Berufs-
angehörigen gegenüber versagt ist, der Gegenpartei und Dritten gegenüber nur, soweit sie
sich an der Verabredung beteiligen sollen, nicht, soweit sie die günstigen Bedingungen ge-
währen sollen.
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