Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

374 Ernst Blume. 
Ausführung der Verordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ unter dem 25. Februar 1910 
erflossen ist (Ml. 62). Die Bundesratsverordnung zerfällt in neun Abschnitte: A. Allgemeine Vor- 
schriften. B. Das Kraftfahrzeug (Beschaffenheit und Ausrüstung, Antrag auf Zulassung eines Fahrzeugs 
und Zulassung zum Verkehr nebst Kennzeichnung). C. Der Führer des Kraftfahrzeugs (die Zu- 
lassung zum Führen, besondere Pflichten des Führers). D. Die Benutzung öffentlicher Wege und 
Plätze (die Wegepolizeibehörden haben die Befugnis, den Verkehr mit Kraftfahrzeugen auf be- 
stimmten Wegen, Plätzen oder Brücken zu verbieten oder zu beschränken; dagegen dürfen 
polizeiliche Geschwindigkeitsbeschränkungen unter 15 km in der Stunde nur für Wagen über 
5,5 Tonnen Gesamtgewicht und nur von der höheren Verwaltungsbehörde erlassen werden. Es 
werden aber Wettfahrten auf öffentlichen Wegen uff. untersagt und für Zuverlässigkeitsfahrten 
mit und ohne Geschwindigkeitsprüfungen besondere Bestimmungen getroffen). E. Das Mitführen 
von Anhängewagen. F. Untersagung des Betriebes. G. Ausnahmen. H. Verkehr über die Reichs- 
grenze und im Zollgrenzbezirke. I. Schluß- und Übergangsbestimmungen. — Der Abschnitt H 
ist ausgehoben und ersetzt durch das „Internationale Abkommen über den Verkehr mit Kraft- 
fahrzeugen vom 11. Oktober 1909“ (Röl. 1910 S. 603) und die dazu ergangene ausführende 
Verordnung des Bundesrats vom 21. April 1910 über den internationalen Verkehr mit Kraft- 
fahrzeugen (RBl. 640). 
Der zweite Abschnitt: Haftpflicht (I§ 7—20) enthält im wesentlichen folgende Vorschriften: 
Unbeschadet etwaiger reichsgesetzlicher Bestimmungen, die eine noch weitergehende Haftung für einen 
durch das Fahrzeug verursachten Schaden vorschreiben (§ 16), ist der Halter des Fahrzeuges ver- 
pflichtet, allen Schaden, den Personen oder Sachen durch seinen Betrieb erleiden, zu ersetzen. 
Ist das Fahrzeug von einem anderen wider Wissen und Willen in Betrieb gesetzt, so haftet dieser 
an Stelle des Halters. Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Er- 
eignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeuges noch 
auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis insbesondere 
dann, wenn es auf das Verhalten des Verletzten oder eines nicht beim Betriebe beschäftigten 
Dritten oder eines Tieres zurückzuführen ist, und sowohl der Halter als der Führer des Fahrzeuges 
jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt beobachtet haben (§& 7). Haftung tritt 
ferner nicht ein, wenn zur Zeit des Unfalls der Verletzte oder die beschädigte Sache durch das 
Kraftfahrzeug befördert wurde oder der Verletzte bei dem Betriebe tätig war, oder wenn der 
Unfall durch ein Fahrzeug verursacht wurde, das nur zur Beförderung von Lasten dient und auf 
ebener Bahn keine größere Geschwindigkeit als 20 km in der Stunde erreichen kann (5 8). Bei 
mitwirkendem Verschulden finden die Vorschriften des § 254 BGB. Anwendung (§5 9). Die 
Schadensersatzpflicht bei Tötung oder Verletzung oder Sachbeschädigung ist in den 88 10—13 
geregelt. Die Haftung mehrerer an einem Unfall beteiligter Kraftfahrzeughalter richtet sich nach 
& 17, die des Führers neben dem Halter nach § 18. 7 20 begründet das forum delicti commissi, 
den Gerichtstand des schädigenden Ereignisses neben dem persönlichen Gerichtsstande. Gegen- 
über der Haftung der Eisenbahnen liegen also Einschränkungen einmal nach der Richtung hin vor, 
daß nicht nur bei höherer Gewalt, sondern auch bei allen auf unabwendbare Ereignisse zurück- 
zuführenden Unfällen nicht gehaftet wird, dann daß Tötungen und Schäden der beförderten Per- 
sonen, ebenso wie Schäden der beförderten Sachen ausscheiden. Die darauf begründeten Schadens- 
ersatzforderungen entscheiden sich nach allgemeinem bürgerlichen Recht, wie denn überhaupt § 16 
alle reichsgesetzlichen Vorschriften aufrecht erhält, nach welchen der Fahrzeughalter in weiterem 
Umfange haftet oder ein anderer für den Schaden verantwortlich ist. Endlich darf (§ 12) die Ent- 
schädigung bestimmte Höchstsummen nicht übersteigen. Die Verjährungsfrist beträgt zwei Jahre 
(5+ 14); jedoch muß der Ersatzberechtitge dem Ersatzpflichtigen spätestens innerhalb zweier Monate 
(5F 15), nachdem er von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, 
den Unfall anzeigen. 
Die Strafvorschriften des dritten Abschnitts (§§ 21—25) stellen besondere Tatbestände auf. 
So wird mit Strafe die Zuwiderhandlung gegen die zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit 
auf den öffentlichen Wegen oder Plätzen erlassenen polizeilichen Anordnungen bedroht (§ 21). 
Ferner ist es strafbar, wenn jemand als Führer eines Kraftfahrzeuges es unternimmt, sich nach einem 
Unfalle der Feststellung des Fahrzeuges und seiner Person durch die Flucht zu entziehen, oder wer 
als Führer eine bei dem Unfalle verletzte Person vorsätzlich in hilfloser Lage verläßt (§ 22). 
Endlich sind mit besonderen Strafen belegt die Verstöße gegen die Kontrollvorschriften des Gesetzes 
selbst (§& 23—25). 
Besondere ministerielle und polizeiliche Anordnungen sind für den Verkehr mit Dampf- 
pflügen auf öffentlichen Wegen ergangen. Diese dürfen gewöhnlich nur mit besonderer Er- 
laubnis der Polizeibehörde und in der Regel erst dann die öffentlichen Wege benutzen, wenn 
der Unternehmer sich zum Ersatz des etwaigen Schadens verpflichtet. Sie fallen, was die Haft- 
pflicht anbetrifft, unter das Kraftfahrzeuggesetz (§§ 7 ff.), nicht aber unter dessen Strafvorschriften, 
wie sich aus § 2 der Bundesratsverordnung vom 3. Februar 1910 über den Verkehr mit Kraft- 
fahrzeugen ergibt. Das gleiche gilt für die sogenannten Straßenlokomotiven. 
Auch die auf § 37 der Gewerbeordnung begründeten ortspolizeilichen Anordnungen ver-
	        
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