Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

36 G. Anschütz. 
stimmenden Mächte das Recht hätten herleiten können, Abänderungen der Bundesverträge 
von ihrer Genehmigung abhängig zu machen.) Durch die Unterzeichnung und Ratifikation 
der Bundesakte (B. A.) ist der Deutsche Bund gegründet worden. Er begann seine fünfzigjährige 
Tätigkeit mit der Eröffnung des Bundestages zu Frankfurt a. M. im November Zur 
Ergänzung der sehr fragmentarischen B. A. und zum Zwecke des notwendigsten Ausbaues der 
Bundeseinrichtungen erging am 15. Mai 1820 die „Schlußakte der Wiener Ministerialkonferenzen“ 
(„Wiener Schlußakte", S.A.) ein der B.A. im Rechtscharakter ganz gleiches völkerrechtliches 
Vertragsinstrument, durch Bundesbeschluß vom 8. Juni 1820 zum „zweiten Grundgesetz“ des 
Bundes erklärt. 
II. Gebiet und Mitgliederbestand. — Das Bundesgebiet war das Gebiet des alten 
Reiches in seinem engeren, auf Deutschland beschränkten Sinne (also ohne seine einstigen Neben- 
länder, insbesondere ohne Italien, welches von Deutschland völlig getrennt und zu einem Kom- 
plex souveräner Staaten erklärt worden war) und mit der Westgrenze von 1790 (so der zweite 
Pariser Friede vom 20. November 1815, während der erste sich mit der deutsch-französischen 
Grenze von 1792 begnügt hatte). Mitglieder des Deutschen Bundes waren die „souveränen 
Fürsten und Freien Städte Deutschlands“ (B.A. Art. 1). Von souveränen Fürsten und ihren 
Staaten hatte das Zeitalter der Kriege, Mediatisierungen und Sakularisationen übrig ge- 
lassen 35 (OÖsterreich, Preußen, Sachsen. Bayem, Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, 
Großherzogtum Hessen, Hessen--Homburg, Holstein, Luxemburg, Braunschweig, Mecklenburg- 
Schwerin und Strelitz, Nassau, Sachsen-Weimar, S.-Gotha, S.-Koburg, S.-Meiningen, 
S.-Hildburghausen, Oldenburg, drei anhaltische, zwei schwarzburgische, zwei reußische Staaten, 
zwei Hohenzollern, Liechtenstein, Waldeck, Schaumburg-Lippe und Lippe), an Freien Städten 
gab es zur Zeit der Bundesgründung noch vier: die drei Hansestädte Lübeck, Bremen, Hamburg 
und das als Freic Stadt wiederum restaurierte Frankfurt a. M., der Sitz der Bundesversamm- 
lung. Osterreich und Preußen gehörten zum Bunde nur mit ihren ehemals reichsangehörigen. 
Gebietsteilen (Osterreich ohne Ungarn, Preußen ohne seine Provinzen Preußen und Posen). 
Als Herrscher von Luxemburg und Limburg, Holstein und Lauerburg waren nichtdeutsche 
Monarchen, die Könige der Niederlande und von Dänemark Bundesmitglieder. 
Die Grenzen des Bundesgebietes und der Bundesstaaten wurden durch den Wiener 
Kongreß und abschließend durch den Frankfurter Territorialrezeß vom 20. Juli 1819 festgesetzt. 
Der ursprünglich 39 Staaten umfassende Mitgliederbestand des Bundes verminderte sich infolge 
Aussterbens von Dynastien und die dadurch bewirkte staatsrechtliche Vereinigung mehrerer Länder 
(s. das Nähere bei Meyer-Anschütz S. 110) sowie durch vertragsmäßige Inkorporation 
der hohenzollernschen Fürstentümer in Preußen (Staatsvertrag v. 7. Dez. 1849) im Laufe der 
Zeit auf 33. 
III. Zweck und rechtliche Natur des Bundes. — Als Bundeszweck proklamieren B. A. 
Art. 2 und S. A. Art. 1 die „Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlonds und 
der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten.“ Unter der äußeren 
Sicherheit verstand man die allerseits allen gewährleistete völkerrechtliche Garantie der Gebiets- 
integrität gegen das Ausland (B.A. Art. 11, Abs. 1, S. A. Art. 36), zur Wahrnehmung dieser 
Aufgabe legte der Bund sich „als Gesamtmacht“ das Recht zur Führung von Verteidigungs- 
kriegen bei (S.A. Art. 35), erklärte er mehrere deutsche Festungen für „Bundesfestungen“ 
(Mainz, Landau, Ulm, Rastatt, Luxemburg) und entwickelte er eine sog. Bundeskriegsverfassung, 
derzufolge für etwaige Bundeskriege die einzelnen Staaten festbestimmte Kontingente zu stellen 
hatten, — Heereseinrichtungen, welche praktisch ganz unzulänglich und unbrauchbar waren 
wegen der niedrigen Kontingentsziffern, sowie infolge des völligen Mangels einer einheitlichen 
Organisation und eines auch in Friedenszeiten wirksamen Oberbefehls. Bei der „Erhaltung 
der inneren Sicherheit“ dachte man einerseits an die Veryütung und Beilegung von Streitig- 
keiten der deutschen Staaten untereinander (Verbot der kriegerischen und sonstigen gewalt- 
samen Selbsthilfe, Ordnung eines schiedsrichterlichen Austrägalverfahrens, B.A. Art. 11, Abs. 4, 
S.A. Art. 21—24), andererseits an den Schutz der inneren Staatsordnung der Bundesglieder 
gegen revolutionäre Bewegungen. Letzteres, praktisch immer sehr stark betonte Stück des 
Bundeswirkungskreises (S.A. Art. 25 ff.) prägte dem Deutschen Bunde im wesentlichen seinen
	        
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