Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Recht des deutschen Verkehrswesens (Verkehrsrecht). 397 
angegebenen Bedingungen Verlängerungen durch sogenannte Zuschlagsfristen erfahren können 
(EVO. 8 75 [3] [4] Ausf.«Best. I; JU. Art. 14 [2] und Ausf.-Best. 86 [3] [4] [11). Die Lieferfrist 
beginnt im deutschen Verkehr 12 Uhr mittags bei vormittags, Mitternacht bei nachmittags auf- 
gelieferten Güter, im internationalen Verkehr Mitternacht nach der Auflieferung (EmVO. 58 75 (5]; 
J. Art. 14 Ausf.-Best. § 6 l5), sie ist gewahrt, wenn vor ihrem Ablauf das Gut dem Emp- 
fänger zugeführt oder avisiert ist (E#O. § 75 15] Satz 2 u. 3; JUl. Art. 14 Ausf.-Best. 86/5l (6), 
sie ruht, wenn die Fortsetzung des Transports ohne Zutun der Eisenbahn unterbrochen ist 
(EVO. 3 75 (71—19s; Ju. Art. 14 Ausf.-Best. 8§ 6 (I71|—I11)). Von Beförderungshindernissen 
hat die Eisenbahn im internationalen Verkehr den Absender um anderweite Verfügung zu er- 
suchen (Ju. Art. 18), im deutschen Verkehr nur, wenn die Beförderung sich auch auf einem 
Hilfswege mit der Eisenbahn nicht ermöglichen läßt (EuO. §. 74). 
10. Die Ablieferung muß unversehrt erfolgen. Bemerkt die Eisenbahn Minderung 
oder Beschädigung des Gutes, so hat sie den Tatbestand unverzüglich festzustellen (EVO. § 82; 
J. Art. 25). 
11. Die Haftung der Eisenbahn aus dem Frachtvertrage regelt sich namentlich nach zwei 
Gesichtspunkten. Sie ist einmal eine allgemeine vertragliche Haftung nach bürgerlichem Recht 
und Handelsrecht, und nach ihr haftet die Eisenbahn für die Sorgfalt eines ordentlichen Kauf- 
manns, d. h. für jedes Verschulden ihrer Leute. Man denke etwa an die Fälle, wo ausdrück- 
lich gesagt ist, daß sie die Stellung eines Kommissionärs oder eines Verwahrers einnimmt 
(bei der Verzollung und bei Säumigkeit des Absenders in Erteilung der bei Ablieferungs- 
hindernis erbetenen nachträglichen Anweisung) und dann für allen Schaden haftet 
(BG. § 252). 
Zweitens aber trifft sie eine besonders strenge Haftung, nämlich soweit die eigentliche, 
ordnungsgemäße Erfüllung des Frachtvertrages als solchen, unversehrte und rechtzeitige Ab- 
lieferung von Gut nebst Frachtbrief an den Empfänger in Frage kommt. An sich würde sie 
auch hier nur bei ihr nachgewiesenem Verschulden haften. Da es aber praktisch kaum möglich 
wäre, diesen Nachweis zu führen, weil weder Absender noch Versender wissen können, was 
unterwegs mit dem Gute geschehen, andererseits ihr faktisches Beförderungsmonopol die Ver- 
kehrsinteressenten zwingt, sich der Eisenbahn als billigsten und schnellsten Frachtführers zu be- 
dienen, so hat das Gesetz die Haftung von dem Nachweis eines Verschuldens unabhängig gemacht. 
) Haftung für unversehrte Ablieferung, d. h. für Verlust, Minderung oder Be- 
schädigung: Die Eisenbahn haftet für den durch Verlust, Minderung oder Beschädigung des 
Gutes zwischen Annahme und Ablieferung entstandenen Schaden (EO. § 84; HGB. F 456; 
J. Art. 30) ohne Rücksicht darauf, ob sie ein Verschulden trifft oder nicht, bis zur höheren 
Gewalt, d. h. auch für Zufall. Sie haftet nicht, wenn sie beweist, daß der Schaden durch Ver- 
schulden der Verfügungsberechtigten oder eine von der Eisenbahn nicht verschuldete Anweisung 
desselben, durch natürliche Beschaffenheit des Gutes, durch höhere Gewalt (EVO. § 84; HGB. 
8 456; JuU. Art. 30) oder äußerlich nicht erkennbare Mängel der Verpackung (Eu#O. 84; 
HGB. 4560) entstanden ist, oder es sich um vorschriftswidrig aufgegebenes Gut handelt 
(E#O. § 96; HGB. F 467; Ju. Art. 43). 
Diese strenge Haftung ist doppelt eingeschränkt: dem Umfang nach, sie umfaßt nicht den 
Ersatz des entstandenen Schadens, sondern nur den des Handels= oder gemeinen Werts am 
Versandort zur Zeit der Annahme (E#O. § 88; HGB. 8 457; JU. Art. 34), bei Beschädigung 
siehe EVO. § 88 /2); HGB. F 457 Abs. II; Ju. Art. 37; Ausnahme bei Interessedeklaration. 
(CEVO. §#§ 92, 93; HGB. F 463; Jl. Art. 38) und bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit der 
Eisenbahn (EVO. 5 95; HGB. §8§ 457, 461; Ju. Art. 41). Dem Grunde nach, wenn der 
Schaden die Folge einer besonders charakteristischen Gefährdung ist, die während der Be- 
förderung einzutreten pflegt (CVO. § 86; HGB. F 459; Jl. Art. 31), oder es sich um Gewichts- 
verluste in gewissen Grenzen bei gewissen Gütern handelt (EO. § 87; HG. F 460; JüU. 
Art. 32). 
#) Haftung für rechtzeitige Ablieferung: Für Schaden, von dem der Eisenbahn 
nachgewiesen wird, daß er durch Lieferfristüberschreitung entstanden ist, haftet sie ohne Rück- 
sicht darauf, ob sie ein Verschulden trifft, es sei denn, daß sie nachweist, daß die Überschreitung
	        
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