Recht des deutschen Verkehrswesens (Verkehrsrecht). 401
8 23. Gemeinsames.
1. Verwaltung. Das Post= und Telegraphenwesen ist durch Art. 48 Abs. 1 der
Verfassung des Deutschen Reiches der Verwaltung der einzelnen Bundesstaaten entzogen
und der unmittelbaren Verwaltung des Reiches unterstellt. „Das Postwesen und das Tele-
graphenwesen werden für das gesamte Gebiet des Deutschen Reiches als einheitliche Staats-
verkehrsanstalten verwaltet“ (RVerf. Art. 48 Abs. 1). Eine gewisse Sonderstellung haben
Bayern und Württemberg behalten, insofern sie besondere Postverwaltungen für ihre eigene
Rechnung eingerichtet haben und keinen Anteil an den in die Reichskasse fließenden Einnahmen
des Post-- und Telegraphenwesens nehmen (Art. 49 u. 52 Abs. 4).
2. Gesetzgebung. Dem Reiche ausschließlich steht die Gesetzgebung über
die Vorrechte der Post und Telegraphie, über die rechtlichen Verhältnisse beider Anstalten zum
Publikum, über die Portofreiheiten und das Posttaxwesen, jedoch ausschließlich der reglemen-
tarischen und Tarifbestimmungen für den internen Verkehr innerhalb Bayerns und Württem-
bergs, sowie unter gleicher Beschränkung die Feststellung der Gebühren für die telegraphische
Korrespondenz zu (Art. 52 Abs. 2).
3. Verkehr mit dem Ausland. Ebenso ist die Regelung des Post= und Tele-
graphenverkehrs mit dem Auslande, ausgenommen den eigenen, unmittelbaren Verkehr
Bayerns und Württembergs mit seinen dem Reiche nicht angehörenden Nachbarstaaten, Sache
des Reichs (Art. 52 Abs. 3). An diesen Sonderrechten hat sich auch für Württemberg nichts
durch die Einführung der Einheitsmarke („Deutsches Reich“ statt „Reichspost") geändert.
4. Anstellung der Beamten. Die oberen Verwaltungs- und die Aufsichtsbeamten
der Post und Telegraphie werden — außer für Bayern und Württemberg — vom Kaiser
angestellt, davon aber den Landesregierungen rechtzeitig Mitteilung gemacht, dagegen werden
alle anderen Beamten der Post und Telegraphie von den betreffenden Landesregierungen
angestellt (Art. 50). Sämtliche Beamte sind verpflichtet, den kaiserlichen Anordnungen Folge
zu leisten (Diensteid). .
5. Organisation (allgemeine Dienstanweisung für Post und Telegraphie in zwölf
Abschnitten, Berlin 1908, Reichsdruckerei). Durch Verordnung betreffend die Verwaltung
des Post- und Telegraphenwesens vom 22. Dez. 1875 (RG#l. 379) ist die früher zum Reichs-
kanzleramt gehörende Verwaltung von diesem getrennt und unter Verantwortlichkeit des
Reichskanzlers einer besonderen Zentralbehörde übertragen (Generalpostmeister), die seit dem
Allerh. Erlaß vom 23. Febr. 1880 (RGBl. 25) unter der Leitung eines Staatssekretärs steht
und die Bezeichnung „Reichspostamt“ führt. Sie zerfällt in vier Abteilungen: I. Post-, II. Tele-
graphen-, III. allgemeine Angelegenheiten, IV. Personal-, Etats-, Kassen- und Rechnungs-
wesen unter einem Unterstaatssekretär und drei Direktoren. (Organ für Verfügungen, Be-
scheide usw.: Amtsblatt des Reichs-Postamts. Bis 1875 für die Post= und Telegraphen-
Verwaltung je besonders.)
In den einzelnen Bezirken bestehen für die Verwaltung des Post= und Telegraphenwesens
Oberpostdirektionen mit Oberpostdirektoren an der Spitze. Außer ihnen sind dem Reichspost-
amt unmittelbar untergeordnet die Postversicherungskommission, die Generalpostkasse, das
Postzeitungsamt, das Postanweisungsamt, das Telegraphenversuchsamt, die Telegraphen-
apparatwerkstatt — sämtlich in Berlin —, die deutsche Postdirektion in Schanghai, sowie —
einzelne Abrechnungsgeschäfte abgerechnet — sämtliche Post- und Telegraphenanstalten in
den deutschen Schutzgebieten und die deutschen Post- und Telegraphenanstalten im Auslande.
Die Oberpostdirektionen führen alle das Post= und Telegraphenwesen angehenden Gesetze
und Anordnungen aus, wahren die Post= und Telegraphengerechtsame, vertreten den Reichs-
fiskus bei allen Gelegenheiten der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit (den Beistand in
Rechtssachen leistet bei jeder Oberpostdirektion Emit Ausnahme von Berlin, wo dazu ein juristisch
vorgebildeter Postrat angestellt ist) ein vom Reichspostamt bezeichneter Rechtsverständiger des
Orts im Nebenamte), überwachen den Dienstbetrieb und die richtige Anwendung der Dienst-
Preußen siehe Witte, Ordnung der Rechts= und Dienstverhältnisse der Beamten und Arbeiter
im Bereiche der preußischen Staatseisenbahnverwaltung (für den Dienstgebrauch) 1903—1905.
Enzyklopädie der Nechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band IV. 26