Abgabenrecht. 437
indem sie insbesondere sich an den Schuldner statt an den Gläubiger richten, an die Verwendung
statt an den Besitz der Vermögenswerte oder nur an deren Vorhandensein ohne Rüchsicht darauf,
ob und inwieweit sie wirtschaftlich Reinvermögen des Steuerpflichtigen bilden, anknüpfen.
Einen geraderen Weg, den geradesten, der ohne Kollision mit den Einkommen- und Vermögens-
steuerm der Einzelstaaten gangbar ist, geht die Erbschaftssteuer:, deren Gegenstand
der — im Gesetz umgrenzte — Erwerb von Todes wegen und durch Schenkung unter Lebend en
nach dem Betrage, um den der Erwerber bereichert wird, bildet. Indem sie aber die Anfälle
an Abkömmlinge und Ehegatten freiläßt, bleibt die Hauptmasse der Erbanfälle und Schenkungen
und damit der Vermögen unbesteuert. Weitere Befreiungen genießen in beschränktem Umfang
Anfälle an andere nähere Verwandte und Verschwägerte und an Personen, die im Dienst= und
Arbeitsverhältnis zu dem Zuwendenden standen, ferner alle Anfälle von nicht mehr als 500 Mk.
und an den Landesfürsten und die Landesfürstin, Ermäßigungen insbesondere solche an Kirchen,
Stiftungen und zu wohltätigen und gemeinnützigen Zwecken, und endlich treten, soweit der Anfall
in land= oder forstwirtschaftlichen Grundstücken besteht, Begünstigungen insofern ein, als er
nicht, wie sonstige Anfälle, nach dem gemeinen, sondern nach dem durch Kapitalisierung zu
4 Prozent, also mit 25, gefundenen Ertragswert zu versteuern ist, ein Viertel hiervon aber noch
steuerfrei bleibt und überdies bei wiederholten Vererbungen innerhalb bestimmter kürzerer
Zeiträume an Eltern, Geschwister und Geschwisterkinder die Steuer ganz oder teilweise un-
erhoben bleibt. Die Steuer besteht in einem einmal mit der Entfernung des Verwandtschafts-
grades und sodann mit dem Werte des Erwerbes steigenden Prozentsatze desselben, und zwar
geht die Progression nach dem Verwandtschaftsgrade von 4 bis auf 10 — bei Anfällen an Per-
sonen, die ferner wie Geschwister der Eltern und Verschwägerte im zweiten Grade der Seiten-
linie stehen — vom Hundert und die Steigerung nach dem Werte des Anfalls bis auf das zwei-
einhalbfache jener Prozentsätze, bei Werten von mehr als 1.000 000 Mark.
, § 4. Das formelle Reichssteuerrecht. Einzelvorgänge im Wirtschafts- und Rechtsverkehr
entziehen sich der äußern Wahrnehmung weit leichter als das Vorhandensein von Einzelwirt-
schaften und deren Entwicklung im Laufe einer Zeitperiode. Steuern, welche, wie die Reichs-
steuern, an solche Einzelvorgänge anknüpfen, bedürfen daher eines umfassenderen Kontroll-
apparats als die das Gesamtergebnis einer Wirtschaftsperiode erfassenden Einkommen-, Ertrags-
und Vermögenssteuern. Andererseits erfordert es neben andern Rücksichten das heute so viel-
gestaltige, schnell pulsierende Wirtschaftsleben, daß es so wenig wie irgend möglich durch diesen
Kontrollapparat gestört wird. Der Umstand, daß bei den Zöllen und Verbrauchs-, zum Teil
auch bei den Verkehrssteuern der Steuerzahler nach der Absicht des Gesetzgebers nicht auch der
endgültige Steuerträger sein, er vielmehr die Steuer abwälzen soll, läßt es geboten erscheinen,
den Zeitraum zwischen der Steuerzahlung und der Möglichkeit der Überwälzung, für den also
der Steuerzahler die Steuer vorzulegen hat, möglichst abzukürzen, und Zeitpunkt und Modalitäten
der Steuerzahlung müssen auf die verschiedene Liquidität der Vermögenswerte, aus denen
sie zu leisten ist, Rücksicht nehmen. So sind die reichsgesetzlichen Vorschriften über das formelle
Steuerrecht zu, bei den einzelnen Steuern natürlich sehr verschiedenartigen, äußerst komplizierten
Gebilden gestaltet, in denen sich zurechtzufinden für den Nichttechniker nicht leicht ist, und von
denen hier nur die alleräußersten Grundrisse erwähnt werden können.
Der Sicherung der Verzollungs der eingeführten Waren dienen insbesondere die
regelmäßige Beschränkung der Einfuhr auf bestimmte Wege, die „Zollstraßen“, und auf die Tages-
zeit, die Bewachung der Zollgrenzen, besondere Verkehrsbeschränkungen und erweiterte Befug-
nisse der Zollschutzbeamten in dem sog. Grenz= oder Grenzzollbezirk, d. i. einem, in der Regel
höchstens 15 Kilometer breiten, zwischen der Zoll- und sog. „Binnenlinie“ liegenden Streifen
des Zollgebiets, sowie die Verpflichtung des Warenführers, die eingeführten Waren dem
Grenzzollamt zuzuführen und zu deklarieren. Die Verzollung erfolgt nicht immer bei
dem Grenzzollamt, sondern kann unter Kontrolle durch Begleitschein unter Zollverschluß
1 Gesetz vom 3. Juni 1906 (Roöl. S. 654).
2 Das formelle Zollrecht ist insbesondere in dem Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869 (BGBl.
S. 313) enthalten.