Abgabenrecht. 443
„Ergänzungssteuer“ 1 geschafft. Diesem Vorgang sind, abgesehen von kleineren Bundesstaaten,
am vollkommensten Sachsen und Hessen gefolgt, Baden mit der Maßgabe, daß es an Stelle
einer allgemeinen Vermögenssteuer seine Ertragssteuern zu partiellen Vermögenssteuern für
die einzelne Vermögensarten umbildete#. Württemberg hat zwar ebenfalls als Hauptsteuer
eine allgemeine Einkommensteuer eingeführt, zur Vorbelastung des Vermögens= gegenüber dem
Arbeitseinkommen aber statt einer Vermögenssteuer den Weg der Beibehaltung von — er-
mäßigten — Grund-, Gebäude-, Gewerbe= und Kapitalrentensteuern gewählt. Ahnlich ist man,
später als dort, in Bayern vorgegangens.
Der Einkommensteuer unterliegen in Preußen grundsätzlich physische Personen,
Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Berggewerkschaften, Gesellschaften
mit beschränkter Haftung, diese mit gewissen Ausnahmen (insbesondere für solche mit gemein-
nützigem Charakter), eingetragene Genossenschaften, deren Geschäftsbetrieb über den Kreis
ihrer Mitglieder hinausgeht, und Vereine zum gemeinsamen Einkaufe von Lebens= oder
hauswirtschaftlichen Bedürfnissen im großen und Ablaß im kleinen, auch wenn der Geschäfts-
betrieb nicht über den Kreis der Mitglieder hinausgeht. Ganz ähnlich abgegrenzt ist — ab-
gesehen von derjenigen der letzterwähnten Vereine — die subjektive Steuerpflicht in Baden
und Hessen, während sie sich in Bayern, Sachsen und Württemberg auch auf andere
juristische Personen als Gesellschaften und Vereine erstreckt, wie Korporationen und Anstalten
des öffentlichen Rechts und Stiftungen. Den Gegenstand der Besteuerung bildet das quellen-
mäßige, d. h. aus den dauernden Quellen der Gütererzeugung, nämlich Grundvermögen
Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen, Rechten auf periodische Hebungen und gewinnbringender
Beschäftigung, fließende Einkommen im Gegensatz zu den außerordentlichen, Vermögenszuwachs
darstellenden Einnahmen; jedoch wird in Preußen eine Ausnahme von dieser Regel zuungunsten.
des Gewinnes aus Spekulationsgeschäften gemacht, der der Steuer unterliegt, auch wenn es sich
um eine bloße Gelegenheits-, nicht gewerbsmäßige Spekulation und daher um Vermehrung des
Stammvermögens handelt; dasselbe gilt in Württemberg bei gewohnheitsmäßiger Spekulation.
Eine Schranke findet das Steuerrecht der Einzelstaaten in subjektiver wie objektiver Beziehung
in dem Reichsdoppelsteuergesetz vom 22. März 1909 4. Nach diesem darf ein Deutscher
nur in seinem Wohnsitzstaat, wenn er aber einen Wohnsitz in Deutschland nicht hat, nur, wo
er sich aufhält, andererseits bei Wohnsitz in mehreren Bundesstaaten, von denen einer sein Heimats-
staat ist, nur in diesem zu den direkten Staatssteuern herangezogen werden. Jedoch unterliegen
Grundbesitz und Gewerbebetrieb und das Einkommen hieraus der Besteuerung nur durch den
Belegenheits= oder Betriebsstaat. Dagegen ist das Einkommen aus außerdeutschem Grundbesitz
und Gewerbebetrieb, wenigstens in der Hand von Inländern, in Preußen und Hessen grund-
sätzlich steuerpflichtig, in Bayern, „soweit es zur Bestreitung des Aufwandes nach Bayem be-
zogen“ wird. Befreiungen bestehen insbesondere für das landesherrliche Haus, die diplomati-
schen Vertreter, ferner, wo sich die Steuerpflicht im übrigen auch auf andere juristische Personen
als Gesellschaften und Vereine erstreckt, für Reich, Staat, Gemeinden, kirchliche, Schul= und sonstige
gemeinnützige und wohltätige Verbände, Anstalten und Stiftungen in nach den einzelnen Ge-
setzen verschiedenem Umfange, auf Grund des Reichsmilitärgesetzes und anderer Reichsgesetze
für das Militäreinkommen der Unteroffiziere und Gemeinen und bei mobilen Truppenteilen
(bzw. Marineteilen) auch der Offiziere sowie für gewisse Invalidenbezüge. Für einzelne Ein-
kommensteile tritt ferner mit Rücksicht auf ihre Verwendung eine Befreiung in der Weise ein,
1 Ergänzungssteuergesetz vom 14. Juli 1893 (GS. S. 134), jetzt in der Fassung des Ge-
setzes vom 19. Juni 1906 (a. a. O. S. 294), in Einzelheiten geändert durch Gesetz vom 26. Mai
1909 (a. a. O. S. 349).
2 « : Ei . Jun 1900
Gesetgebung: Sachsen: Einkommensteuergesetz vom 15. Juni 19084,
gesetz vom Sin 1|3 Hessen: Einkommen- und Ergänzungssteuergesetze vom 12. August 1899;
Baden: Einkommensteuergesetz vom 20. Juni 1884 mit Novellen vom 6. Mai 1892, 26. Juni
1894, 9. August 1900 und 22. Mai 1910, Vermögenssteuergesetze vom 28. September 1906 und
27. Mai 1910.
Gesetzgebung: Württemberg: Gesetze vom 8. August 1903:; Bayern: Gesetze
vom 14. August 1910.
* REBl. S. 332.
Ergänzungssteuer-