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daß zu ihren Gunsten Ausnahmen von der Regel, daß vom Rohertrage der einzelnen Quellen
nur die Werbungskosten und von dem durch die Reinerträge der Quellen dargestellten Roh-
einkommen keine Verwendungen zur Verbesserung der Vermögenslage abgezogen werden dürfen,
gemacht, solche Verwendungen also hinsichtlich der Abzugsfähigkeit wie Werbungskosten oder Er-
füllung laufender und daher das Einkommen belastender Passioverpflichtungen behandelt werden.
In Preußen geschieht dies durch Behandlung als Werbungskosten hinsichtlich der der Melioration
dienenden Beiträge an Ent- und Bewässerungsverbände und zum gesetzlich geregelten Hoch-
wasserschutz an einzelnen Flüssen, durch Abzug vom Gesamttlroh-heinkommen bezüglich öffentlich-
rechtlicher Kirchenpatronatslasten, der Prämien für Lebens- und ähnliche Versicherungen
und der auf rechtlicher Verpflichtung beruhenden Abtragungen auf grundbuchlich eingetragene
Schulden; jene Prämien sind bis 600 Mk., diese Tilgungsquoten bis 1 v. H. des Kapitals und
600 Mk. abzugsfähig. Auch Bayern und Hessen gestehen einen Abzug von Prämien jener Art bis
zu 400 Mk., Bayern für Lebensversicherungen nur bei Einkommen bis zu 10000 Mk., zu, nicht
aber tun es die andern größern Bundesstaaten. Einen Abzug von Schuldentilgungsquoten
kennt nur noch Sachsen, aber nur, soweit es sich um in den Schuldenzinsen enthaltene „plan-
mäßig über mehr als 30 Jahre sich erstreckende Amortisationsraten“ handelt. Bei den steuer-
pflichtigen Erwerbsgesellschaften wird mit Rücksicht darauf, daß die an die Mitglieder ver-
teilten Überschüsse zum steuerpflichtigen Einkommen sowohl der Gesellschaft wie des Mitgliedes
gehören, ein gewisser Prozentsatz des Grundkapitals, in Preußen 3½ Prozent, anderwärts
meist etwas weniger, von den steuerpflichtigen Überschüssen als steuerfrei in Abzug gebracht.
Nur Hessen unter den größeren Bundesstaaten hat statt dessen den Weg der Freilassung der Divi-
dende beim Gesellschafter gewählt. Anlich verfährt Preußen bei der Gesellschaft mit be-
schränkter Haftung, indem es zwar den Gewinnanteil an einer solchen als Einkommen des
Gesellschafters mit veranlagt, aber den darauf entfallenden Teil der Einkommensteuer des
Gesellschafters außer Hebung setzt. Maßgebend ist in Preußen das Einkommen des letzten
Jahres, bei ordnungsmäßiger Buchführung für Handel und Gewerbe und Landwirtschaft und
stets für nichtphysische Personen sein Durchschnitt aus den letzten 3 Jahren. Die übrigen
größeren Bundesstaaten haben an dem früher auch in Preußen bestehenden System der
Besteuerung feststehender Einkünfte nach dem zugesicherten Betrage festgehalten, während sie
schwankende nach dem letzten Jahresergebnis in Anschlag bringen. überall in den größeren
Bundesstaaten ist die Steuer progressiv oder, richtiger gesagt, degressiv gestaltet, d. h. der
Prozentsatz, den die Steuer vom Einkommen ausmacht, wächst bis zu einer gewissen Höhe des
letztern; der Maximalsatz tritt meist bei etwa 100000 Mk. ein und beträgt in Preußen, seitdem
vom Staate von 5 bis 25 v. H. steigende Zuschläge erhoben werden 1, etwa 5 Prozent; für Gesell-
schaften m. b. H. besteht in Preußen, mit Rücksicht auf ihre obenerwähnte besondere Behandlung,
ein etwas höherer Tarif. Doch bilden in den Staaten, die, wie Bayern, Sachsen, Württem-
berg, Baden und Hessen, eine Quotisierung der Steuern haben, die tarifmäßigen nur die
Normalsätze, und es wird erst durch das jedesmalige Finanzgesetz bestimmt, welcher Prozentsatz von
ihnen tatsächlich zu erheben ist. In Baden wird die Degression in der Weise bewerkstelligt, daß
die Einkommen von 20 000 Mk. nur mit einem nach unten zunehmenden Teilbetrage in Ansatz
gebracht werden, z. B. Einkommen von 10000 Mk. mit 8500 Mk., solche von 900 Mk. mit 200 Mk.
Sehr verschieden gelöst ist die Frage des sog. „steuerfreien Existen zminimums“, d. i. der untem
Grenze, bis zu der hinauf die ganz kleinen Einkommen wegen ihrer Leistungsschwäche mit der
Einkommensteuer zu verschonen sind. Am weitesten, bis zu 900 Mk., gehen hierin Preußen
und Baden, bis 600 Mk. Bayern, bis 500 Mk. Württemberg und Hessen, wo jedoch eine Be-
freiung der Einkommen bis 900 Mk. durch das jeweilige Finanzgesetz vorgesehen ist, bis 400 Mk.
Sachsen. Da indes die Steuerfähigkeit auch gleich hoher Einkommen je nach den individuellen
Verhältnissen verschieden ist, so gestatteten schon ältere Einkommensteuergesetze bei besonders
ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen bestimmter Art für kleinere Einkommen eine Ver-
anlagung in einer niedrigeren als der ihnen entsprechenden Steuerstufe. Die modernen Ein-
kommensteuergesetze haben nicht nur hieran festgehalten und die Grenze, bis zu der eine solche
1 Gesetz, betr. die Bereitstellung von Mitteln zu Diensteinkommensverbesserungen, vom
26. Mai 1909 (GS. S. 85), 8 8.