446 G. Strutz.
Revision entsprechende Rechtsbeschwerde das oberste Verwaltungsgericht, in Preußen seit
1906 allerdings nur bei Veranlagung zu einem Einkommen von mehr als 3000 Mk., entscheidet.
Bayern hat statt dessen als oberste Instanz eine aus ernannten, mindestens zum Teil dem.
Verwaltungsgerichtshof entnommenen ständigen und gewählten nichtständigen Mitgliederm
gebildete „Oberberufungskommission“, verlangt aber für deren Anrufung auch die Revisions-
gründe einer Rechtsverletzung oder eines wesentlichen Mangels des Verfahrens. Im übrigen
weist der Rechtsmittelweg wesentliche Verschiedenheiten auf: in Preußen für Einkommen
bis 3000 Mk. Einspruch an die Veranlagungskommission und Berufung an die endgültig
entscheidende, analog wie die Veranlagungskommission zusammengesetzte, für jeden Regierungs-
bezirk gebildete Berufungskommission, für höhere Einkommen Berufung an diese und
Beschwerde an das Obererwaltungsgericht, in Bayern Berufung an die Berufungs-
kommission, jedoch mit der Maßgabe, daß zunächst die Veranlagungsbehörde (Steuerausschuß)
die Veranlagung nochmals prüft und gegebenenfalls abändert, und Beschwerde, ähnlich
in Sachsen, in Württemberg Beschwerde an das Steuerkollegium, weitere Beschwerde
an das Finanzministerium und gegen dessen Entscheidung Rechtsbeschwerde an den Ver-
waltungsgerichtshof, in Baden Beschwerde an die Steuerdirektion und gegen deren Ent-
scheidung Klage beim Verwaltungsgerichtshofe, in Hessen für Einkommen über 2600 Mk.
Berufung an die Landeskommission und Beschwerde an das oberste Verwaltungsgericht, für
kleinere Einkommen Berufung an die Veranlagungskommission und weitere Berufung an die
Landeskommission. Die Rechtsmittel sind nicht nur dem Steuerpflichtigen, sondern mit einzelnen
Modifikationen auch den Vorsitzenden der Kommissionen oder dem sonstigen als Vertreter des
Staatsinteresses mitwirkenden Beamten gegeben. Eine nicht rechtzeitig oder ohne Erfolg ange-
fochtene Veranlagung steht in der Regel für das Steuerjahr fest, ohne daß Veränderungen des
Einkommens innerhalb desselben eine solche der Veranlagung begründen. Ausnahmen finden
nur statt, wenn sich das Einkommen durch Erwerb von Todes wegen oder dgl. vermehrt, und
auf Antrag, wenn sich das Einkommen durch Wegfall einer Einnahmequelle oder außergewöhn-
liche Unglücksfälle um eine bestimmte Quote, in Preußen ein Fünftel, in andern Staaten ein
Viertel, vermindert oder das weggefallene Einkommen bei einem andern Steuerpflichtigen zur
Steuer herangezogen wird; in Hessen tritt eine Erhöhung der Steuer überhaupt nicht ein, in
Baden ohne Räücksicht auf den Anlaß eine Erhöhung oder Verminderung, wenn die Einkommens-
vermehrung oder -zminderung mindestens ein Fünftel, die erstere auch gleichzeitig mindestens
500 Mk. beträgt.
Die Strafen für Steuerhinterziehungen beschränken sich, auch im wiederholten Rück-
falle, überall auf Geldstrafen, natürlich erst recht die bloßen Ordnungsstrafen. Dagegen
ist in Preußen und andern Bundesstaaten Gefängnisstrafe angedroht für die Verletzung
der Pflicht der bei der Veranlagung beteiligten Beamten und Kommissionsmitglieder, die zu
ihrer Kenntnis gelangten Verhältnisse der Steuerpflichtigen geheimzuhalten. Wegen der Hinter-
ziehun gen und Ordnungswidrigkeiten findet in manchen Staaten ein entsprechendes Verwaltungs-
strafverfahren wie bei Zöllen und Reichssteuern statt, dergestalt, daß der Strafbescheid die
Rechtskraft beschreitet, wenn er nicht angefochten wird. In Preußen dagegen ist das Ver-
waltungsstrafverfahren bei direkten Staatssteuern nur ein vorläufiges, d. h. die Sache gelangt
zur gerichtlichen Aburteilung, wenn der Beschuldigte die durch Verfügung der Steuerbehörde
festgesetzte Strafe nebst Kosten nicht binnen einer ihm bekannt gemachten Frist freiwillig zahlt.
Neben der Strafe ist die hinterzogene Steuer zu entrichten. Auch ohne strafbare Hinterziehung
besteht die Verpflichtung zur Entrichtung zu unrecht nicht oder zu gering veranlagter Einkommen-
steuer, und die Nachsteuerpflicht geht hier wie im Falle der Hinterziehung auch auf die Erben über.
§ 7. Ergänzungssteuern zur Einkommensteuer 1. Nicht bloß, weil die Einkommensteuer
allein zur Deckung des Bedarfs unzureichend ist, sondern auch, weil durch sie allein, wenn sie,
wie es die deutschen Einkommensteuern tun, nicht zwischen Einkommen aus Vermögen und
solchem aus geistiger oder körperlicher Arbeit unterscheidet, die Besteuerung nach der Leistungs-
fähigkeit nicht in gerechter Weise zu bewerkstelligen ist, sondern eine Benachteiligung des Arbeits-
gegenüber dem von Fortdauer der Arbeitsfähigkeit unabhängigen und darum leistungsfähigeren
1 Gesetzgebung vgl. die Anmerkungen zu § 6.