Abgabenrecht. 451
anlassung eine Behörde oder ein Beamter die Urkunde ausstellt; daneben werden aber auch
spätere Inhaber der Urkunde haftbar gemacht. Zur Kontrolle bestehen weitgehende Verpflich-
tungen für Behörden und Beamte, für die Verstempelung zu sorgen und Zuwiderhandlungen
anzuzeigen, und Revisionen durch besondere Beamte (Stempelfiskale). Nicht die Stempelform,
sondern unmittelbare Einzahlung haben für ihre Verkehrssteuern im Gegensatz zu Preußen,
Bayern, Sachsen und Hessen Württemberg und Baden gewählt. Gegenüber nicht-
physischen Personen ersetzt auch Bayern den Stempel von Immobiliarbesitzwechseln, die natur-
gemäß bei dem Grundbesitz namentlich der Kirchen, Korporationen und Stiftungen sehr selten
eintreten, durch eine besondere Abgabe, das sog. Gebührenäquivalent, seinem Wesen
nach eine periodisch erhobene direkte Wertsteuer, wie die Fideikommißabgabe im Reiche (val.
oben § 3).
Von der durch das Reichserbschaftssteuergesetz in gewissem Umfang den Bundesstaaten
gewährten Befugnis, Zuschläge zur Reichserbschaftssteuer und Landessteuer von
den reichssteuerfreien Erbfällen zu erheben, haben von den größern Bundesstaaten nur
Bayern und Hessen und auch nur in beschränktem Maße Gebrauch gemacht; eine Steuer
von den Anfällen an Abkömmlinge und Ehegatten erheben auch sie nicht. An Verbrauchs-
steuern werden — neben der Brausteuer der süddeutschen Staaten — von Württemberg
und Baden Weinsteuern und von Preußen in seinen Hohenzollernschen Landen Wirt-
schaftsabgaben vom Schank und Kleinhandel in Wein, Obstwein und Branntwein erhoben.
Endlich besitzen Baden und Hessen noch eine staatliche Hundesteuer.
§ 10. Gebühren und Beiträge. Auf die Frage, ob es zur Erhebung von Gebühren für
Rechnung der Staatskasse einer gesetzlichen Grundlage bedarf oder die Einführung solcher Gebühren
auch im Verordnungswege erfolgen kann, geben die Staatsgrundgesetze der größern Bundes-
staaten schon deshalb keine zweifelsfreie Antwort, weil sie, wie teilweise übrigens die Abgaben-
gesetze selbst, es an einer klaren Unterscheidung der einzelnen Arten der öffentlichen Abgaben
fehlen lassen. Die preußische Verfassungsurkunde (Art. 100) gestattet die Erhebung von „Steuern
und Abgaben“ für die Staatskasse „nur, soweit sie in den Staatshaushaltsetat aufgenommen
oder durch besondere Gesetze angeordnet sind“, und bestimmt ferner im Art. 102: „Gebühren
können Staats- oder Kommunalbeamte nur auf Grund des Gesetzes erheben“. Die herrschende
Meinung bezieht aber den Art. 102 nur auf die sog. Sporteln oder Dienergebühren, d. h. die
den Beamten zufließenden Gebühren, und legt Art. 100 nicht etwa dahin aus, daß unter „Steuem
und Abgaben“ alle Arten öffentlicher Abgaben, sondern, gestützt auf die Ausdrucksweise der Gesetz-
gebung vor Erlaß der Verfassung, dahin, daß unter „Steuern“ nur direkte Steuern, unter „Ab-
gaben“ aber nur indirekte Steuern zu verstehen seien 1. Tatsächlich sind daher Gebühren ohne festes
Prinzip durch Gesetz oder Verordnung eingeführt worden, wenn auch dem Erfordernis der Auf-
nahme in den Staatshaushaltsetat schon mit Rücksicht auf Art. 99 der Verfassung entsprochen
worden ist und werden mußte. Eine gesetzliche Regelung haben insbesondere die wichtigsten Ge-
bühren, die der Rechtspflege — soweit sie nicht schon auf Reichsgesetz beruhen — gesunden,
während die der Verwaltung und die Benutzungsgebühren zumeist auf Verordnung beruhen.
Die bayrische Verfassung (Tit. VII §§5 3, 4) verlangt die Zustimmung der Stände nur zur Er-
hebung „direkter Steuern“ und „neuer indirekter Auflagen" oder zur Erhöhung oder Veränderung
der bestehenden, aber auch die Aufnahme der „gesamten“ Staatseinnahmen in das behufs Be-
willigung der direkten Steuern den Ständen zur Prüfung vorzulegende Budget. Doch hat
gerade in Bayern eine umfassendere gesetzliche Kodifizierung des Gebührenrechts als in vielen
andern Staaten stattgefunden, allerdings unter Vermengung von Gebühren und Verkehrssteuern;
teilweise gibt das Gesetz? nur den allgemeinen Rahmen an, innerhalb dessen die Regelung
der Regierung überlassen bleibt. Die württembergische Verfassung (§ 109) fordert
„Verwilligung der Stände'" nur für direkte und indirekte Steuern, die badische (§ 33) für
„Auflagen“, die hessische (Art. 67) für jede „direkte oder indirekte Auflage“. Alle diese Ver-
fassungsbestimmungen werden dahin auszulegen sein, daß sie sich nur auf Leistungen der
: Vgl. Arndt, „über Gebühren“ im Verwaltungsarchiv, Bd. 11 S. 432 ff., Mo
„Gebühren“, ebendort Bd. 18 S. 251 ff.
2 Gesetz vom 13. Juli 1910.
29