Abgabenrecht. 455
Einkommen von nicht mehr als 900 Mk. können von der Gemeindeeinkommensteuer freigelassen
werden, bis zur Dauer von 3 Jahren auch Ausländer und Angehörige anderer Bundesstaaten,
sofern ihr Wohnsitz nicht des Erwerbes wegen genommen ist. Steuerfrei sind neben dem könig-
lichen Hause insbesondere diplomatische Vertreter und aktive Militärpersonen, jedoch, abgesehen
vom königlichen Hause, nicht mit dem Einkommen aus Grundbesitz und Gewerbebetrieb in
der Gemeinde. Offiziere sind nur mit ihrem außerdienstlichen Einkommen gemeindesteuerpflichtig
und auch mit diesem ohne Rücksicht auf die Höhe der örtlichen Einkommensteuerzuschläge nur in
Höhe des ihm entsprechenden Staatssteuersatzes. Von ihrem Diensteinkommen völlig gemeinde-
einkommensteuerfrei sind auch Geistliche, und ferner sind es die Witwen- und Waisen-und Gnaden-
bezüge der Hinterbliebenen von Beamten, Offizeren, Geistlichen, Lehrern und untern Kirchen-
dienern. Hinsichtlich der im Dienst befindlichen unmittelbaren und mittelbaren Staatsbeamten
und Elementarlehrer besteht jetzt 1 ein Unterschied, ie nachdem sie nach dem 31. März 1909
oder früher angestellt sind: ersternfalls unterliegt zwar ihr gesamtes Diensteinkommen der
Gemeindebesteuerung, aber nur den Zuschlägen bis zu 125 Prozent, letzternfalls das der
Elementarlehrer überhaupt nicht, das der Beamten nur zur Hälfte und nur mit der Be-
schränkung, daß von ihm an kommunaleu Auflagen aller Art je nach seiner Höhe nicht mehr
als 1, 1½ oder 2 v. H. seines Gesamtqgetrages gefordert werden dürfen 2. Ruhegehälter
und Wartegelder der Beamten unterliegen nach wie vor ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt
der Anstellung nur diesen letztern Bestimmungen und sind, wenn sie 750 Mk. nicht erreichen,
völlig frei; ebenso werden Ruhegehälter der Offiziere behandelt. Ausführliche Vorschriften
regeln die Verteilung des steuerpflichtigen Einkommens auf mehrere steuerberechtigte Ge-
meinden, um Doppelbesteuerungen auszuschließen. Die 1895 nicht, wie die übrigen Real-
steuern, außer Hebung gesetzte, sondern den Kreisen überwiesene Betriebssteuer vom
Betriebe der Gast= und Schankwirtschaft und des Kleinhandels mit Branntwein und
Spiritus, die in nach der Gewerbesteuerklasse bemessenen Jahressteuersätzen besteht, kann,
braucht aber nicht von den Gemeinden mit Zuschlägen belastet oder statt dessen für ihre
Zwecke durch eine besondere Steuer ersetzt zu werden.
Die Veranlagung der Gemeindesteuern erfolgt durch den Gemeindevorstand
oder einen Steuerausschuß der Gemeinde, die der Kreis= und Provinzialsteuern durch
den Kreis- bzw. Provinzialausschuß. Rechtsmittel gegen die Heranziehung zu
Kommunalabgaben aller Art mit Ausnahme der dem ordentlichen Rechtsweg unterworfenen
Kurtaxen ist der nicht devolutive, sondern an den Gemeindevorstand, Kreis- oder Provinzial-
ausschuß gehende Einspruch, gegen den Einspruchsbescheid die Klage im Verwaltungsstreitverfahren
an den Bezirks= oder, wenn es sich um Abgaben an Landgemeinden handelt, an den Kreis-
ausschuß und gegen die Entscheidung des Kreisausschusses Berufung an den Bezirksausschuß,
gegen dessen erst- wie zweitinstanzliche Entscheidungen die nur auf unrichtige Rechtsanwendung
und wesentliche Verfahrensmängel zu stützende Revision an das Oberverwaltungsgericht; ein
besonderes Verfahren, ebenfalls mit anschließendem Verwaltungsstreitverfahren, ist an Stelle
des Einspruchs für die Verteilung steuerpflichtiger Einkommen auf eine Mehrzahl steuerberech-
tigter Gemeinden gegeben. Die Strafbestimmungen ähneln denen des Einkommen-
steuergesetzes. Ein Nachforderungsrecht steht dagegen außerhalb des Falles straf-
barer Hinterziehung den Gemeinden bei direkten Steuern nur wegen völliger Übergehung zu,
während es bei andern Gemeinde= und bei den Kreis= und Provinzialabgaben auch wegen zu
geringer Forderung stattfindet. Alle Kommunalabgaben unterliegen der Beitreibung im Ver-
waltungszwangsverfahren.
Auch Bayern, Württemberg, Baden und Hessens haben im Zusammenhange mit ihren
Staatssteuerreformen ihr Kommunalabgabewesen in jüngster Zeit auf neue Grundlagen gestellt.
In Sachsen ist dies bislang noch nicht gelungen, und es besteht hier hinsichtlich der direkten Ge-
1 Gesetz vom 16. Juni 1909 (GS. S. 489).
1 Ver. vom 23. September 1867 (GS. S. 1648).
* Bayern: Gemeindeordnungen vom 29. April 1869, Gemeindeumlagengesetz vom
22. August 1910 und Gesetze über die einzelnen indirekten Gemeindesteuern; Württemberg:
Gesetz vom 8. August 1903; Baden: Gemeinde= und Städteordnung vom 19. Oktober 1906;
Hessen: Gesetze vom 14. und 28. März 1907 und Gemeindeumlagengesetz vom 8. Juli 1911.