Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

488 Ludwig Laß. 
Die Mittel werden im Regelfalle nach dem Prinzip der Deckung des Jahres- 
bedarfs aufgebracht; nur in Ausnahmefällen findet Kapitaldeckung statt 1. 
1. Die Deckung des Jahresbedarfs wird mittels Umlagen aufßfgebracht. 
Am Schlusse eines jeden Geschäftsjahrs wird festgestellt, welcher Betrag in dem verflossenen 
Jahre einschließlich der Verwaltungskosten erforderlich war, und dieser wird auf die Mitglieder 
der Genossenschaft verteilt (umgelegt). Deshalb wird dieses System auch kurzweg Umlage- 
verfahren genannt. Die naturgemäße Folge dieses Verfahrens ist das allmähliche An- 
wachsen der Beiträge, bis ein Beharrungszustand eingetreten ist?, und daß im Beharrungs- 
zustande die dauernden Jahresbeiträge höher sein werden, als sie bei Anwendung des Kapital- 
deckungssystems sein würden. 
Diese nachteiligen Folgen werden abgeschwächt durch die Vorschriften über die An- 
sammlung von erheblichen Rücklagen (Reserwefonds), deren Aufbringung bei allen Berufs- 
genossenschaften obligatorisch ist. Durch Verwendung der Zinsen wird eine Herabminderung 
der Beiträge im Beharrungszustande bewirkt 3. 
Die Beiträge werden einmal nach dem von den Versicherten in den einzelnen Betrieben 
verdienten Löhnen und Gehältern, welche die Unternehmer alljährlich nachzuweisen haben“, 
zum anderen nach der Gefährlichkeit der einzelnen Gewerbszweige oder Arbeitstätigkeiten be- 
rechnet und auf die einzelnen Genossenschaftsmitglieder um gelegt. Innerhalb der einzelnen 
Berufsgenossenschaften werden die Beiträge nach der Gefährlichkeit der Betriebe oder 
Betriebstätigkeiten abgestuft. Die Bemfsgenossenschaften haben zu diesem Zweck auf Grund 
statistischer Ermittlungen Gefahrtarife aufzustellen (§§ 706 ff., 979, 990, 1150 RVO.)“. 
Auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Unfallversicherung werden 
die Beiträge, abgesehen von der Gefährlichkeit der Betriebstätigkeiten, regelmäßig nach dem 
abgeschätzten Arbeitsbedarf der einzelnen Betriebe (anstatt nach den wirklich 
gezahlten Löhnen und Gehältern) und ausnahmsweise nach dem Steuerfuß, z. B. der 
Grundsteuer, oder nach der Satzung auch nach anderen Maßstäben (z. B. nach Kultur- 
art, Fläche in Verbindung mit Grundsteuer, nach dem Reinertrag oder dem Ertragswert) be- 
rechnet (ss 989—1010 RV0O.). 
2. Kapitaldeckung, d. h. Aufbringung des Kapitalswerts der Renten usw. (nicht 
nur des tatsächlichen Bedarfs des abgelaufenen Geschäftsjahrs) ist für die Tiefbau- 
Berufsgenossenschaft und die Zweiganstalten vorgeschrieben. Das gleiche 
gilt für die als selbständiger Versicherungsträger eingerichtete V#ersicherungsgenossen- 
schafte. Es geschah dies, weil für die Tiefbau-Berufsgenossenschaft wegen der vielfach nur 
vorübergehenden Natur der bei ihr versicherten Betriebe (man denke an große Kanalbauten) 
und für die Zweiganstalten sowie für die Versicherungsgenossenschaft wegen der Eigenartigkeit 
der Verhälltnisse der bei dieser versicherten Personen und Arbeitstätigkeiten das einfachere Um- 
lageverfahren (d. h. Aufbringung des Jahresbedarfs) nicht geeignet war. 
Bei der Tiefbau-Berufsgenossenschaft werden die für die Kapitaldeckung 
erforderlichen Beiträge im Wege der Umlage auf die einzelnen Genossenschaftsmitglieder auf- 
1 H. Poeverlein, Die Aufbringung der Mittel im Reichs-Unfallversicherungsrecht, 
Annalen des Deutschen Reichs 1900, S. 1—74. 
Vgl. auch E. Lange, Die finanziellen Grundlagen der deutschen Unfallversicherung und 
ihre rationelle Umgestaltung, Berlin (Troschel) 1903. 
* Vgl. Laß--Zahnsa. a. O. S. 250 und 264; ferner die dem Reichstag unter dem 17. April 
1903 mitgeteilte Denkschrift — Nr. 937 der Drucksachen des Reichstags, 10. Legislaturperiode, 
II. Session 1900 03: sowie die finanzielle Begründung zur Reichsversicherungsordnung, Abschnitt IV 
der Anlage H zum Entwurf einer Reichsversicherungsordnung, Nr. 340 der Drucksachen des Reichs- 
tags, 12. Legislaturperiode, II. Session 1909 10, S. 583 ff. 
* Ausnahmsweise können zur Vereinfachung des Lohnnachweisungswesens bei kleineren 
S ahbekräg: oder einheitliche Beiträge eingeführt werden (§§ 734, 
823 .). 
* Uber die Methode, nach welchen die Gefahrentarife aufzustellen sind, s. das Nähere bei 
Laß-Zahn, a. a. O. S. 105 ff. Literatur: K. Hartmann, Das Gefahrtarifwesen der 
Unfallversicherung des Deutschen Reichs, Berlin 1900. 
* § 731, 783—842 RV0O.
	        
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