Soziales Versicherungsrecht. 507
versicherungsanstalt spätestens vor Ablauf des Kalenderjahrs, für das sie gelten sollen, durch die
Post portofrei einzusenden.
VII. Pflichtbeiträge sind unwirksam, wenn sie nach Ablauf von zwei Jahren, falls
aber die Beitragsleistung ohne Verschulden der Beteiligten unterblieben ist, nach Ablauf von
vier Jahren seit der Fälligkeit entrichtet werden. Freiwillige Beiträge dürfen nach Eintritt der
Berufsunfähigkeit nicht entrichtet werden. Beiträge, die in der irrtümlichen Annahme der Ver-
sicherungspflicht entrichtet worden sind und nicht zurückgefordert werden, gelten als für die frei-
willige Weiterversicherung entrichtet, wenn das Recht dazu in der Zeit der Entrichtung bestanden
hat. Eine Zurückforderung der Beiträge ist gesetzlich beschränkt 1.
VIII. Beitragsstreitigkeiten werden von dem Rentenausschuß und auf Be-
schwerde von dem Schiedsgericht entschieden. An Stelle des Schiedsgerichts entscheidet das
Oberschiedsgericht, wenn es sich um eine noch nicht feststehende Auslegung gesetzlicher Vor-
schriften von grundsätzlicher Bedeutung handelt und die Abgabe der Sache an das Oberschieds-
gerichts beantragt wird.
Allen anderen Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über Berechnung und
Abrechnung, Erstattung und Ersatz der Beiträge entscheidet der Rentenausschuß endgültig.
8§ 26. Das Verfahren bei der Rechtsverwirklichung.
I. Alsrechtsprechende Behörden auf dem Gebiete der Angestelltenversicherung
sind tätig: «
die Rentenausschüsse in erster Instanz, die Schiedsgerichte in zweiter Instanz, das Ober-
schiedsgericht in dritter und letzter Instanz.
1. Die Rentenausschüsse haben wir bereits bei Erörterung der Organe der Reichs-
versicherungsanstalt kennen gelernt 2.
2. Das Schiedsgericht besteht aus einem vom Reichskanzler ernannten Vorsitzenden,
dessen Stellvertreter und aus Beisitzern, die je zur Hälfte aus den Versicherten und aus den
Arbeitgebern der versicherten Angestellten von den Vertrauensmännern gewählt werden (min-
destens je sechs).
Die Zahl, der Sitz und die Bezirke der Schiedsgerichte werden durch Kaiserliche Verordnung
mit Zustimmung des Bundesrats bestimmt 3. Die oberste Verwaltungsbehörde, in deren Be-
zirk der Sitz des Schiedsgerichts belegen ist, führt die Aufsicht über das Schiedsgericht; sie bestellt
die erforderlichen Hilfskräfte und beschafft die Geschäftsräume. Die Kosten des Schiedsgerichts,
die von dem Bundesstaat vorgeschossen werden, trägt die Reichsversicherungsanstalt.
3. Das Oberschiedsgericht mit seinem Sitz in Berlin besteht aus einem Vor-
sitzenden, dessen Stellvertreter, zwei ständigen Mitgliedern des Reichsversicherungsamts, zwei
richterlichen Beamten sowie aus Vertretern der Interessenten (Versicherten und deren Arbeit-
gebern). Sämtliche Mitglieder haben Stellvertreter.
Die Aufsicht über das Oberschiedsgericht führt der Reichskanzler; die Kosten des Ober-
schiedsgerichts, die von der Reichsversicherungsanstalt getragen werden, schießt die Reichskasse vor.
II. Verfahren. Der Geschäftsgang und das Verfahren der Schiedsgerichte und des
Oberschiedsgerichts ist, soweit das Gesetz keine Vorschriften enthält, durch Kaiserliche Verordnung
mit Zustimmung des Bundesrats geregelt 4.
Hervorzuheben ist folgendes:
1. Man unterscheidet Spruch= und Beschlußverfahren. Das Spurchhverfahren
hat in der Hauptsache die Feststellung der Leistungen der Angestelltenversicherung zum Gegen-
1 Vgl. § 209 des Gesetzes.
* Zu vgl. oben § 23. Zurzeit besteht nur ein Rentenausschuß.
* + 158 des Gesetzes. Zurzeit besteht nur ein Schiedsgericht.
* Zu vgl. Verordnung über Geschäftsgang und Verfahren der Schiedsgerichte für Angestellten-
vericherung vom 21. Juni 1913 (RBl. S. 329): ferner Verordnung über Geschäftsgang und
Verfahren des Oberschiedsgerichts für Angestelltenversicherung vom 21. Juni 1913 (R l. S. 341).