Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

48 G. Anschütz. 
17 „Männern des allgemeinen Vertrauens“ (je einen für jede Stimme des Engeren Rates der 
Bundesversammlung; spiritus rector und Berichterstattere Dahlmanng zur schleunigen 
Entwerfung einer deutschen Verfassung einsetzte, — sowie der vom 30. März, das sog. „Bundes- 
gesetz“ über die Wahlen zur deutschen Nationalversammlung: Aufforderung an die Bundes- 
regierungen, auf je 70 000 Seelen ihrer Bevölkerung einen Abgeordneten „auf (landes.) 
verfassungsmäßigem Wege“ wählen zu lassen. Auch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 
gedachte nicht zurückzubleiben: „vor allem verlangen wir"“ — so hieß es in der bereits (oben 
S. 46) erwähnten Proklamation vom 18. März —, „daß Deutschland aus einem Staaten- 
bunde in einen Bundesstaat verwandelt werde; wir erkennen an, daß dies eine Reorganisation 
der Bundesverfassung voraussetzt, welche nur im Verein der Fürsten mit dem Volke ausgeführt 
werden kann, daß demnach eine vorläufige Bundcsrepräsentation aus den Ständen aller deutschen 
Länder gebildet und unverzüglich berufen werden muß.“ — Am 31. März strömt das „Vor- 
parlament“", über 500 Köpfe stark, in Frankfurt a. M. zusammen (s. v. Sybel 1 150 ff.) und 
tagt bis zum 4. April, Beschlüsse fassend einmal dahin, daß für das kommende Parlament, die 
Nationalversammlung, nicht auf je 70 000, sondern auf 50 000 Einwohner, und zwar nach all- 
gemeinem und gleichem Stimmrecht, zu wählen sei (die Vorbereitung und Leitung des Wahl- 
geschäfts sollten die Regiemuungen übermnehmen), — sodann dahin, daß dies Parlament die deutsche 
Verfassung nicht etwa mit den Regierungen zu vereinbaren, sondern dieselbe, als eine souveräne 
konstituierende Versammlung, einseitig festzustellen und zu beschließen habe. 
II. Die Frankfurter Nationalversammlung und ihr Werk. — Die nach dem Willen 
des Vorparlamentes gewählte Nationalversammlung wurde am 18. Mai 1848 an dem Orte 
ihrer Tagung, in der Paulskirche zu Frankfurt a. M., eröffnet. Daß sie sich und ihre Stellung 
genau so auffaßte, wie das Vorparlament es vorgezeichnet hatte, geht aus der mit Beifallsstürmen 
aufgenommenen Eröffnungsansprache ihres Präsidenten (H. v. Gagern) hervor: „Wir sollen 
schaffen eine Verfassung für Deutschland, für das gesamte Reich. Der Beruf und die Vollmacht 
zu dieser Schaffung, sie liegen in der Souveränetät der Nation. Die Schwierig- 
keit, eine Verständigung mit den Regierungen zustande zu bringen, hat das Vorparlament 
richtig vorgefühlt und uns den Charakter einer konstituierenden Versammlung 
vindiziert. Deutschland will eins sein, regiert vom Willendes Volkes..“ Gestützt 
auf diese allzu hohe, ihre tatsächliche Macht und die Größe ihres Einflusses auf die wirklich Re- 
gierenden stark überschätzende Selbsteinschätzung nahm die Nationalversammlung in der Sache 
des Verfassungswerkes alles für sich als ihr eigenes Recht in Anspruch: Initiative und Aus- 
arbeitung der Vorlage, Beratung und Beschlußfassung, Sanktion und Publikation. Und damit 
bis zur Fertigstellung und dem Inkrafttreten der Verfassung dem mit dieser zu beleihenden 
Reiche die Regierungsgewalt nicht fehle, beschloß und verkündete die Versammlung am 28. Juni 
1848 das „Reichsgesetz“ über die provisorische Zentralgewalt; zum Verweser 
dieser Zentralgewalt und des Reichs wurde der Erzherzog Johann von Osterreich gewählt, 
welchem der Bundestag (12. Juli) im Namen der deutschen Regierungen seine Befugnisse 
übertrug und sich sodann auflöste. 
Es folgte nun die Beratung des von einem Ausschusse (Mitglieder u. a. Bassermann, 
M. v. Gagem, P. Pfizer, Dahlmann, Droysen, Georg Beseler, Robert Mohl, Georg Waitz) 
bearbeiteten Verfassungsentwurfs. Dieser setzte es sich zur Aufgabe, die beiden großen Ideale 
der Zeit wahr zu machen: die Einheit Deutschlands und in dieser Einheit die Freiheit des Menschen, 
des Bürgers. Der zweite Teil des Programms wurde zuerst in Angriff genommen; er gewinnt 
Gestalt in den „Grundrechten des deutschen Volkes“: ein umfängliches, 59 Para- 
graphen starkes Verzeichnis alles dessen, was dem Jahre 1848 an der Vergangenheit hassens- 
wert und für Gegenwart und Zukunft begehrenswert erschien, eine Verbriefung des Mindest- 
maßes bürgerlicher Freiheit gegenüber aller öffentlichen Gewalt in Reich, Staat, Gemeinde. 
Nach Feststellung dieser Grund= und Freiheitsrechte (vorläufig als „Reichsgesetz“ publiziert am 
27. Dezember 1848) machte man sich an die Aufrichtung des Einheitsbaues. Die staatsrechtliche 
Gestalt der deutschen Einheit sollte die des Bundesstaates sein; ein „Deutsches 
Reich“ sollte geschaffen werden, zusammengesetzt aus den in ihrem Bestande zu erhaltenden 
Staaten des Deutschen Bundes, einschließlich Osterreichs. Die Verteilung des staatlichen 
Wirkungskreises und der Hoheitsrechte zwischen der Reichsgewalt und den Einzelstaatsgewalten
	        
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