Sicherheits- und Sittenpolizei. Gesundheitspolizei. Offentliche Armenpflege. 523
polizeibehörde, ob sie die Polizeiaufsicht verlängern will, sie darf es aber nur dann tun, wenn die
Strafe verbüßt ist und die Gefängnisverwaltung über die Führung des Sträflings während des
Strafvollzugs gehört ist. Ausländer können aus dem Reichsgebiet ausgewiesen werden. Unter
gewissen Voraussetzungen kann Überweisung in ein Arbeitshaus oder in eine Besserungs- oder
Erziehungsanstalt erfolgen. Ferner kann Personen, die Kraft landesgesetzlicher Vorschriften, die
neben dem Freizügigkeitsgesetz und neben dem RStrGB. ihre Geltung behalten haben, wegen
gewisser Vergehen oder zu gewissen Strafen verurteilt sind, der Aufenthalt in einzelnen Orten
untersagt werden. So ist nach dem preußischen Ges. vom 31. Dez. 1842 8 2 die Landespolizeibehörde
zur Aufenthaltsbeschränkung „jedoch nur in Ansehung solcher Sträflinge befugt, welche zu
Zuchthaus oder wegen eines Verbrechens, wodurch der Täter sich als einen für die öffentliche
Sicherheit und Moralität gefährlichen Menschen darstellt, zu irgendeiner anderen Strafe verurteilt
worden oder in einer anderen Korrektionsanstalt eingesperrt gewesen sind“. Wer derartigen Auf-
enthaltsbeschränkungen in einem Bundesstaate unterliegt, oder wer während der letzten zwölf
Monate wegen Bettelns oder wegen wiederholter Landstreicherei bestraft worden ist, dem kann
von der Landespolizeibehörde der Aufenthalt in jedem anderen Bundesstaate verweigert werden,
aus seinem Heimatstaate kann er aber nicht ausgewiesen werden (Dochow, Freizügigkeit,
Handb. d. Polit. 1, 259). Bettler sind Personen, die für sich und ihre Familienangehörigen Unter-
stützungen erbitten, Landstreicher, die im Lande umherziehen, ohne Arbeit zu suchen.
Die Abweisung neuanziehender Personen, die nicht nachweisen können, daß sie aus eigenen
Kräften und Mitteln sich und ihren nicht arbeitsfähigen Angehörigen den notdürftigen Lebens-
unterhalt verschaffen können, erfolgt im Interesse der öffentlichen Armenpflege, nicht aus sicher-
heitspolizeilichen Gründen.
Literatur: Meyer-Dochow'"“ S. 167.
3. Gewerbsmäßige Unzucht ist die Hingabe des Körpers zu unsittlichen Hand-
lungen gegen Entgelt. Eine Frau, die diesem Gewerbe ungestraft nachgehen will, hat sich bei der
Polizei anzumelden und wird dann unter Sittenkontrolle gestellt. (Es handelt sich hier um eine
„verschämte Polizeierlaubnis, die sich absichtlich nicht so nennt". Otto Mayer, Deutsches Ver-
waltungsrecht 1895 1, 2871, Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts 1912
2 S. 355 4#.) Bestraft wird, wer unangemeldet gewerbsmäßige Unzucht treibt, und wer nach der
Anmeldung den im Interesse der Sicherheit der Gesamtheit, der öffentlichen Ordnung und des
öffentlichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften zuwiderhandelt (RStr#B. 8 361 Ziff. 0.
Die Polizei kann den Prostituierten entweder bestimmte Straßen oder Häuser zum Wohnen an-
weisen, kann ihnen das Betreten einzelner Straßen, Plätze oder öffentlicher Lokale ganz oder zu
bestimmten Stunden verbieten, und kann sie anhalten, sich unauffällig zu benehmen, so daß die
Personen, die an der Prostitution kein Interesse nehmen, von ihr auch nicht unnötig belästigt
werden. Die Sittenkontrolle bezweckt aber in erster Linie die Durchführung eines gesundheitlichen
Schutzes, allerdings ohne diesen Zweck erreichen zu können. Die eingetragenen Prostituierten,
es ist nur ein geringer Teil der Personen, die gewerbsmäßige Unzucht treiben, haben sich einem
ärztlichen Beobachtungszwang zu unterwerfen. In bestimmten Zwischenräumen hat eine ärzt-
liche Untersuchung stattzufinden. Ergibt diese das Vorhandensein einer übertragbaren Geschlechts-
krankheit, so kann Zwangsheilung angeordnet werden, wenn anzunehmen ist, daß die betreffenden
Frauen sich nicht freiwillig einer ärztlichen Behandlung unterziehen. In der richtigen Erkenntnis
der Nachteile, die für alle Frauen mit der Stellung unter Sittenkontrolle verbunden sind, gibt die
preußische Verwaltung (ME. vom 11. Dez. 1907) denen, die zum ersten Male wegen Verdachtes
der Erwerbsunzucht angehalten sind, die Möglichkeit, sich vor der polizeiärztlichen Untersuchung zu
bewahren, indem sie sie anweist, sich durch Privatärzte untersuchen oder behandeln zu lassen.
Erst wenn sie von dieser Gelegenheit keinen Gebrauch machen, werden sie unter Sittenkontrolle
gestellt. Die Einrichtung von öffentlichen Häusern (Bordellen) ist unzulässig; wenn auch die Polizei
sie konzessionieren kann, so steht ihre Einrichtung doch im Widerspruch mit § 180 RStrGB. (anderer
Meinung: Frank, Kommentar § 180 III., weil das StrGB. mit der Reglementierung der Pro-
stitution nicht nur rechne, sondern sie geradezu voraussetze). Offentliche Häuser sind die Voraus-
setzung für den Mädchenhandel, dessen wirksame Bekämpfung nur auf Grund intemnationaler
Vereinbarungen erfolgen kann. Die Maßregeln der Polizei bestehen hier in einer Beaufsichtigung