Sicherheits- und Sittenpolizei. Gesundheitspolizei. Offentliche Armenpflege. 525
Ein politischer Verein ist ein Verein, der eine Einwirkung auf politische Angelegenheiten
bezweckt (RVG. s 3). Nähere Bestimmungen enthält das RVG. nicht. Offentliche Angelegenheiten
werden zu politischen, sobald sie sich mit der Tätigkeit des Staates berühren. Bezweckt ein Verein
eine Einwirkung auf die Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung des Staates, so ist er ein
politischer van Calker, Zeitschr. f. Polit. 3, 299 erwähnt die Rechtsprechung nicht ausdrück-
lich, da er sie in den Begriff Verwaltung /S. 300| mit einschließt [Verwaltung im weiteren Sinnej,
Anschütz1, 529; Meyer-Dochow S. 162 10). Zu den politischen Vereinen gehören u. a.
der Flottenverein (vgl. namentlich Stier-Somlo 8#25), der Verein für Sozialpolitik, denn die
sozialpolitischen gehören zu den politischen Angelegenheiten, der Bund der Landwirte, der Hansa-
bund (van Calker S. 316). Ob Gesang= und Turnvereine, die außer den in der Satzung an-
gegebenen Zwecken noch eine bestimmte politische Gesinnung pflegen und somit zu politischen
Vereinen werden, ergibt sich aus ihrem Verhalten.
Der politische Verein muß einen Vorstand und eine Satzung haben (RVG. 83), aus der sich
der Zweck des Vereins ersehen läßt. Die Satzung und ein Verzeichnis der Mitglieder des Vor-
standes, nicht der übrigen Vereinsmitglieder, ist vom Vorstande der zuständigen Polizeibehörde
einzureichen. Die höhere Verwaltungsbehörde kann die Einreichung der Satzung in fremder
Sprache gestatten. Die Wahlvereine sind politische Vereine, gelten aber vom Tage der amtlichen
Bekanntmachung des Wahltages bis zur Beendigung der Wahlhandlung nicht als solche. Voraus-
setzung ist, daß es sich um Wahlen zu den auf Gesetz oder Anordnung der Behörden beruhenden
Körperschaften handelt (Reichstag, gesetzgebende Körperschaften der Einzelstaaten, Gemeinde,
Kreis, Provinz, Landwirtschafts-, Handels-, Arztekammem usw.).
Eine politische Versammlung ist eine Verbindung mehrerer Personen (Augenblicksver-
bindung) zur Erörterung politischer Angelegenheiten (RVG. 85). Der Veranstalter einer politischen
Versammlung hat unter Angabe des Ortes und der Anfangszeit, nicht des Zweckes, mindestens
24 Stunden vor dem Beginn der Versammlung der Polizeibehörde eine mündliche oder schrift-
liche Anzeige zu erstatten, worüber diese sofort eine kostenfreie Bescheinigung auszustellen hat.
Die Versammlung muß öffentlich sein, so daß eine unbestimmte Anzahl von Personen (Anschütz
1, 528, jedermann, tatsächlich, wenn auch nicht rechtlich) daran teilnehmen kann. Als Erörterungen
können Vorträge ohne anschließende Besprechung, auch theatralische und gesangliche Aufführungen
angesehen werden, wenn die Absicht besteht, auf die Teilnehmer in einem bestimmten Sinne einzu-
wirken. Gemeinsames Singen politischer Lieder ist kein Erörtern, kann aber als ein Einwirken an-
gesehen werden (Stier-Somlo S. 112: Die Erörterung ist eine besondere Art der Einwir-
kung). Entspricht die öffentliche Bekanntmachung einer Versammlung den Erfordernissen der
Landeszentralbehörde, erfolgt sie so, daß die Polizei bei vermünftiger Aufmerksamkeit die nötige
Kenntnis erlangen kann (Staatssekretär in d. Komm. Ber. S. 60), so bedarf es keiner Anzeige. Ver-
sammlungen der Wahlberechtigten zum Betriebe der Wahlen bedürfen während der Wahlzeit keiner
Anzeige, ebenso die Versammlungen der in §§ 152 und 154 a GewO. genannten Personen zum
Zwecke der Erlangung und Erhaltung günstiger Arbeitsbedingungen (RVG. 86 Abs. 2 und 3).
Offentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge auf öffentlichen Straßen
und Plätzen bedürfen der Genehmigung der Polizeibehörde, die vom Veranstalter mindestens
24 Stunden vor dem Beginn unter Angabe der Zeit, des Ortes oder des Weges, den der Zug
nehmen soll, nachzusuchen ist. Die Genehmigung — es bedarf nicht nur der Anmeldung — darf
nur dann versagt werden, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten ist
(pr. OVG. 45, 451: wenn Tatsachen vorliegen, aus denen nach vermnünftigem Ermessen eine nahe
Möglichkeit der Verwirklichung der Gefahr besteht). Die Verweigerung der Genehmigung ist mit
Angabe des Grundes dem Veranstalter sofort kostenfrei zu bescheinigen. Der Gegensatz zu einer
Versammlung unter freiem Himmel ist eine solche im geschlossenen Raum. Eine Versammlung
in einem ummauerten Hof findet unter freiem Himmel statt, dagegen braucht der gedeckte Ver-
sammlungsraum nicht nach allen vier Seiten abgeschlossen zu sein. Eine Versammlung bleibt eine
Versammlung im geschlossenen Raum, wenn außerhalb des Versammlungsraumes sich befindende
Personen an den Erörterungen teilnehmen, oder wenn die Versammlung aus nicht vorherzusehen-
den Umständen in einem mit dem Versammlungsraum zusammenhängenden umfriedeten Hof
oder Garten verlegt wird (RVG. § 8). Diese Verlegung darf aber nicht von Anfang an beabsichtigt
gewesen sein. Ein Aufzug besteht aus einer Anzahl von Personen, die sich zu einem bestimmten.