Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

526 F. Dochow. 
Zwecke auf Verkehrswegen, die im Gemeindegebrauch stehen, bewegen (auch außerhalb der Ort- 
schaften und auch auf Gewässern). Das Bewegungsmittel ist nicht ausschlaggebend. Die Landes- 
zentralbehörde kann bestimmen, wann Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge nicht 
der Genehmigung, sondem nur der Anzeige oder der öffentlichen Bekanntmachung bedürsen. Ge- 
wöhnliche Leichenbegängnisse und Hochzeitszüge bedürfen, wo sie hergebracht sind, keiner Anzeige 
oder Genehmigung (RVG. F§ 9). Ein Leichenbegängnis ist als außergewöhnliches anzusehen, wenn 
mit ihm eine politische Demonstration verbunden werden soll (rote Fahnen, Kranzschleifer mit 
außergewöhnlichen Aufschriften, Laienreden politischen Inhalts). 
Der Veranstalter (iner öffentlichen politische Versammlung kann iyre Leitung selbst über- 
nehmen, einen Leiter bestimmen oder ihn durch die Versammlung wahlen lassen. Der Leiter hat 
den Verlauf der Versammlung zu regeln, für Ruhe und Ordnung zu sorgen und kann die Versamm- 
lung auflösen. Die Teilnahme an öffentlichen Versammlungen hat unbewaffnet zu erfolgen. Die 
Verhandlungen sind in deutscher Sprache zu führen (RVG. F 12; ausgenommen von dieser Vor- 
schrift sind intemmiationale Kongresse und Wahlversammlungen; weitergehende Ausnahmen regelt 
die Landesgesetzgebung, insbesondere trifft sie die Bestimmungen über den Mitgebrauch der nicht- 
deutschen Sprache für die ersten zwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten des RVG. auf Grund des 
l 12 Abs. 2.). 
Zur Uberwachung kann die Polizeibehörde zwei Beauftragte entsenden, denen ein ange- 
messener Platz angewiesen werden muß, und zwar in jede öffentliche Versammlung (RVG. F 13), 
auch in die Versammlungen, die (nach RVG. 86 Abs. 2 und 3) einer Anzeige richt bedürfen (anderer 
Meinung: Anschütz 1, 520; Friedenthalöbg; Delius 367). Die Beauftragten haben die 
Versammlung zu überwachen und nötigenfalls aufzulösen. Diese Tätigkeit verlangt den nötigen 
Takt, was bei der Auswahl der Beauftragten zu berücksichtigen ist. Nach Auflösung einer Ver- 
sammlung sind die Anwesenden verpflichtet, sich sofort zu entfernen. 
Literatur: Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht"“ S. 160; Anschütz 
Kommentar z. preuß. Verfassungsurkunde (1912) 1, 518; Loening, Art. Vereins- und Ver- 
sammlungsfreiheit, Handwörterb. d. Staatsw. (1911)2 8, 152; Jolly, Art. Vereine und Ver- 
sammlungen, Wörterb. d. deutsch. Verwaltungsr. 2, 666; Müller-Meiningen, Vereins= und 
Versammlungsrecht, Handb. d. Politik 1, 250. — Ubersichten über die reichhaltige Literatur des 
Vereins= und Versammlungsrechts enthalten die zahlreichen Kommentare zum RVG., von denen 
namentlich zu nennen sind: Delius (1912)5; Friedenthal (1908); Hieber-Bazille 
(1908); Lindenberg in Stengleins Nebengesetzen“ 1, 11! Müller-Schmid (1908); 
Romen (1908); v. Sartor (1908); Stier-Somlo (1909, enthält den Wortlaut der 
landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen). 
3. Presse. 
#s 4. Das Recht der freien Meinungsäußerung in Druckschriften unterliegt nur den Be- 
schränkungen, die das Gesetz über die Presse vom 7. Mai 1874 (REl. S. 65) vorgeschrieben 
oder zugelassen hat. Druckschriften sind Erzeugnisse der Buchdruckerpresse und alle anderen 
durch mechanische oder chemische Mittel bewirkten, zur Verbreitung bestimmten Vewielfältigungen 
von Schriften und bildlichen Darstellungen und von Musikalien mit Text oder Erläuterungen 
(Pr G. § 2). Mit dieser Bestimmung hat das Pr. allen technischen Entwicklungsmöglichkeiten 
Rechnung getragen. 
1. Die Ausübung eines Preßgewerbes untersteht den Bestimmungen der GewO. Ein 
Preßgewerbe betreiben nach § 14 GewO. die Buch= und Steindrucker, Buch= und Kunsthändler, 
Antiquare, Leihbibliothekare, Inhaber von Lesekabinetten, Verkäufer von Druckschriften, 
Zeitungen und Bildern, außerdem die von der GewO. nicht aufgeführten Verkäufer von 
Photographien, Ansichtskarten und Heiligenbildern. Das Preßgewerbe gehört nicht zu den 
konzessionspflichtigen Gewerben, es bedarf aber neben der für alle Gewerbe vorgeschriebenen 
Anzeige einer besonderen über das Lokal, in dem es betrieben werden soll. Eine Entziehung 
der Befugnis zum Gewerbebetrieb kann nicht erfolgen (Pr G. § 4). Auf jeder Druckschrift muß 
(PrG. § 6) der Name und Wohnort des Druckers und, wenn sie für den Buchhandel oder sonst 
zur Verbreitung bestimmt ist, der Name und Wohnort des Verlegers, oder beim Selbstvertrieb 
der Druckschrift des Verfassers oder Herausgebers genannt sein. An Stelle des Namens kann
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.