Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

536 F. Dochow. 
8 11. Die Volksschule hat dafür zu sorgen, daß die heranwachsende Jugend die 
für das bürgerliche Leben notwendigen Kenntnisse und neben körperlicher Entwicklung die Grund- 
lage einer religiös-sittlichen Bildung erwirbt. Die Schulpflicht erstreckt sich auf sieben bis acht 
Jahre, beginnend mit dem sechsten Lebensjahre. Unterrichtsgegenstände sind Religion, Lesen, 
Schreiben, Rechnen, Geschichte, Geographie, Naturkunde, Zeichnen, Gesang, Turnen und 
Handarbeiten. Der Unterricht ist Ganz= oder Halbtagsunterricht, wobei ein Lehrer täglich ent- 
weder eine oder zwei Klassen hintereinander zu unterrichten hat. Die Vorbildung der Lehrer 
erfolgt auf Präparandenanstalten, die auf den in der Volksschule erworbenen Kenntnissen auf- 
bauen, und daran anschließend in Lehrerseminaren. Die Lehrerinnen werden auf Lehrerinnen- 
seminaren ausgebildet. Man unterscheidet konfessionelle Volksschulen, in denen die Lernenden 
von Lehrern der gleichen Konfession unterrichtet werden, und Simultanschulen. Die konfessionelle 
Volksschule darf aber den Schulpflichtigen anderer Konfessionen nicht verschlossen werden, 
wenn für sie nicht in anderer Weise durch öffentliche Volksschulen hinreichend gesorgt ist. Der 
Religionsunterricht kann auch durch Geistliche erteilt werden. Dissidentenkinder haben an dem 
Religionsunterricht der von ihnen besuchten Schule teilzunehmen. 
Träger der Schullasten sind die Gemeinden, die entweder einen eigenen Schul- 
verband bilden oder zu Gesamtschulverbänden zusammengeschlossen werden können. Die Schul- 
lasten sind Gemeindelasten, die der Staat den Gemeinden zu seiner Entlastung übertragen hat. 
Die Schulaufsicht übt der Staat aus, und zwar besteht die Tätigkeit des Staates in einer 
Aufsicht über die Verwaltung der äußeren Angelegenheiten durch die Gemeinden und in 
einer Verwaltung der inneren Angelegenheiten. Der Schulverband sorgt für die ordnungs- 
mäßige Errichtung und Instandhaltung des Schulgebäudes, beschafft die erforderlichen und ver- 
waltet die vorhandenen Mittel und bestellt die notwendigen Organe, z. B. die Schuldeputationen 
und Stadtschulräte, denen auch Aufsichtsbefugnisse übertragen werden können, die sie nach 
staatlicher Anordnung auszuüben haben. Die Anstellung der Lehrkräfte bedarf der Bestätigung 
durch die Aufsichtsbehörde. Der Staat gewährt den Schulverbänden Zuschüsse zu den aus der 
Besoldung und der Alters-, Witwen- und Waisenversorgung der Lehrkräfte entstehenden Kosten. 
Unvermögenden Gemeinden können weitergehende Beihilfen geleistet werden. Den gesamten 
inneren Betrieb bestimmt der Staat, er regelt die Benutzung des Schulgebäudes, den Schul- 
besuch, die Schulzucht, den Gang des Unterrichts, die Lehrmethode, und was damit im Zu- 
sammenhang steht. Die Orts= und Kreis= oder Bezirksschulinspektoren ernennt der Staat. Beide 
Amter können in einigen Staaten durch Geistliche im Nebenamte ausgeübt werden. Sie unter- 
stehen den Landesverwaltungsbehörden; oberste Instanz ist das Ministerium. Die Schul- 
verwaltung der Gemeinden erfolgt durch die Gemeindeorgane, denen eine Schuldeputation 
oder ein Schulvorstand zur Seite tritt. Die Gesamtschulverbände wählen einen Verbandsvorsteher 
und einen Schulvorstand. Größere Gemeinden stellen Stadtschulräte oder Stadtschulinspektoren 
an. Wie weit diesen Organen Aufsichtsbefugnisse einzuräumen sind, entscheidet die staatliche 
Aussichtsbehörde. 
§ 12. An die Volksschulen schließen sich die Mittelschulen, auch Bürgerschulen 
oder gehobene Schulen genannt, an. Sie können errichtet werden, wenn für die Volksschulen 
hinreichend gesorgt ist. Die Mittelschulen erweitern den Lehrplan der Volksschule insbesondere 
durch Unterricht in den Sprachen und den Grundlagen der Naturwissenschaften teilweise so weit, 
daß sie für die mittleren Klassen der höheren Schulen vorbereiten. Vielfach werden sie den Volks- 
schulen zugezählt. Dasselbe gilt von den Fortbildungsschulen, die entweder nur den 
Lehrstoff der Volksschule zu befestigen und in das bürgerliche Leben einzuführen haben (all- 
gemeine Fortbildungsschulen) oder außerdem noch die Vorbereitung für einen bestimmten 
Beruf bezwecken (berufliche Fortbildungsschulen). Das Fortbildungsschulwesen kann durch 
Gesetz oder durch Ortsstatut geregelt, die Schulpflicht bis zum vollendeten 18. Lebensjahre aus- 
gedehnt werden. Der weitergehenden Vorbereitung für einen bestimmten Beruf dienen die 
Fachschulen (mittlere Fachschulen ohne Hochschulcharakter), z. B. die Baugewerkschulen, 
Fachschulen für Holzarbeiter und Elektrotechniker, Kunstgewerbeschulen, Handelsschulen, Land- 
wirtschaftsschulen. Zu den mittleren Fachschulen gehören auch die Bildungsanstalten für 
Lehrer und Lehrerinnen. Sie können aber auch den höheren Schulen zugezählt werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.